Mittlerweile kennt wieder jeder mindestens jemanden, der kürzlich an Covid-19 erkrankte – obwohl die Fallzahlen in der letzten Woche zurückgingen. Die bevorstehende Herbstwelle sorgt seit Wochen für wenig rosige Aussichten.
Denn die Lage in den Spitälern wird schon als «angespannt» bezeichnet. Dies vor allem auch aufgrund des fehlenden Personals. Und wie sieht es eigentlich im Ausland aus?
Wir klären die wichtigsten sechs Punkte der aktuellen Situation:
Nachdem die Fallzahlen in den ersten beiden Oktoberwochen steil angestiegen waren, flachte die Kurve vor einer Woche wieder etwas ab und es wurde nur eine Zunahme von 7,1 Prozent gegenüber der Vorwoche verzeichnet.
In dieser Woche meldet das BAG gar einen Rückgang von 16 Prozent. Alles wieder vorbei? Kaum. Wir werden die nächsten Wochen abwarten müssen. Denn wichtig bleibt: Die Dunkelziffer dürfte hoch sein (siehe Punkt 2). Darum gilt weiterhin, dass die Fallzahlen höchstens ein Indikator für die derzeitige Corona-Lage sind, aber auf keinen Fall alleine betrachtet werden sollten.
Wohin der Trend bei den Fallzahlen geht, zeigen darum auch die Abwasserwerte. Wird dort das Corona-Virus in hoher Konzentration gefunden, ist ein Anstieg der Fallzahlen zu erwarten. Die Daten des Eawag zeigten dabei Ende September noch einen Aufwärtstrend, mittlerweile ist es aber eher wieder eine Seitwärtsbewegung geworden. Von den Werten zu Jahresbeginn sind wir noch weit entfernt, aktuell ist die Lage ähnlich wie bei der Sommerwelle.
Wie oben erwähnt: Die Dunkelziffer bei den Fallzahlen bleibt mit 41,1 Prozent sehr hoch. Da viel zu wenig PCR-Tests durchgeführt werden, bleiben viele Fälle unbemerkt. Viele Infizierte begnügen sich zudem mit einem Antigen-Schnelltest. Experten gehen bezüglich der Dunkelziffer von einem Faktor zwischen vier und sechs aus. Wurden also in der letzten Woche rund 30'000 Fälle gemeldet, dürften es in Wahrheit eher 120'000 bis 180'000 sein.
Die WHO erklärte zu Beginn der Pandemie: Um ein möglichst genaues Bild der epidemischen Lage zu erhalten, müsste die Positivitätsrate unter fünf Prozent liegen. Wir liegen seit Monaten deutlich über diesem Wert.
Die Spitaleinweisungen blieben in den letzten beiden Wochen praktisch konstant (diese Woche: +0,9 Prozent, letzte Woche +1,3 Prozent). Das ist eine gute Nachricht. Die aktuelle Belegung der Schweizer Spitäler liegt bei 82,3 Prozent der Kapazität.
Petra Zalud, Mediensprecherin der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI), schreibt denn auch auf Anfrage: «Die Krankheitsverläufe bei vorher gesunden Patientinnen und Patienten scheinen bei den aktuell zirkulierenden Virusvarianten weniger schwer zu sein, Patientinnen und Patienten mit Vorerkrankungen erkranken oftmals gleich schwer wie zuvor mit den anderen Varianten.»
Für die kommenden Wochen befürchtet Zalud eine Verschärfung der Situation. So werden neben Covid-Erkrankten auch schwere Fälle der saisonalen Grippe in der kalten Jahreszeit zu mehr Spitaleinweisungen führen.
Am 24. Oktober waren die Intensivstationen von Nidwalden (5 Betten) und Schaffhausen (6 Betten) voll belegt. Das kann sich allerdings auch schnell wieder ändern.
Aktuell beträgt die Auslastung auf den Schweizer Intensivstationen 75,5 Prozent, der Anteil an Patienten mit Covid nahm dabei zuletzt leicht zu:
Die Lage auf den Intensivstationen ist bisweilen angespannt. «Mitte Oktober konnten zirka 123 der zertifizierten Intensiv-Betten in insgesamt 30 Spitälern nicht betrieben werden», erklärt Zalud. Der Grund dafür: Personalmangel. Was uns zu Punkt 5 bringt.
Denn auch wenn die Situation in den Spitälern und Intensivstationen noch bewältigbar ist: Das fehlende Personal kann nicht wegdiskutiert werden und die Lage kann sich kurzfristig durch Erkrankungen weiter verschärfen. Vor rund zwei Wochen forderte der Berufsverband Sofortmassnahmen. Denn monatlich steigen rund 300 Pflegende aus dem Beruf aus.
Zalud sagt auf Anfrage: «Die Situation in den Spitälern ist angespannt, vor allem wegen des anhaltenden und weiter zunehmenden Fachpersonalmangels in der Pflege, aber auch im ärztlichen Bereich.»
Mehr Fälle von Covid und Grippe, dazu ein Personalmangel in Gesundheitsberufen. Bei der SGI schaut man deshalb kritisch auf die nächsten Wochen: «Das kann eventuell dazu führen, dass wieder Verschiebungen nicht dringlicher Operationen vorgenommen werden müssen, weil das Fachpersonal fehlt.»
Doch das Problem besteht nicht nur auf den Intensivstationen, sondern hat auch Folgewirkungen: «Vielfach können Patientinnen und Patienten nicht von der IPS auf nachfolgende Überwachungsstationen oder Bettenstationen weiterverlegt werden, weil diese ebenfalls mit den Folgen des Personalmangels kämpfen.» Und schliesslich sorgen wegen der Corona-Vorschriften isolierte Patientinnen und Patienten für mehr Aufwand bezüglich des Personals, welches dann für die Betreuung an anderen Orten fehlt.
Die Infektionskurven in den Schweizer Nachbarländern verlaufen ziemlich ähnlich wie bei uns, wobei die Schweiz zeitlich etwas hinterherhinkt. Österreich verzeichnete ab Mitte September den stärksten Anstieg an neuen Fällen, scheint den Höhepunkt der Herbstwelle aber bereits hinter sich zu haben: Seit dem 10. Oktober gehen die täglichen Neuinfektionen wieder zurück. Rückläufig verlaufen die Fallzahlen auch in Deutschland, in Frankreich und Italien gingen die Neuinfektionen zuletzt ebenfalls leicht zurück.
Die Massnahmen sind in allen Nachbarländern derzeit allerdings etwas strenger als bei uns. In Deutschland gilt seit dem 1. Oktober im öffentlichen Personenfernverkehr eine FFP2-Maskenpflicht, so auch in Krankenhäusern und Arztpraxen. In Österreich ist die Maskenpflicht im ÖV auf die Hauptstadt Wien begrenzt.
In Italien wurde die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr per Ende September zwar abgeschafft, in Gesundheitseinrichtungen gilt sie aber weiterhin. In Frankreich wird das Tragen einer Maske im ÖV und in Spitälern und Apotheken dringend empfohlen.
Höhere Löhne zum Bleistift?
Wie lange will man noch zusehen wie sich im (auch) im Gesundheitswesen ein paar Wenige eine goldene Nase verdienen und die, auf die es ankommt, fast leer ausgehen?
Das alleine genügt aber nicht, weil es hauptsächlich ein strukturelles Problem ist. Die Arbeitsbedingungen sind mieserabel, es gibt kaum Pausenräume und -zeiten für das Personal, es gibt keine Pools (mehr) für Ausfälle und Freiwünsche und den Führungspersonen fehlt es an Methodik- und People-Management-Wissen. "Lean" z.B. ist schon jetzt ein Rohrkrepierer...
Das heisst doch nur, dass "Corona" inzwischen wie die anderen, "gewöhnlichen" Erreger gesehen und behandelt wird!
Letztlich bleibt uns auch gar nichts anderes übrig.
Oder will hier tatsächlich noch jemand den "chinesischen Weg" gehen?