Plötzlich habe er das Bedürfnis verspürt, etwas Neues zu machen. So begründete FDP-Bundesrat Didier Burkhalter seinen Rücktritt am Mittwochnachmittag vor den Medien. Mit seiner Ankündigung, per Ende Oktober aus dem Bundesrat auszuscheiden, erwischte er die Politschweiz eiskalt – kaum jemand hätte zum jetzigen Zeitpunkt damit gerechnet.
Die meisten Beobachter waren davon ausgegangen, dass der andere freisinnige Bundesrat, Johann Schneider-Ammann, seinen Sitz zuerst räumen würde. Mögliche Nachfolger für Burkhalter stehen dennoch bereits in den Startlöchern:
Wird irgendwo über Bundesrats-Papabili der Freisinnigen spekuliert, fällt sein Name gewiss: Ignazio Cassis, 56, ist Chef der FDP-Fraktion, gilt als umgänglich und dossierfest. Als Tessiner dürfte er nun in der Pole Position sein. Denn: Einer der beiden FDP-Bundesratssitze ist traditionell für die lateinische Schweiz reserviert – und das Tessin ist seit Flavio Cottis Rücktritt 1999 nicht mehr im Bundesrat vertreten.
Einige Sympathiepunkte büsste der Mediziner im Zuge der Debatte über die Altersreform ein. Dass er seine Fraktion zu erbittertem Widerstand aufrief, obwohl er gleichzeitig die zuständige Kommission für soziale Sicherheit präsidierte, kam im linken Lager gar nicht gut an. SP-Chef Christian Levrat drohte ihm im Hinblick auf eine mögliche Bundesratswahl gar vorsorglich mit «personellen Konsequenzen».
Der Genfer Christian Lüscher war 2009 bereits offizieller FDP-Bundesratskandidat, als es um einen Nachfolger für Pascal Couchepin ging. Damals unterlag er im dritten Wahlgang Didier Burkhalter. Ob er nun in dessen Fussstapfen tritt? Einige Kratzer bekam Lüschers Image, weil er als Rechtsanwalt an einem Deal mit dem Clan des verstorbenen nigerianischen Diktators Sani Abacha beteiligt war. Auch ein Mandat zugunsten von Viktor Chrapunow, einem hochrangigen Funktionär aus Kasachstan, brachte ihm Kritik ein.
In der Romandie gilt er als heissester Bundesrats-Anwärter: Der Genfer FDP-Staatsrat Pierre Maudet machte sich in seinem Kanton einen Namen, weil er mit harter Hand gegen die Kriminalität vorging. Als «Genfs Mister Sicherheit» bezeichnete ihn die NZZ. Mit seinen erst 39 Jahren würde er den Altersschnitt in der Landesregierung deutlich nach unten drücken.
Auch die Waadtländerin Isabelle Moret (46) wurde bereits mehrfach als mögliche Bundesratskandidatin gehandelt. Da die Zahl der Frauen im Bundesrat innert weniger Jahre von vier auf zwei gesunken ist, dürfte der Ruf nach einer weiblichen Nachfolgerin für Didier Burkhalter aus gewissen Kreisen laut werden. Packt die Juristin diese Chance?
Eine weitere mögliche weibliche Kandidatin wäre Jacqueline de Quattro: Die Waadtländer Staatsrätin spricht fliessend Deutsch, Französisch und Italienisch. Bei der Ersatzwahl für Pascal Couchepin 2009 machte sich de Quattro – damals Präsidentin der FDP-Frauen – persönlich für eine weitere weibliche Vertreterin im Bundesrat stark.
Mit erst 37 Jahren ist der Neuenburger Raphaël Comte noch blutjung. Seine politische Karriere lässt sich allerdings sehen: Er war bei seiner Wahl nicht nur einer der jüngsten Ständeräte aller Zeiten, sondern präsidierte die kleine Kammer letztes Jahr sogar. Wer weiss, ob bei ihm bereits der nächste Karriereschritt ansteht.
Andrea Caronis Pech ist es, dass es Didier Burkhalter ist, der zurücktritt, und nicht Johann Schneider-Ammann. Denn wenn immer über die Nachfolge des Letzteren spekuliert wurde, nannten Politbeobachter den Ausserrhoder Senkrechtstarter als Kronfavoriten. Er habe zwar Tessiner Wurzeln, sagt der 37-Jährige nun auf Anfrage von watson. «Dieser Sitz gehört jedoch der lateinischen Schweiz».
Zwar sitzen auch ohne Burkhalter noch immer zwei Romands im Bundesrat. In der staatstragenden FDP hat man aber dennoch den Anspruch, die beiden Bundesratssitze mit Vertretern unterschiedlicher Landesteile zu besetzen. «An der Parteispitze sind wir uns einig, dass wir an dieser Tradition festhalten wollen», so FDP-Vize Caroni. Eine Überraschung ist freilich immer möglich: «Formal ist die Fraktion in der Nomination völlig frei und könnte jeden Stimmberechtigten aufstellen.»
Was für Andrea Caroni gilt, gilt auch für die St.Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter: Auch ihr Name fällt zuverlässig, wenn es um potenzielle Nachfolgerinnen für Johann Schneider-Ammann geht. KKS, wie sie im Bundeshaus genannt wird, kandidierte 2010 bereits für die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz. Einen zweiten Anlauf als Bundesratskandidatin schliesse sie aus, liess sie bereits mehrfach verlauten.
Dennoch wird sie weiter als heisse Anwärterin gehandelt. Keller-Sutter wäre schliesslich nicht die erste, die ihre Meinung in dieser Frage noch geändert hätte. Zudem hat sie nun gegenüber 2010 einen entscheidenden Vorteil: Wurde es ihr damals als Manko ausgelegt, dass sie als St.Galler Regierungsrätin in Bundesbern nicht zu den bekanntesten Gesichtern gehörte, sitzt sie nun seit inzwischen sechs Jahren im Ständerat.