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Wie E-Autos Schweizer Importeuren beim Umgehen von CO₂-Sanktionen helfen

Ein Audi e-tron Auto ist am Donnerstag, 10. November 2022, in Zuerich an eine der vier Ladestationen des Audi charging hub angeschlossen. Der Audi charging hub mit vier Ladestationen und einer Ladelei ...
E-Autos sind beliebt und bewahren Importeure vor Sanktionen.Bild: KEYSTONE

Wie E-Autos den Importeuren beim Umgehen von CO₂-Sanktionen helfen

60 Prozent der neu importierten Personenwagen lagen 2024 über dem gesetzlichen Zielwert und trotzdem haben die Importeure den CO₂-Zielwert eingehalten. Beides stimmt gleichzeitig, doch beim Autoimport kommt es stark auf die Auslegung der Zahlen an.
02.07.2025, 19:5602.07.2025, 19:56
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«Importeure neuer Personenwagen unterschreiten die CO₂-Zielwerte im Jahr 2024» heisst es in einem neu erschienen Bericht des Bundesamts für Energie, kurz BFE. Aber derselbe Bericht zeigt auch ein anderes Bild: 60 Prozent der in die Schweiz importierten Autos stossen mehr Emissionen aus, als der gesetzliche Zielwert von 118 Gramm CO₂ pro Kilometer.

Individuelle Ziele der Importeure

Im letzten Jahr haben 57 verschiedene Grossimporteure Personenwagen in die Schweiz importiert. Um auf dieser Liste zu landen, müssen Unternehmen mindestens 50 Fahrzeuge über die Grenze bringen. Für jeden Importeur wird ein individuelles Emissionsziel errechnet, welchem das durchschnittliche Leergewicht sämtlicher Personenwagen im Jahr 2024 zugrunde liegt. Letztes Jahr lag der mittlere Wert bei 119,8, also höher als der gesetzliche Zielwert von 118 Gramm CO₂/km.

Wie im Bericht zu lesen ist, haben die Importeure den Zielwert «deutlich» unterschritten, sprich um 6,4 Gramm CO₂/km. Im vergangenen Jahr gab es dennoch eine Zunahme der Emissionen um 3,4 Prozent, und der Abwärtstrend scheint erneut um den Zielwert zu stagnieren.

Doch die Zielwerte scheinen als Anreiz einen positiven Effekt zu haben. Die durchschnittlichen Emissionen auf den Flotten entwickeln sich seit Jahren nach unten. Andererseits mussten auch 12 der 57 Grossimporteure, welche ihren Zielwert überschritten hatten, mit Sanktionen abgestraft werden. Das sind mehr als 20 Prozent. Insgesamt wurden Bussgelder im Wert von 829'000 Franken ausgesprochen, das sind 700'000 Franken mehr als noch 2023. Wenn die Kleinimporteure dazu gezählt werden, überschreiten die Sanktionen zwei Millionen Franken.

Dabei können sich die Importeure gegenseitig beim Einhalten der Emissionsziele unterstützen – und damit sogar Geld verdienen.

E-Autos drücken Flottenzielwerte nach unten

Da die individuellen CO₂-Ziele nicht auf der Art des Antriebs der importierten Autos basiert, sondern auf dem Leergewicht, bekommen alle Importeure ein Kontingent zugewiesen. So können Unternehmen, welche mehrheitlich mit E-Autos handeln, ihre eigene Flotte mit Autos anderer Hersteller ergänzen, ohne sich Sorgen um Sanktionen machen zu müssen. Und dabei noch Geld dazu verdienen.

Tesla war ein Paradebeispiel für diese Praxis. Das US-Unternehmen importierte von 2020 bis 2022 rund 16'686 Fahrzeuge in die Schweiz. Rund 4350 davon waren E-Autos, aber der grosse Rest (12'336) waren Autos mit Verbrennungsmotoren. Pro E-Auto importierte Tesla also fast drei sanktionsfreie Verbrenner. Das CO₂-Gesetz erlaubte es dem Musk-Unternehmen, so Geld zu verdienen. Seit 2023 hat Tesla aber nur noch Autos mit Elektroantrieb importiert.

Aktuell macht von diesem Gesetz beispielsweise der Autohersteller Polestar Gebrauch. Das schwedische Unternehmen stellt nur E-Autos her. Doch Polestar importierte letztes Jahr lediglich 26,7 Prozent E-Autos. Der Rest: alles Verbrenner. Tesla und Polestar sind beides Extrembeispiele. Und erwähnt werden muss auch, dass diese Praxis gesetzlich vorgesehen und legal ist.

Schwere Autos rechnen sich gut

Die Eidgenössische Finanzkontrolle hielt in einem Bericht von 2023 bereits fest, dass die Gesetzgebung die falschen Anreize liefert. Sie evaluierte die CO₂-Massnahmen beim Autoimport und kam zum Schluss, dass die CO₂-Sanktionen als Massnahme eine «begrenzte Wirksamkeit» haben. Spezifisch hält die Finanzkontrolle fest, dass der Einbezug des Gewichts in die Berechnungsgrundlage gar kontraproduktiv wirke. Denn je schwerer die Flotte, desto mehr CO₂ darf die Flotte auch sanktionsfrei ausstossen.

Wie wird die individuelle CO₂-Zielvorgabe berechnet?
Zuerst wird das durchschnittliche Leergewicht der Flotte berechnet:

Summe Gewicht / Anzahl PW = ∅ Leergewicht in kg

Jedes Jahr wird dann das mittlere Leergewicht von vor zwei Jahren als Referenzgewicht genommen. Für 2024 also das durchschnittliche Leergewicht von 2022: 1727 kg.

Die spezifische Zielvorgabe wird dann so berechnet:

Zielwert + 0.0333 * (∅ LG Flotte - ∅ LG 2023)
= CO₂-Zielvorgabe

Rechnungsbeispiel für Mercedes-Benz 2024

118 + 0.0333 * (2128 - 1727) = 131,4 gCO₂/km

Konkret importierte Mercedes-Benz letztes Jahr Autos mit einem durchschnittlichen Leergewicht von 2128 Kilogramm und bekam dafür einen CO₂-Zielwert von 131,4 Gramm CO₂ pro Kilometer. Dagegen wurde dem französischen Autohersteller Renault mit einem durchschnittlichen Flottengewicht von 1472 Kilogramm nur gerade ein Kontingent von 109,5 Gramm CO₂ pro Kilometer.

Die Finanzkontrolle hält fest, dass mit dieser Berechnungsgrundlage die schweren Flotten von höheren individuellen Zielvorgaben profitieren. Dazu komme die Vorliebe der Schweizerinnen und Schweizer für schwere Personenwagen. So ist das durchschnittliche Gewicht eines Personenwagens in der Schweiz seit 2013 um 287 Kilogramm angestiegen.

So schliesst sich der Kreis auch wieder zu den Flottenemissionen und E-Auto-Importeuren. Denn Elektro- und Hybridfahrzeuge sind, wegen der schweren Batterien oder der beiden verbauten Antriebe, im Durchschnitt schwerer als herkömmliche Verbrenner. Und da deren Import zu keinen oder nur sehr geringen CO₂-Emissionen führt, während aber individuelle Zielwerte wegen ihres Gewichts höher angesetzt wird, sind sie doppelt attraktiv für Importeure.

300 Millionen Franken Sanktionen

Auf das Jahr 2025 wurde der CO₂-Zielwert erneut angepasst. Ab dem 1. Januar gilt neu der Wert von 93,6 Gramm CO₂ pro Kilometer für Personenwagen und 153,9 Gramm für Lieferwagen. Auto Schweiz rechnet damit, dass die Werte von vielen Importeuren überboten werden und deshalb mit hohen Sanktionen. «Ich gehe davon aus, dass wir für das laufende Jahr mit Sanktionen von mehr als 300 Millionen Franken rechnen müssen», sagt Thomas Rücker, Direktor des Branchenverbandes, gegenüber SRF.

Die höchste Strafzahlung mussten die Importeure bisher 2020 bezahlen und seither haben die Importeure ihre Flottenzugammenstellung mit E-Autos aufgemotzt. Ob dies nun erneut der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mrmikech
02.07.2025 20:10registriert Juni 2016
Amsterdam führt schrittweise ein Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ein, mit dem Ziel, bis 2030 eine emissionsfreie Stadt zu werden.

Wann folgt Zürich?
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tops
02.07.2025 22:46registriert Juni 2018
Ja die Schweizer brauche starke Autos und unbedingt 4x4 weil sonst schafft man es nicht von der Goldküste nach Zürich in die Tiefgarage.

Völlig Gaga! Fürher gab es nur Heckantrieb als es noch viel mehr Schnee hatte und weniger Gemacht wurde im Winter. Aber heite fährt jeder 2. Seppl einen Dodge RAM, H2, Q7 oder sonst eine 💩 Karre.

Das die Importeure einen Flotten-Schnitte rechnen dürfen sit ein Skandal welchen wir der FDP/SVP verdanken. Und das schafft nur die Autolobby. Und nebenbei behindert man die kleinen und private Importeure.
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ImmerMitderRuhe
02.07.2025 20:24registriert Februar 2023
Die kleine Schweiz hat die stärksten Autos in Europa mit den unendlichen Staus und Unfälle schon morgens um 6 Uhr vor lauter Stress und Agressivität. Das Mogeln passt doch irgendwie dazu.
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