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Bundesrat will Aussen- und Sicherheitspolitik stärker mit EU abstimmen

Könnten sich bald öfter sehen: EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas und Aussenminister Ignazio Cassis. Bild: Cassis empfängt als Bundespräsident Kallas als damalige estnische Premierministerin.
Könnten sich bald öfter sehen: EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas und Aussenminister Ignazio Cassis. Bild: Cassis empfängt als Bundespräsident Kallas als damalige estnische Premierministerin im Jahr 2022.Bild: keystone

Bundesrat will Aussen- und Sicherheitspolitik stärker mit der EU abstimmen

In Brüssel fällt am Mittwoch der erste Entscheid: Die EU und der Bund streben in diesen unsicheren Zeiten eine engere Kooperation an. Eine gemeinsame Erklärung soll das Fundament dafür legen. Doch in der Schweiz regt sich bereits Widerstand.
12.02.2025, 11:2712.02.2025, 11:27
Remo Hess, Brüssel und Stefan Bühler / ch media
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In Zeiten von Krieg, globalen Handelskonflikten und geopolitischer Unsicherheit wollen der Bundesrat und die Europäische Union ihre Aussen- und Sicherheitspolitik enger aufeinander abstimmen. Diesen Mittwoch wird der mächtige Ausschuss der EU-Botschafter in Brüssel grünes Licht geben, damit der Auswärtige Dienst der EU (EAD) mit der Schweiz eine entsprechende Absichtserklärung verhandeln kann.

Das Ziel sei es, «die langjährige Zusammenarbeit in der Aussen- und Sicherheitspolitik als gleichgesinnte Partner zu erweitern und zu verbessern», heisst es laut Recherchen in den EU-Leitlinien für die anstehenden Gespräche. Der Hintergrund sei die «komplexe, sich verändernde geopolitische Situation». Sprich: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die verschärfte Konkurrenz zwischen den Machtblöcken USA und China.

Für die EU ist die Verabschiedung solcher gemeinsamer Erklärungen im Bereich der Aussenpolitik keine Seltenheit. Sie hat verschiedene Instrumente zur Hand, sich mit Partnerstaaten abzustimmen. Von Beitrittskandidaten beispielsweise wird erwartet, dass sie sich bei ihrer Aussenpolitik an der EU ausrichten.

EU-Verträge: Volksmehr soll genügen
Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) hat sich mit den neuen EU-Verträgen befasst und mit der Frage, wie diese dereinst dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden sollen. Nach eingehender Debatte und gestützt auf ein Gutachten des Bundesamts für Justiz stellt sie fest, «dass ihrer Meinung nach die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Unterstellung unter das obligatorische Referendum für keines der neuen Abkommen (...) mit der EU erfüllt sind». Das hiesse, dass in einer Abstimmung allein das Volksmehr entscheiden würde, das Ständemehr spielte keine Rolle. Mit 10 gegen 5 Stimmen hat die APK entschieden, diese Haltung dem Bundesrat in einem Brief mitzuteilen.

Bei anderen Drittstaaten bleibt es dagegen beim rein politischen Signal. Für die Schweiz mit ihrer jahrzehntelangen Neutralitätspolitik wäre eine strukturierte Kooperation jedenfalls höchst ungewöhnlich. Das ist man sich auch in der EU-Zentrale bewusst und verweist deshalb intern darauf, dass es sich explizit um ein «nicht bindendes» Dokument handle.

Cassis' Departement hält sich bedeckt

Die Idee ist, dass der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis in regelmässigen Abständen nach Brüssel fahren und sich mit Kaja Kallas, der Hohen Aussenbeauftragten der EU treffen würde. Denkbar wären beispielsweise bilaterale Treffen im Halbjahresturnus. Der Austausch würde sich in den «hochrangigen politischen Dialog» einreihen, um den die Schweiz im Zuge der Verhandlungen über das neue bilaterale Paket gebeten hat und den sie verstetigen will. Die EU ist der Ansicht, dass mit Abschluss der Verhandlungen Ende 2024 jetzt ein günstiger Zeitpunkt gekommen wäre.

Beim Schweizer Aussendepartement (EDA) betont man, dass zwischen der Schweiz und der EU in der Aussenpolitik bereits heute ein enger und regelmässiger Austausch stattfinde. Man teile «weitgehend die gleichen Werte und verfolgt ähnliche Interessen und Ziele». EDA-Staatssekretär Alexandre Fasel führe halbjährlich mit dem Generaldirektor des Auswärtigen Dienstes der EU aussen- und sicherheitspolitischen Konsultationen. Nun «prüfe» man, den Austausch zu intensivieren und auf Chef-Ebene zu hieven. Das könne über eine «rechtlich unverbindliche Absichtserklärung mit der EU geschehen», so ein EDA-Sprecher auf Anfrage.

Wie eigenständig kann die Schweiz agieren?

Bemerkenswert: Zwar tagte in Bern diese Woche die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats, doch die angestrebte Erklärung mit der EU kam dort nicht zur Sprache. Die Zurückhaltung des Aussendepartements dürfte aus Rücksicht auf innenpolitische Befindlichkeiten in der Schweiz erfolgen. Noch ist die Neutralitätsinitiative der SVP hängig, und jede Annäherung an Brüssel wird von dieser Seite ohnehin bekämpft.

Thomas Aeschi, SVP-ZG, spricht im Nationalrat, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 19. Dezember 2024 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Thomas Aeschi ist gegen eine Annäherung zur EU.Bild: keystone

So auch jetzt. SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi sagt: «In der Aussenpolitik ist die Schweiz gut gefahren mit einem eigenständigen, von der EU unabhängigen Kurs.» Unser Land pflege verschiedene Kontakte zu unterschiedlichen Partnern. So habe sie Freihandelsabkommen mit Staaten, die mit der EU keine entsprechenden Verträge hätten.

«In der Sicherheitspolitik gilt für uns die bewaffnete Neutralität, an der wir unbedingt festhalten müssen.» Sonst laufe die Schweiz Gefahr, in Konflikte gezogen zu werden, die sie überhaupt nicht beträfen. Aeschi lehnt eine aussenpolitische Annäherung an die EU grundsätzlich ab.

Gegenteilig sieht das SP-Nationalrat Eric Nussbaumer, Präsident der Europäischen Bewegung Schweiz. «In einer Zeit mit geopolitischen Verwerfungen ist es wichtig, dass wir nicht zwischen die Fronten geraten.» Es sei deshalb gescheit, «uns mit unseren wichtigsten Partnern, den Nachbarstaaten und der EU, über aussenpolitische Fragen abzusprechen». Auch sicherheitspolitisch «sind wir unter Beachtung der Neutralität auf die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn schlicht angewiesen», sagt Nussbaumer.

Ein weiteres Feld für eine mögliche Zusammenarbeit sieht er beim Wiederaufbau der Ukraine, wo sich sowohl die Schweiz als auch die EU stark engagieren wollten. «Es ist wohl effizienter, wenn wir uns koordinieren, statt als Kleinstaat möglichst viel allein zu machen versuchen.»

Entspannt kommentiert Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter die Pläne des Aussendepartements und des Auswärtigen Dienstes der EU. Eine aussenpolitische Zusammenarbeit mit der EU sei nicht neu, sagt sie. «Eine noch intensivere Einbettung der Schweiz in die europäische Sicherheitsarchitektur ist logische Konsequenz der geopolitischen Entwicklungen, geprägt von Handelskriegen und weltweiten Konflikten.»

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