Der Besuch beim Arzt birgt für Patienten viel Frustpotenzial. Die vielleicht häufigste Beschwerde sind lange Wartezeiten. Oft landen die kritischen Rückmeldungen ungefiltert im Internet. Bei Google oder spezialisierten Ärztevergleichsportalen.
Die seit 1996 aktive Krankenkassenvergleichsplattform Comparis will noch in diesem Jahr in das Geschäft mit den Sternchen einsteigen: Die Website mit monatlich 1.7 Millionen Unique Clients betreibt heute schon zusätzlich zum Krankenkassen- einen Medikamentenpreis- und einen Spitalvergleich. Die Ärztebenotungen sollen das Portfolio ergänzen.
«Es geht nicht um harte medizinische Qualitätsdaten. Aber die Patienten helfen mit ihren Bewertungen anderen Patienten, den für sie passenden Arzt zu finden», sagt Comparis-Lobbyist Felix Schneuwly.
Die Plattform will in einem ersten Schritt alle Ärzte in der Schweiz in einem Verzeichnis aufführen. Ein Filter soll die Suche nach Fachärzten, zum Beispiel Dermatologen oder Gynäkologen, ermöglichen. Sobald das Verzeichnis funktioniert, wird die Vergleichsmöglichkeit eingeführt.
Der Fokus der Bewertungen liege nicht auf der Gesamtnote, sagt Schneuwly, sondern auf einzelnen Sub-Kriterien. «Zum Beispiel wie gut der Arzt mit den Patienten und den anderen Fachleuten kommuniziert, wie effizient die Abläufe sind oder wie gut die Infrastruktur ist.»
Der Ärzteverband FMH sieht Bewertungsportale, wie Comparis eines plant, mit gemischten Gefühlen. Die Plattformen stellten ein «zeitgemässes Vergleichsinstrument» dar, sagt Yvonne Gilli, Mitglied des FMH-Zentralvorstandes und ehemalige Nationalrätin.
Die Erfahrung zeige aber, dass die Online-Noten der Patienten «längst nicht immer» mit der objektiv beobachteten Behandlungsqualität korrelierten: «Ein Arzt, der dem Patienten nach einer Knieverletzung vorerst keine Operation empfiehlt, mag technisch die richtige Entscheidung getroffen haben. Aus Sicht des Patienten, der eine sofortige Intervention wünschte, hat er sich aber nicht richtig verhalten.» Deshalb seien klare und transparente Bewertungskriterien umso wichtiger.
Die Portale müssten dafür sorgen, dass die Nutzer ihre Plattform nicht für Ärzte-Bashing missbrauchen. Gilli fordert zudem eine Opting-Out-Möglichkeit: «Die betroffenen Ärzte sollen sich dem Rating entziehen können, wenn sie das wollen.»
Die juristische Situation ist komplexer. Der auf digitale Fragen spezialisierte Zürcher Anwalt Martin Steiger sagt: «Aus rechtlicher Sicht müssen sich Ärzte öffentliche Kritik gefallen lassen.» Oft gehe es um Soft-Faktoren. Kliniken mit einem «schönen Empfang und einer sympathischen Rezeptionistin» kämen besser an, auch wenn das nichts mit der dort angebotenen Medizin zu tun habe.
Solange die Patienten mit ihren Bewertungen die Gesetze zum Persönlichkeitsschutz und zum unlauteren Wettbewerb einhielten, sei nichts dagegen einzuwenden. Rechtlich heikel seien «Fake- oder Rachebewertungen». In der Regel lasse es sich schwer herleiten, wer dahinter stehe. Manchmal seien es Konkurrenten oder verärgerte Ex-Mitarbeiter. «Oder Personen, die gar nie in Behandlung waren.»
Steiger vertritt laut eigenen Angaben mehrere Mediziner, die gerichtlich gegen missbräuchliche Bewertungen vorgehen. «Besonders mit Google kämpfen Ärzte schon heute», sagt er. Wer als Arzt eine Bewertung beim US-Konzern beanstanden wolle, müsse mit einem «aufwendigen, kafkaesken und oft aussichtslosen Verfahren» rechnen. «Google übernimmt zu wenig Verantwortung. Häufig bleibt nur die Klage vor Gericht», sagt Steiger. Beim Schweizer Anbieter Comparis erwarte er eine einfachere Kommunikation.
Comparis-Vertreter Felix Schneuwly ist sich der Problematik ungerechtfertigter Negativbewertungen bewusst und spricht von einer «grossen Herausforderung». «Ärzte wollen keine negativen Bewertungen. Werden diese jedoch gelöscht, sinken Transparenz und Qualität des Vergleichsportals.» Es sei gut, wenn ein Arzt über sehr viele Ratings verfüge – so sinke der Einfluss einzelner Extrembewertungen.