Die Rechtskommission des Ständerates soll prüfen, wie soziale Netzwerke bei rechtswidrigen Inhalten zur Herausgabe von Personendaten gezwungen werden könnten.
Auslöser für die Forderung war ein Bundesgerichtsentscheid vom Dezember. Das Gericht entschied, dass die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt Facebook Schweiz nicht dazu verpflichten kann, die Personendaten eines mutmasslich in der Schweiz eröffneten Facebook-Kontos herauszugeben. Auf diesem waren antisemitische Äusserungen gepostet worden.
Wir haben mit Martin Steiger, Experte für Digitalrecht, über die Auswirkungen einer solchen Motion gesprochen.
Herr Steiger, die neue Motion hat Zustimmung von rechts und links. Was sagen Sie dazu?
Martin Steiger: Der Wunsch nach einem einfachen und schnellen Zugang zu Nutzerdaten von sozialen Netzwerken ist verständlich. Nun ist interessant, wie sich die zuständige ständerätliche Kommission verhalten wird. Ich persönlich halte die Motion nicht für zielführend. Die geforderte gesetzliche Regelung würde zu zahlreichen Problemen führen und könnte der Schweiz sogar schaden.
Wie könnte das der Schweiz schaden?
Die geforderte gesetzliche Regelung würde soziale Netzwerke wie Facebook dazu zwingen, in der Schweiz über eine Vertretung zu verfügen, die Daten herausgeben kann. Es geht aber längst nicht nur um Facebook, sondern um alle sozialen Netzwerke. Startups im Ausland, die äusserst wichtig für die Innovation sind, wären gar nicht in der Lage, eine Vertretung in der Schweiz einzurichten.
Was würde passieren, wenn diese Firmen keinen Schweizer Sitz haben?
Man müsste mit der Forderung nach Netzsperren rechnen, wie sie leider schon im neuen Geldspielgesetz gegen ausländische Online-Casinos vorgesehen sind. Netzsperren sind untauglich, weil sie einfach zu umgehen sind. Aber sie sind auch schädlich, denn sie treffen häufig die Falschen, gefährden die Sicherheit im Internet und schaden unserer digitalen Wirtschaft. Letztlich müsste die Nutzung von sozialen Netzwerken ohne Vertretung in der Schweiz unter Strafe gestellt werden. Das wären Verhältnisse wie beispielsweise im ehemaligen Ostblock.
Oder wie im heutigen Russland.
Richtig. Weil das soziale Netzwerk Linkedin seine Nutzerdaten nicht auf russischen Servern speichert, hat Russland die Plattform gesperrt. In Russland sind sechs Millionen Menschen auf Linkedin registriert und können nicht mehr ohne weiteres auf die Plattform zugreifen. So etwas wäre letztlich auch in der Schweiz möglich.
Dann wird Facebook also bald eine Schweizer Daten-Vertretung eröffnen?
Facebook wird erst einmal abwarten, ob es überhaupt zu einer neuen gesetzlichen Regelung kommt. Interessant wird die Reaktion von Google sein. Google verfügt über eine starke Präsenz in der Schweiz und zählt bald 5000 Mitarbeiter in Zürich. Google würde deshalb eine neue gesetzliche Regelung nicht ohne weiteres ignorieren können.
Der Bundesrat stellt sich gegen die Motion.
Ich teile die Bedenken des Bundesrates. Die heutige Situation bei der internationalen Rechtshilfe ist unbefriedigend und muss verbessert werden. Ich halte es aber nicht für zielführend, ausländische soziale Netzwerke zu einer Daten-Vertretung in der Schweiz zu zwingen. Gleichzeitig darf eine Beschleunigung der Rechtshilfe nicht auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit gehen.
Was wäre die Alternative?
Es ist wichtig, dass gegen Straftaten auf sozialen Netzwerken ermittelt werden kann. Die richtige Alternative zu Daten-Vertretungen in der Schweiz sehe ich in einer Anpassung der bestehenden Convention on Cyber Crime (CCC). Dieses Übereinkommen über Cyberkriminalität gilt inzwischen in über 50 Staaten. In diesem Rahmen kann die Rechtshilfe im digitalen Raum gemeinsam verbessert werden.