So faszinierend dieser Alpenbewohner auch ist – diese Regeln sind überlebenswichtig
Wer wandert, kommt immer mal wieder in den Genuss, wilde Tiere zu beobachten. Bei Murmeltieren, Steinböcken, Bartgeiern oder Hirschen ist das meist kein Problem (wenn man natürlich auch dort die Distanz hält). Andere Tiere sollten auf keinen Fall gestört werden. Dazu zählt das Birkhuhn. Vor allem jetzt zur Balz von April bis Juni sind die Vögel äusserst sensibel.
Noch sensibler reagieren Auerhühner auf unerwünschten Besuch (mehr dazu bei Punkt 9). Aber konzentrieren wir uns auf die Birkhühner. Livio Rey, Biologe und Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit an der Vogelwarte Sempach, hat uns das Tier nähergebracht.
Was ist überhaupt ein Birkhuhn?
Das Birkhuhn gehört zu den Hühnervögeln. Die Henne wird rund 45 Zentimeter lang, der Birkhahn zirka 55 Zentimeter. Die Gefiederfärbung unterscheidet sich stark. Während die Henne bräunlich gut getarnt ist, fällt der Hahn mit seinem blauschwarzen Gefieder mit weissen Flügelbinden und dem Rot über dem Auge auf.
In der Schweiz wurden bei der Zählung für den Schweizer Brutvogelatlas (2013–2016) rund 12'000 bis 16'000 Männchen gezählt. Das Birkhuhn befindet sich als «potenziell gefährdet (NT)» auf der Roten Liste.
Wo leben die Tiere?
Birkhühner leben in der subalpinen Zwergstrauchheide, also rund um die Baumgrenze. In der Schweiz sind sie im ganzen Alpenraum zu finden.
Birkhühner sind nicht sehr selten, wer viel in den entsprechenden Regionen unterwegs ist, hat gute Chancen, einmal eines zu entdecken. Vor allem jetzt während der Balz. Danach zieht sich das scheue Tier eher zurück. Auch im Herbst kann das Birkhuhn während der Herbstbalz noch beobachtet werden. Aber eben: Es gibt da wichtige Regeln, weil die Tiere so sensibel auf Störungen reagieren.
Was ist an der Balz so speziell?
Die Balz der Birkhühner dauert normalerweise von April bis Juni. Während dieser Zeit treffen sich die Birkhähne jeden frühen Morgen in der Balzarena. Dann führen die polygamen Birkhähne ihre Tänze auf. Die Balzplätze bleiben dabei während Jahren bestehen.
In einer Arena präsentieren sich bis rund zehn Hähne, in seltenen Fällen deren 20, und tragen ritualisierte Schaukämpfe aus. Die Schwanzfedern werden gesträubt, der Körper geneigt. Auch wenn Drohposen eingenommen werden, kommt es nur selten zu Kämpfen. Die kollernden und zischenden Laute sind über einige hundert Meter hörbar.
Die Weibchen werden durch die Vorführungen angelockt und wählen ihren Partner aus. Die Henne legt dann sieben bis zehn Eier und kümmert sich allein um ihren Nachwuchs.
Welche Regeln muss ich beachten?
Wichtig ist immer: Halte Distanz. Du kannst die Vorführungen mit genügend Abstand auch kurz geniessen, am besten natürlich auf einer geführten Tour mit Experten (siehe Punkt 8).
Das Problem ist meist auch: Die Hähne verlassen den Balzplatz nicht, auch wenn Menschen sie beobachten und stören. «Aber wenn die Luft nicht rein ist, kommen die Hennen nicht aus ihren Verstecken und es findet keine Paarung statt», sagt Rey.
Bleib am besten einfach immer auf den Wegen. Die Balzplätze sind normalerweise etwas abseits. Teilweise hat es auch Ranger unterwegs und wenn in einem Gebiet aufgrund der Balzzeit ein Weg gesperrt ist, dann wird dieser auch klar so gekennzeichnet.
Und was ist im Winter?
Im Winter findet zwar keine Balz statt. Aber die Tiere sollten dann Energie sparen. Werden sie aufgescheucht, ist das zwar noch nicht beim ersten Mal lebensgefährlich für sie, aber wenn sie in einem Winter mehrmals aufgescheucht werden, wird es kritisch.
Es ist eigentlich ganz einfach: Unser Spielplatz, die Natur, ist das Wohnzimmer der Birkhühner und anderen wilden Tiere. Du hättest auch keine Lust, dass einfach jemand in dein Wohnzimmer tritt.
Darum halte dich unbedingt an Wildruhezonen. Alle Informationen dazu findest du hier.
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Aber für ein Foto darf ich schon kurz näher ran?
Nein. Wenn du nur mit Smartphone-Kameras unterwegs bist und die Tiere nicht reinzoomen kannst, dann gehe nicht näher ran. Fühlen sich die Tiere zu sehr gestört, bleiben die Weibchen weg, im Extremfall wird die Balz unterbrochen.
Und die Einstellung «ich war alleine und es bin ja nur ich» gilt auch nicht. Es geht nicht um die Störung einer einzelnen Person. Es ist die Summe der Störungen, die für die Hühner problematisch ist.
Kann ich unabsichtlich in eine Balzarena latschen?
Das ist unwahrscheinlich. Die Rufe sind bis zu einigen hundert Metern hörbar. Auch offizielle Wege führen im Normalfall nicht durch eine Balzarena. Aber es gibt schon Gebiete, wo diese sich nicht sehr abseits befinden.
Falls du doch einmal zu nahe kommst: Ziehe dich langsam zurück. Bist du auf dem Wanderweg, kannst du auch kurz beobachten, wie die Tiere auf dein Verhalten reagieren. Bist du abseits der Wege unterwegs: Ziehe dich sofort bis ausser Sichtweite zurück.
Eine Birkhuhn-Wanderung? Ja, aber nur mit Experten
Ja, es gibt Birkhuhn-Wanderungen. Wenn du so eine buchen willst, achte darauf, dass der Anbieter seriös ist. Wir haben hier drei Angebote zusammengestellt:
So bietet beispielsweise Pro Natura im Aletschgebiet Wanderungen zur Balz oder auch ein ganzes Birkhahn-Wochenende an. Ebenfalls möglich ist die Beobachtung im Niederbauen-Gebiet bei der Klewenalp. Der Jäger Walter Würsch nimmt dich dort auf die Wanderung mit.
Auch in der Region La Berra in Fribourg finden geführte Wanderungen unter fachkundiger Leitung statt. Das Angebot am 7. Mai ist aber grundsätzlich auf Französisch und bereits ausgebucht. Weitere Exkursionen sind aktuell in diesem Jahr nicht geplant. Auf Anfrage kann man bei der Freiburger Sektion der ASAM-SWL geführte Wanderungen bei deutschsprachigen Experten zum Thema Birkhuhn buchen.
Und was ist mit dem Auerhuhn?
Neben dem Birkhuhn lebt auch das Auerhuhn in unseren Bergen. Allerdings gilt dieses auf der Roten Liste als «stark gefährdet». Livio Rey sagt: «Auerhühner bei der Balz zu stören, ist ein absolutes No-Go. Diese sind extrem störungsanfällig und stark bedroht. Der Schutz des Tieres hat da absolute Priorität.»
Reto Fehr
Man muss die Schweiz verdammt gut kennen, wenn man sie besser kennen will als Reto Fehr. Mit seiner Tour dur d'Schwiiz radelte er 2015 alle damals 2324 Gemeinden ab. Entstanden ist daraus das preisgekrönte Buch Tour dur d'Schwiiz. Als einer von wenigen besuchte er somit schon jede Gemeinde der Schweiz. In der Folge absolvierte Reto die Ausbildung zum Wanderleiter des Schweizer Bergführerverbandes SBV und ist in seiner Freizeit meist in der Natur unterwegs, wozu er dich auf seinem Instagram-Account immer mal wieder mitnimmt. Als Mitglied des Rätsel-Kollektivs geoblog.ch lässt er die User zudem mehrmals wöchentlich die Schweiz in Bildern entdecken.