Schweiz
Geld

Geld sparen: Gut investieren kann gelernt werden

Richtig sparen: Am ängstlichsten sind jene, die es am nötigsten hätten

Gut investieren ist nicht trivial, aber auch keine grosse Wissenschaft. Alle könnten es lernen, aber wenige tun es und meistens erst dann, wenn es zu spät ist.
16.11.2025, 14:1716.11.2025, 14:17
Daniel Zulauf / ch media

Viele Menschen in der Schweiz sind Aktienmuffel. Die keineswegs neue Erkenntnis wird von einer aktuellen Untersuchung der Hochschule Luzern einmal mehr eindrücklich bestätigt. Eine repräsentative Umfrage von 2005 Personen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren zeigt: Nur jede zweite Person investiert freies Sparkapital in eigener Verantwortung (ausserhalb von Pensionskasse und Säule 3a) in Wertschriften wie Aktien, Anlagefonds oder Obligationen. Am wenigsten tun es junge Leute ohne Hochschulbildung (42 Prozent) mit wenig Vermögen und niedrigem Einkommen. Am meisten investieren Rentnerinnen und Rentner.

Mehr Geld dank guten Anlagen: Der 3. Beitragszahler steuert mehr als Arbeitgeber und Arbeitnehmer an das Guthaben im Alter bei.
Viele wissen, dass es einen Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko gibt. Trotzdem bleiben viele beim Anlegen ratlos.Bild: Shutterstock

Gesellschaftliches Problem

Was logisch klingt und selten hinterfragt wird, ist tatsächlich ein grosses gesellschaftliches Problem, das weit über die Schweizer Grenzen hinausgeht. Die demografische Entwicklung in den meisten (noch) wohlhabenden Industrieländern verläuft so, dass sie die Rentensysteme destabilisiert und die finanziellen Lasten für die jüngeren Generationen wachsen. Die hohe Verschuldung vieler Staaten lässt eine effiziente Selbstvorsorge jüngerer Generationen umso dringlicher erscheinen.

Im Prinzip gäbe es einen einfachen Weg, das Problem wenigstens zu entschärfen: Würde die breite Bevölkerung über eine angemessene Finanzbildung verfügen, hätten sie eine konkrete Vorstellung davon, wie sich ein investiertes Vermögen im Vergleich zu einem nicht investierten Vermögen im Zeitablauf entwickelt. Und die Leute wüssten auch, was es beim Investieren und beim Nicht-Investieren mit den Chancen und Risiken auf sich hat.

Doch die Finanzbildung in der breiten Bevölkerung ist erbärmlich. Die OECD, der Pariser Club der alten Industrieländer, dem auch die Schweiz angehört, konstatierte vor zwei Jahren in einer Bestandesaufnahme über das Finanzwissen in ihren Mitgliedsländern: Nur ein Drittel besitzt ein minimales Standardwissen. 84 Prozent kennen zwar die Definition von Geldentwertung bzw. von Inflation. Aber ein Drittel kann das Wissen nicht auf die eigene finanzielle Situation anwenden.

Mag sein, dass das Finanzwissen in der Schweiz im Durchschnitt etwas höher liegt. Aber sicher ist das nicht, und vor allem ist es auch hierzulande so ungleich verteilt wie anderswo. Die Untersuchung der Hochschule Luzern lässt erkennen, wie stark das Wissen zwischen Personen mit und ohne eigene Anlageerfahrung auseinanderklafft.

Unwissen führt zu Angst

Von den Befragten mit eigener Anlageerfahrung antworteten mehr als doppelt so viele, dass sie bereit seien, mit ihren Anlagen ein Risiko einzugehen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man das Ziel einer Rendite vor Augen hat. Doch mehr als doppelt so viele Nicht-Anleger als Anleger sagten, sie würden schon bei kleinen Verlusten nervös.

Erwin Heri
Erwin Heri ist Wirtschaftsprofessor an der Uni Basel.

«Angst ist die Folge von fehlendem Wissen», sagt der Wirtschaftsprofessor Erwin Heri von der Universität Basel, der in früheren Jahren unter anderem die Anlage des Kapitals der Winterthur Versicherungen verantwortet hatte und seit elf Jahren das Portal Fintool betreibt, das autodidaktischen Anlegern einen niederschwelligen Eintritt in die Welt der Finanzmärkte ermöglicht.

Heri sagt: «Die Sache mit dem Geld anlegen auf den Finanzmärkten ist nicht ganz trivial, aber auch nicht so kompliziert, wie sie oft erscheinen mag.» Manche Fragen seien «schlicht irrelevant», sagt er, und meint zum Beispiel solche nach dem Renditeziel über ein oder zwei Jahre. Denn kurzfristig seien die Bewegungen der Finanzmärkte nicht vorhersehbar. Heri denkt in Zeiträumen von zehn Jahren und länger. Werden Aktienanlagen dann zum sicheren Gewinn? Das suggeriert mindestens die Historie der vergangenen Jahrzehnte.

Sicher ist, dass Aktienkurse stark schwanken können. Die Mehrrendite, die solche Anlagen im Vergleich zu sogenannt risikofreien Staatsanleihen bringen, sei nichts weiter als eine Risikoprämie, erklärt Heri. Historisch betrage sie vier bis sechs Prozent. Weil die Rendite zehnjähriger Bundesobligationen in der Schweiz nun nahe bei null liegt und dort noch länger verharren dürfte, wie Heri glaubt, müsse ein Aktienportefeuille langfristig eine Rendite von vier bis sechs Prozent abwerfen.

«Das ist sehr viel und vielleicht mehr als das, was ein Anleger selber erwirtschaften kann, wenn er im Blick auf die Pensionierung das Geld in der Pensionskasse zu beziehen gedenkt», mahnt Heri. Immerhin belaufen sich die Zinssätze, mit denen Pensionskassen das Vorsorgekapital in Renten umwandeln, in vielen Fällen immer noch auf um die fünf Prozent.

Fast die Hälfte will das Ersparte aus der Pensionskasse holen

Trotzdem wollen 44 Prozent der angehenden Rentner bei der Pensionierung das Ersparte teilweise oder ganz aus der Pensionskasse holen, um es selbst anzulegen, wie die Untersuchung der Hochschule Luzern zeigt. Viele dürften ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen, was auch ein Ausdruck von Unwissen ist. Doch Selbstüberschätzung ist ein Phänomen, das bei finanziell gutsituierten Anlegern überdurchschnittlich stark verbreitet ist. Das hält immerhin den Schaden für die Gesellschaft in Grenzen.

Hingegen leiden die meisten Geringverdiener und wenig vermögenden Menschen unter dem gegenteiligen Problem: Sie trauen sich das Anlegen überhaupt nicht zu und unterlassen es deshalb auch mit kleineren Beträgen, mit denen sie es sich leisten könnten und in der Vergangenheit auch hätten leisten sollen. So ist die Schere zwischen Reich und Arm in den zurückliegenden Jahrzehnten immer stärker auseinandergegangen. Die ungleiche Verteilung des Finanzwissens hat einen erheblichen Beitrag dazu geleistet. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Kinderarzt spricht über dicke Kinder
1 / 5
Kinderarzt spricht über dicke Kinder

Urs Eilholzer meint, dass dicke Kinder immer dicker werden.

Auf Facebook teilenAuf X teilen
Monate nach Eröffnung – Brücke in China kollabiert
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
41 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Steibocktschingg
16.11.2025 14:42registriert Januar 2018
Es lässt sich einfach sagen dass die, die es am nötigsten hätten vorzusorgen und zu investieren es nicht tun aus Angst, das ignoriert nämlich die Tatsache dass das Überstehen der nächsten paar Tage und Wochen wichtiger ist als in ein paar Jahren oder Jahrzehnten ein paar zehntausend oder hunderttausend mehr zu haben. Daran ist fehlendes Finanzwissen gar nicht mal so schuld, eher das fehlende Verständnis vieler Ökonomen und selbsternannter Wirtschaftsexperten dass ein anständiger Lohn halt auch sehr wichtig ist.
708
Melden
Zum Kommentar
avatar
nature
16.11.2025 14:36registriert November 2021
Menschen, die kaum über die Runden kommen, werden wohl kaum ein Teil ihres Einkommens investieren. Das ist doch normal, dass sie dieses Risiko nicht eingehen wollen. Sie können sich Verluste nicht leisten, da sie keine Reserven haben.
549
Melden
Zum Kommentar
41
Tests auf Geschlechtskrankheiten sollen in St. Gallen gratis werden
Die Stimmberechtigten der Stadt St. Gallen entscheiden am 30. November über die Volksinitiative «Sex? Aber safe!» der jungen Grünen. Die Vorlage verlangt, dass die Stadt kostenlose Beratungen sowie Gratistests auf sexuell übertragbare Infektionen anbietet. Anspruch darauf hätten Personen unter 30 Jahren sowie Menschen mit geringem Einkommen, die eine KulturLegi besitzen.
Zur Story