Es ist Mittwochnachmittag, der 15. Mai, als ein unbekannter Mann eine Rentnerin in Zürich anruft. Er gibt sich als Polizist aus und weist die Frau an, 18’000 Franken abzuheben. Auf der Bank sei das Geld wegen unseriöser Mitarbeiter nicht mehr sicher, sie solle es der «Polizei» übergeben.
Es ist ein Plot, der unterdessen in Kinder-Kult-Krimihörspielen wie «TKKG» Eingang gefunden hat. Es ist die Masche der Enkeltrickbetrüger, die Comedian und «Izzy»-Reporter Cedric Schmid in einem Kultfilm anschaulich dokumentiert hat. Die Betrügerinnen und Betrüger geben sich als Autoritätsperson oder Familienmitglied aus, überbringen eine Schocknachricht, setzen ihre Opfer, meist alleinstehende und ältere Menschen, emotional und zeitlich unter Stress, kassieren ab und ziehen von dannen. Die Telefonbetrüger sind unterschiedlich organisiert und strukturiert. Oft agieren die Hauptverantwortlichen aus dem Ausland.
Zunächst scheint auch der Versuch vom 15. Mai zu klappen, wie aus einer Medienmitteilung der Stadtpolizei Zürich hervorgeht: Die Rentnerin beschafft sich auf Geheiss des falschen Polizisten das Bargeld. Doch dann wird sie misstrauisch und kontaktiert die richtige Polizei. Ein Mitarbeiter der Notrufzentrale klärt sie auf: Die richtige Polizei stellt nie via Telefon Geldforderungen, es handelt sich um Betrug.
Kurze Zeit später erwischt die Stadtpolizei Zürich einen 34-jährigen Schweizer, der das Geld bei der Rentnerin abholen will; der Kurier ist schachmatt. Jetzt übernehmen verdeckte Fahnder den Weitertransport des Geldes. Über ein Smartphone werden sie angewiesen, die Banknoten von Zürich in eine Gemeinde im Kanton Aargau zu bringen. Am vereinbarten Übergabeort nehmen sie einen aus Syrien stammenden Mann fest. Seine Ehefrau mit Wurzeln aus dem Balkan kommt sofort nach Hause, als sie von der Festnahme erfährt. Auch sie wird festgenommen, mit rund 2500 Franken Bargeld in der Tasche. Sie wird später sagen, die hohe Summe stamme aus ihren Tageseinkünften als Reinigungskraft - was die Strafverfolgungsbehörden nicht abnehmen.
Eine anschliessende Hausdurchsuchung erhärtet den Verdacht: Hier sind möglicherweise professionelle Telefonbetrüger am Werk. Die Polizei findet in einer Schlafzimmerschublade 715'000 Euro und 305'640 Franken in bar. In der Tiefgarage kommt eine elektrische Geldzählmaschine zum Vorschein, im Büro der Frau ein Softair-Revolver. Auf ihrem abgelaufenen Notpass finden sich handschriftliche Notizen wie: 105 × 1000, 26 × 200, 28 × 100 etc. Die Strafverfolgungsbehörden vermuten: Da hat jemand Buch geführt über die Einkünfte aus Telefonbetrug.
Für das Zwangsmassnahmengericht reichen diese Indizien, um die Ehefrau genau wie ihren Mann in Untersuchungshaft zu setzen. Sie hingegen bestreitet, etwas von den mutmasslich kriminellen Aktivitäten ihres Gatten gewusst zu haben.
In einem Urteil vom 12. Juli hat jetzt aber das Bundesgericht die Beschwerde der Frau gegen die Untersuchungshaft abgelehnt. Für die Richter in Lausanne ist klar, dass im Fall einer Haftentlassung Kollusionsgefahr besteht. Dass die Frau noch unbekannte Mittäter warnen und dazu ermuntern könnte, ihren möglichen Beitrag zum Betrug zu verneinen und vollständig dem Ehemann anzulasten. Dass sie Mittäter auffordern könnte, Bargeld aus Telefonbetrug zu verstecken. Dass sie letztlich die Bemühungen der Staatsanwaltschaft, weitere Personen im Betrügernetzwerk zu identifizieren, sabotieren könnte.
Das Ehepaar hat zwei Kinder im Alter von sieben und neun Jahren. Die Mutter argumentierte, allein wegen ihrer Kinder habe sie kein Interesse, irgendwelche Spuren zu verwischen. Das Bundesgericht sieht es genau umgekehrt: Mit Blick auf die Betreuung ihrer Kinder habe sie vielmehr einen erheblichen Anreiz, ihren Beitrag am Betrug herunterzuspielen und entsprechend auf das Strafverfahren einzuwirken. Ihr stehe die Möglichkeit offen, ein Gesuch zu stellen, damit ihre Kinder sie im Gefängnis besuchen dürfen. Dies wird allerdings nicht mehr nötig sein. Gemäss Recherchen von CH Media wurde die Frau Ende Juli aus der Untersuchungshaft entlassen.
Trotz Präventionsbemühungen und medialer Dauerpräsenz des Phänomens fallen immer mehr Menschen auf den Trick mit den sogenannten Schockanrufen herein. Gemäss der Schweizerischen Kriminalprävention, einer interkantonalen Fachstelle, wurden allein bis im September im Jahr 2023 schweizweit mehr als 2800 Schockanrufe oder Enkeltrickbetruge registriert - dreimal so viele wie im Vorjahr. Allein die Kantonspolizei Zürich vermeldet für das vergangene Jahr 188 vollendete Telefonbetrugsfälle. Die Schadenssumme: 5’860’000 Franken. (aargauerzeitung.ch)
Ich wünsche diesen Menschen das schlimmste.
Die Polizei die ich benachrichtigte hat das jedoch überhaupt nicht interessiert.