Schweiz
Asylgesetz

8er-Flüchtlingstram nach Deutschland: Endstation Bundepolizei

Die deutsche Bundespolizei kontrolliert im 8er-Tram, das von Basel nach Weil am Rhein (D) fährt, einen Flüchtling.
Die deutsche Bundespolizei kontrolliert im 8er-Tram, das von Basel nach Weil am Rhein (D) fährt, einen Flüchtling.bild: Kenneth Nars

Wo die Flüchtlinge mit dem Tram aus der Schweiz kommen

Die deutsche Bundespolizei verschärft ihre Kontrollen in Weil am Rhein und schickt Flüchtlinge zurück in die Schweiz.
02.09.2016, 09:2402.09.2016, 10:02
Peter Schenk / Nordwestschweiz
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Pech gehabt. Die beiden Beamten der deutschen Bundespolizei steigen in das 8er-Tram, das seit Ende 2014 von Basel bis ins deutsche Weil am Rhein fährt. Für die Kontrolle hat es direkt am Zoll Hiltalingerstrasse/Weil Friedlingen gehalten. In einem ersten Durchgang gehen die Beamten von der ersten Tür beim Chauffeur, die dieser für sie geöffnet hat, von vorne nach hinten, um sich einen Überblick zu verschaffen. Beim Rückweg verständigen sie sich kurz und einigen sich darauf, einen mittelgrossen Mann um seine Papiere zu bitten.

Der Mann sieht fremdländisch aus und hat weder Ausweis noch eine Bankkarte dabei. Auch keine anderen Dokumente, gibt er auf Nachfrage zu verstehen. «Sie fahren hier von der Schweiz nach Deutschland», versucht einer der Polizisten ihm mit Händen und Füssen zu vermitteln.

«Er wollte sich in der Schweiz Sportschuhe besorgen und bekommt jetzt eine Anzeige, weil er eine Ordnungswidrigkeit begannen hat. Das Asylverfahren ist damit normalerweise erloschen.»
Helmut Mutter, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein

Er gibt an, in Deutschland zu wohnen. Wie bei derartigen Fällen üblich muss er aussteigen und wird zur Abklärung in das Zollhäuschen gebracht. Nach drei Minuten kann das mit Einkaufstouristen gut gefüllte Tram weiterfahren.

Das Bauchgefühl entscheidet

«Manchmal schauen wir nur von aussen», erklärt einer der Beamten nach der Kontrolle. Im Tram sassen viele Fahrgäste mit Migrationshintergrund. Sie wurden aber nicht kontrolliert. «Wir verlassen uns auf das Bauchgefühl», sagt einer der Polizisten. Beim kontrollierten Mann hat es nicht getrügt.

Es stellt sich heraus, dass er sehr wohl ein Dokument über seine vorläufige Duldung in Deutschland bei sich hatte. Über die Grenze darf er damit aber nicht fahren. «Er wollte sich in der Schweiz Sportschuhe besorgen und bekommt jetzt eine Anzeige, weil er eine Ordnungswidrigkeit begannen hat. Das Asylverfahren ist damit normalerweise erloschen. Es ist offen, wie es jetzt weitergeht», erläutert Helmut Mutter, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein, der den Besuch am Grenzübergang begleitet.

Der beobachtete Aufgriff ist nur ein unbedeutender Fall, aber seit Juni ist Weil am Rhein einer der Hotspots, in dem Flüchtlinge landen, die über Italien und die Schweiz nach Deutschland wollen. Die Schweiz weist im Süden immer mehr Flüchtlinge zurück nach Italien. Doch an ihrer Nordgrenze schlüpft sie in die Rolle der Italiener. Immer mehr Flüchtlinge durchqueren bloss die Schweiz und wollen nach Deutschland: 2015 seien noch 4200 Flüchtlinge über die deutsch-schweizerische Grenze gekommen, nun im Zeitraum Januar bis Juli 2016 seien es schon 3600, berichtet Mutter. «Im Juni und Juli hatten wir nur an der Dreiländergrenze pro Monat knapp 400 Migranten», fährt Mutter fort.

Die Bundespolizeidirektion Weil am Rhein ist für das Grenzgebiet von Weil bis Waldshut zuständig. Um alle Aufgaben der letzten Wochen zu erfüllen, wurde sie temporär um 40 Beamte aufgestockt.

Die Grenze bei Weil zu überwachen, ist schwierig. Die Flüchtlinge sind meist gut informiert. «Sie haben zum Beispiel Skizzen, wie sie von der Tramendhaltestelle zur Polizeiwache kommen», erläutert Mutter. Weitere Möglichkeiten, hier nach Deutschland zu kommen, sind ein grenzübergreifender Bus, natürlich die grüne Grenze und die Nahverkehrszüge. «Wir können nicht jeden Zug kontrollieren», sagt der Polizeisprecher.

98 Prozent aus Schwarzafrika

Die aufgegriffenen Migranten sind zu 98 Prozent Schwarzafrikaner. Sie stammen vor allem aus Eritrea, Gambia, Äthiopien und Somalia. Manchmal, wie Ende Juni, als 99 Personen an einem Tag festgehalten wurden, waren es Gruppen und ganze Familien, die ankamen – allein 30 mit dem Tram. «Ein Drittel von ihnen hat behauptet, jünger als 18 zu sein. Dann fallen sie in Deutschland unter das Jugendschutzgesetz und man kümmert sich um sie. Oft aber sind sie in Wirklichkeit älter», so Mutter.

Stellt sich bei der Kontrolle anhand der Fingerabdrücke heraus, dass Flüchtlinge schon in der Schweiz registriert sind, werden sie der Schweizer Grenzwache übergeben. Die Zusammenarbeit sei gut, betont Mutter. «In der Schweiz kontrollieren wir im Grenzraum auch gemeinsam.»

Jetzt auf

Sind es über 15 Flüchtlinge, die einen Asylantrag in Deutschland stellen wollen, werden sie in einem Zentrum in Efringen, einige Kilometer nördlich von Basel, befragt, durchsucht, erfasst und dann nach Karlsruhe geschickt, wo sich ein Aufnahmezentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge befindet. Ebenfalls dort landen die Flüchtlinge, die sich, ohne bei der Bundespolizei hängen zu bleiben, bis auf eine normale Polizeiwache durchgeschlagen haben. Die Bundespolizei ist national organisiert und unter anderem für die Grenzkontrollen, die Flughäfen, Bahnhöfe und Küsten zuständig, während die Polizeiwachen dem Land Baden-Württemberg unterstehen.

Im Juni und Juli waren die Polizeiwachen in Weil am Rhein und im übrigen Landkreis Lörrach zunehmend mit Flüchtlingen konfrontiert, die sich dort meldeten – eine Überforderung für die Beamten. Im Juni waren es 150, im Juli 149, und erst im August gingen die Zahlen auf 81 zurück. Warum, kann sich Mutter auch nicht recht erklären. Er mutmasst: «Vielleicht sind jetzt mehr Migranten in Konstanz und es gab einen kleinen Verdrängungswettbewerb.» (aargauerzeitung.ch)

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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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90er
02.09.2016 09:37registriert November 2014
Wieso jemand mit laufendem Asylverfahren in Deutschland, in die Schweiz kommt um Sportschuhe zukaufen die um einiges teurer sind versteh ich irgendwie nicht.
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MaxHeiri
02.09.2016 10:53registriert März 2016
98% aus Ländern wie Eritrea, Gambia, Äthiopien und Somalia. Wie kann man da überhaupt noch an das Wort Flüchtlinge denken...
Irgendwie ist es tragisch, dass es Europa nicht hinbekommt eine Green Card einzuführen und den Asylbegriff nur noch für echte Kriegsregionen beschränkt!
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Str ant (Darkling)
02.09.2016 10:55registriert Juli 2015
Die Schweizer Grenzwacht wird ja bereits im Tessin genug dafür angefeindet das sie ihren Job macht.
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