Auf der Fotomontage weiden Kühe im Schatten unter Solarpanels. Diese schweben auf drei Meter hohen Stangen, damit das Vieh nicht gestört wird und Landwirtschaftsmaschinen darunter durchfahren können. Die Stangen sind nicht einbetoniert, sondern tief in den Boden geschraubt.
«Wir wollen eine Anlage ohne grosse Umwelteingriffe erstellen. Und falls dereinst die Photovoltaik-Module ihr Lebensende erreicht haben und sie nicht mehr ersetzt würden, wollen wir die Anlage nach dreissig Jahren auch wieder vollständig und einfach abbauen können», sagt Matthias In-Albon.
Der Geschäftsführer der Bergbahnen von Gstaad ist hell begeistert, als er über das Projekt «Solsarine» spricht, das er mit der Trägerschaft Impact Gstaad vorantreibt: «Bisher unterstützen uns alle Landbesitzer, mit denen wir gesprochen haben.» Die Gemeinden seien im Boot, auch ein Treffen mit drei Mitgliedern der Kantonsregierung hat bereits stattgefunden.
In-Albon und seine Mitstreiter planen in der Region Gstaad Saanenland im Berner Oberland an vier bis sechs Standorten dezentrale Solar-Grossanlagen auf Alpweiden. Ziel ist die Koexistenz mit der Landwirtschaft, wie sie die Seilbahnunternehmen im Winter mit den Bauern seit Jahrzehnten pflegen.
Die angepeilte Fläche ist gross: Auf 40 bis 50 Hektaren sollen die Solarmodule zu stehen kommen, das entspricht 60 bis 70 Fussballfeldern. In-Albon relativiert:
Das Projekt bei Gstaad ist beispielhaft für eine Entwicklung, die - von der Öffentlichkeit kaum bemerkt - in rasendem Tempo die Berggebiete erfasst: In vielen Skiregionen treiben Bergbahnunternehmen Projekte für grosse alpine Solaranlagen voran. Zu lesen war von Vorhaben bei Skigebieten im Engadin oder in Grimentz im Wallis.
Aber auch im Berner Oberland wälzen praktisch alle grösseren Destinationen solche Pläne, dem Vernehmen nach auch Adelboden-Lenk oder die Jungfrauregion. Viele freilich vorerst nur im stillen Kämmerlein, wohl um keine Kritiker aufzuscheuchen. Er wisse von Dutzenden Projekten von Bergbahnunternehmen, sagt Berno Stoffel, Direktor des Verbands Seilbahnen Schweiz, «den schweizweiten Überblick zu haben ist aufgrund der aktuellen Dynamik fast nicht möglich».
Die Bergbahnen wollen offensichtlich vom Solarexpress profitieren: der vom Parlament beschlossenen Offensive für den raschen Bau grosser alpiner Solaranlagen. Bis 2025 muss zumindest ein Teil der Anlage am Netz sein, dann stehen üppige Subventionen des Bundes in Aussicht. Allerdings ist das Angebot limitiert: Es gilt nur, bis mit solchen Anlagen eine Produktion von zwei Terawattstunden erreicht wird. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit und auch gegen die Konkurrenz.
Dabei zeigt sich jetzt, dass die Skigebiete tendenziell die besseren Karten haben, als Grossprojekte, wie etwa jenes von Grengiols, wo ganze Felder mit Solarpanels in die wenig berührte Walliser Bergwelt montiert werden sollen, was auf grösseren Widerstand stösst.
«In Skigebieten kommen die Anlagen in bereits genutzte Landschaften, wo schon Lift- und Beschneiungsanlagen stehen», sagt GLP-Präsident Jürg Grossen, Präsident des Branchenverbands Swissolar. «Hier dürfte der Eingriff in die Natur etwas geringer ausfallen. Auch bezüglich Wirtschaftlichkeit können Anlagen in Skigebieten vorteilhaft sein, da sie meist schon sehr gut erschlossen sind. Um die Wende zu schaffen, wird es aber auch Anlagen ausserhalb von Skigebieten brauchen.»
Was das bedeutet, erläutert In-Albon an seinem Gstaader Projekt: Alle potenziellen Standorte seien mit Alpstrassen oder Baupisten für die Skianlagen erschlossen. «Wir werden für den Bau unserer Anlagen keine neue Strasse bauen müssen.» Der Anschluss ans Stromnetz sei auch problemlos: Die Strecke zwischen den geplanten Solar-Feldern und der nächsten Trafostation beträgt wenige Dutzend bis 800 Meter. Naturschutzgebiete, Wildschutzgebiete, Feucht- und Trockenstandorte seien keine betroffen.
In den Berggebieten herrscht Aufbruchsstimmung. Das zeigte sich jüngst an zwei Veranstaltungen von Swissolar in Thun BE und in Landquart GR. Fachleute aus der Branche liessen sich aus erster Hand über technische, politische und rechtliche Fragen informieren.
Der Besuch lohnte sich für sie. So gewährte ein Beamter des Bundesamts für Energie Einblick in die Agenda des Bundesrats. Dieser werde voraussichtlich Mitte März die Verordnung zum Solarexpress verabschieden, damit sie am 1. April in Kraft treten könne. Darin werden die wichtigen Details bestimmt, unter welchen Bedingungen Bewilligungen für alpine Solaranlagen erteilt und Subventionen gesprochen werden.
Eine Bedingung, die schon länger bekannt ist, sorgt freilich für Kritik. Als das Parlament im letzten September den Solarexpress beschloss, war die Rede davon, dass die neuen Anlagen bis zu 60 Prozent vom Bund subventioniert werden könnten. Nun ist aber geplant, dass der Bund nur die mit einer Wirtschaftlichkeitsrechnung ermittelten ungedeckten Kosten übernehmen will, dies bis zu maximal 60 Prozent der Investitionskosten eines Projekts. Kritiker bemängeln das als falschen Anreiz, da unrentablere Projekte mehr Subventionen erhalten könnten als die geeignetsten Vorhaben. Der Goldgräberstimmung tut dies allerdings keinen Abbruch.
So wird der 1. April zum offiziellen Startschuss für einen Wettlauf, der längst im Gang ist. Auch zwischen den Kantonen: Ihre Verwaltungen werden in den nächsten Monaten unter gewaltigem Druck stehen, die eintreffenden Gesuche rasch und doch rechtlich wasserdicht abzuwickeln. «Das Rennen ist eröffnet», sagte der zuständige Bündner Chefbeamte in Landquart dazu: «Wir nehmen es olympisch.»
Der erste Etappensieg zeichnet sich freilich nicht für die Bündner, sondern für die Berner ab: Der Kanton wird schon in den nächsten Tagen eine Liste der 20 geeignetsten Standorte für Alpine-Fotovoltaik präsentieren. «Sie liegen alle im Berner Oberland», das verriet Ulrich Nyffenegger, der Leiter des kantonalen Amts für Umwelt und Energie, am Swissolar-Anlass in Thun bereits.
Gehe man von der schweizweit angestrebten Leistung der Alpen-Photovoltaik aus, brauche es im Berner Oberland rund 50 Anlagen, erklärte Nyffenegger. Potenzielle Standorte gebe es noch mehr. Doch wäre es nicht möglich, für alle rasch ein Bewilligungsverfahren durchzuführen. Deshalb die Beschränkung auf die 20 besten Gebiete. Berücksichtigt wurden unter anderem Voraussetzungen wie die Südausrichtung und die Hangneigung, aber auch Naturschutzgebiete – sie sollen möglichst geschont werden – sowie die Erschliessung. Für die Skiregionen sind das günstige Bedingungen.
Wer allerdings die letzten Monate verschlafen hat, wird es schwer haben. Am besten sind die ersten Machbarkeitsstudien bereits realisiert, die Standorte, wo Panels hinkommen sollen, definiert. Denn trotz Ausnahmegesetz: Um eine Umweltverträglichkeitsprüfung kommt niemand herum.
«Wer 2025 in Betrieb gehen will, sollte die dazugehörigen Vegetationsaufnahmen bereits in diesem Sommer machen», sagt Berno Stoffel von Seilbahnen Schweiz. Und zwar in der schneefreien Zeit zwischen Mai und September. Dann müssen die Umweltexpertinnen gebucht sein, die Biologen raus ins Feld – sonst ist dieses Jahr schon verloren. Und der Solarexpress abgefahren.
(bzbasel.ch)