Schweiz
Digital

Gegner einer staatlichen E-ID sammeln 63'000 Unterschriften

Streit um Referendumsunterschriften gegen staatliche E-ID

17.04.2025, 15:2317.04.2025, 17:13
Mehr «Schweiz»

Rund um die Einreichung der Referendumsunterschriften gegen das E-ID-Gesetz ist ein heftiger Streit entbrannt. Ein Teil der Unterschriften wurde bereits bei der Bundeskanzlei eingereicht - offenbar teilweise ohne Okay der entsprechenden Organisationen.

Ein Komitee, bestehend aus den Freunden der Verfassung, Aufrecht Schweiz und dem Verfassungsbündnis Schweiz, hat am Donnerstag in Bern 26'000 gesammelte Unterschriften gegen eine staatliche E-ID eingereicht. Ebenfalls eingereicht wurden nach dessen Angaben 20'000 Unterschriften der Piratenpartei Schweiz respektive des Vereins Referendum E-ID 2.0.

«Aneignung der Unterschriften»

Kontaktiert von der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, sagte Piratenpartei-Präsident Jorgo Ananiadis, dass er nichts von einer Einreichung der Unterschriften wisse. Er sprach von einer «Aneignung der Unterschriften» durch andere Kreise.

Gemäss einem Dokument, das der Nachrichtenagentur vorliegt, wurden die zwei von der Piratenpartei für das E-ID-Referendum entsandten Vorstandsmitglieder vor zwei Wochen abgewählt. Dabei handelt es sich um Nicole Rüegger und Jonas Sulzer, die gemäss aktuellen Informationen am Donnerstag die Referendumsunterschriften der Piratenpartei bei der Bundeskanzlei eingereicht haben.

«Wie wir aus einer Medienmitteilung erfahren haben, wurden heute 20'000 Unterschriften der Piratenpartei bei der Bundeskanzlei eingereicht, ohne dass der Vorstand davon in Kenntnis gesetzt wurde», schrieb die Piratenpartei in einer Mitteilung. Ananiadis sprach von einer «Racheaktion» der abgesetzten Vorstandsmitglieder.

Aussage gegen Aussage

Damit nicht genug. Die Bewegung Mass-Voll, die Anfang Januar als erste das Referendum gegen die Einführung einer staatlichen E-ID ergriffen hatte, fühlt sich auch betrogen. Sie fordert die sofortige Rückgabe eines Teils der am Donnerstag eingereichten Unterschriften.

Nicolas Rimoldi, Präsident der Bewegung, geht davon aus, dass Unterschriftenbögen von Mass-Voll ohne sein Einverständnis eingereicht worden sind. «Das Vorgehen ist klar illegal», sagte er Keystone-SDA. Seine Juristen prüften eine Strafanzeige gegen die Freunde der Verfassung.

Remko Leimbach, Präsident von Aufrecht Schweiz, widersprach dieser Darstellung auf Anfrage. Die rund 20'000 Unterschriften, welche Mass-Voll gesammelt habe und zur gebündelten Beglaubigung an sein Komitee geschickt worden seien, seien noch nicht eingereicht worden.

Kein Konsens über Einreichungsform

Die Lage ist unübersichtlich. Klar scheint, dass aktuell über 40'000 Unterschriften gegen das E-ID-Gesetz bei der Bundeskanzlei eingereicht sind. Für ein gültiges Referendum braucht es 50'000 beglaubigte Unterschriften, die im vorliegenden Fall bis am kommenden Dienstag bei der Bundeskanzlei in Bern eingereicht werden müssen.

Laut schriftlichen Angaben der Freunde der Verfassung sind bisher landesweit über 63'000 Unterschriften gesammelt worden. Eigentlich sei eine gemeinsame Einreichung der Unterschriften am kommenden Dienstag geplant gewesen, sagte Rimoldi der Nachrichtenagentur. Er werde nun den Teil der Unterschriften kommende Woche nachreichen, den seine Organisation gesammelt habe.

Gemäss einem der Agentur vorliegenden Mailverkehr zwischen Rimoldi und Roland Bühlmann, dem Präsidenten der Freunde der Verfassung, gab es über den Einreichungstermin keinen Konsens. Rimoldi selbst beruft sich auf einen Vertrag, den die Verfassungsfreunde gebrochen haben sollen. Bühlmann war für Keystone-SDA am Donnerstagnachmittag telefonisch nicht erreichbar.

Zweite Abstimmung über E-ID möglich

Die von der diversen Gegnerschaft vorgebrachten Argumente gegen die E-ID rücken wegen der Unstimmigkeiten rund um die Einreichung der Unterschriften etwas in den Hintergrund. Mehrere Organisationen nehmen das Referendum für sich in Anspruch.

Ob der Kampf gegen die E-ID auch ein zweites Mal erfolgreich sein wird, ist offen. Ab kommender Woche wird die Bundeskanzlei die Unterschriften prüfen und mitteilen, ob das Referendum formell zustande gekommen ist. Wenn ja, legt der Bundesrat im Anschluss den Abstimmungstermin fest.

Der erste Versuch zur Einführung der E-ID war im März 2021 an der Urne gescheitert. Die Vorlage wollte die Ausstellung elektronischer Ausweise Privaten überlassen. Für das Nein gaben Datenschutzbedenken den Ausschlag.

Das Parlament hiess im vergangenen Dezember das neu aufgelegte E-ID-Gesetz gut und legte darin fest, dass der Bund den staatlich anerkannten elektronischen Identitätsnachweis einführen wird. Das soll vorbehaltlich des Referendums frühestens im dritten Quartal 2026 der Fall sein. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Spezielle Identitätskarten, wie du sie noch nie gesehen hast
1 / 21
Spezielle Identitätskarten, wie du sie noch nie gesehen hast
Der vermutlich einzige Vorteil, wenn du aussiehst wie McLovin: Du kannst dir seine Fake–ID ausdrucken.
quelle: imgur
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wir erklären dir das Gesetz zur E-ID – in 90 Sekunden
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Händlmair
17.04.2025 15:41registriert Oktober 2017
Wenn man es genau nimmt, sind die Gegner der E-ID unsere schweizerischen Allright Bewegung, Proud Boys, Oath Keepers, Three Percenters oder QAnon.

Zusammen mit der Jungen SVP und EDU zeigt sich ein extrem rechtes Spektrum das gegen die E-ID kämpft.

Haben die irgend was zu verstecken oder warum sind die so dagegen?
5815
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lukaz84
17.04.2025 17:27registriert Dezember 2016
Ach ist doch ein herrliches Schauspiel, wie sich diese irrelevanten Kleinstgrüppchen gegenseitig zerfleischen wegen solchen Kinderkram. Umso besser für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, wenn diese staatsfeindlichen Organisationen mit sich selber beschäftigt sind. (und ja, da sind JSVP und EDU mit eingeschlossen)
346
Melden
Zum Kommentar
avatar
frereau
17.04.2025 17:05registriert Januar 2019
Schon wieder Mimimoldi, schon wieder Empörung. Es ist fast egal, worum es geht – Hauptsache dagegen, Hauptsache laut. Statt faktenbasiert zu argumentieren, wird wie gewohnt der Überwachungsstaat beschworen und der Volkswille für die eigene Agenda vereinnahmt. Rimoldi scheint sich in der Rolle des ewigen Widerständlers eingerichtet zu haben – gefährlich wird das dann, wenn berechtigte digitale Fortschritte wie die staatliche E-ID von dieser Dauerempörung sabotiert werden. Eine sachliche Debatte bleibt dabei leider auf der Strecke.
205
Melden
Zum Kommentar
24
    Schweizer Mietwohnungsmarkt bleibt unter Druck – tiefe Zinsen machen Hoffnung

    Der Wohnungsbau in der Schweiz stockt. Laut einer Immobilienstudie von Raiffeisen Schweiz wecken die tiefen Zinsen aber «Wohnbau-Hoffnungen».

    Zur Story