So werden die rund 100 Milliarden Franken an Erbe in der Schweiz verteilt
Exakte Zahlen gibt es nicht, doch die Summe ist riesig: Rund 100 Milliarden Franken sollen heuer vererbt oder verschenkt werden. Das jedenfalls schätzt die Universität Lausanne. Und das erachten die Experten des Vermögenszentrums (VZ) als plausibel, auch wenn sie sich wundern, wie hierzulande «eine gesellschaftlich so bedeutende» Grösse «statistisch so schlecht» erfasst sein kann.
Um etwas Licht ins Dunkle zu bringen, hat das VZ einen Teil seines Kundenstamms analysiert, der seinen Nachlass geregelt hat. Konkret hat das Finanzinstitut die Vorkehrungen von 1636 mittelständischen Haushalten ausgewertet, in denen insgesamt 3042 Personen leben. Diese haben verschiedene erb- und güterrechtliche Instrumente genutzt, um ihr Vermögen nach eigenen Wünschen weiterzugeben.
Die Erkenntnisse sind nicht repräsentativ, sondern widerspiegeln die überdurchschnittlich gut situierte Klientel des Vermögenszentrums. Denn wer kein Vermögen hat, braucht auch den Rat der VZ-Experten nicht.
Die Analyse führt zu folgenden Hauptbefunden:
- Mit zunehmendem Alter wächst das Bedürfnis, Klarheit zu schaffen. Nur gerade 8 Prozent werden vor dem 50. Geburtstag aktiv. 24 Prozent der untersuchten Personen regeln ihren Nachlass zwischen dem 50. und 59. Lebensjahr, weitere 39 Prozent zwischen dem 60. und 69. Lebensjahr und nochmals weitere 22 Prozent zwischen dem 70. und dem 79. Lebensjahr. Der Rest ist noch später dran.
- Die Unterschiede bei den Vermögen sind gross. Bei Ehepaaren liegt der Medianwert des potenziellen Nachlasses bei rund 1,4 Millionen Franken. Das heisst: Die Hälfte der Ehepaare vererbt weniger als 1,4 Millionen Franken, die Hälfte mehr. Das ärmste Viertel vererbt weniger als 829'000 Franken, das reichste Viertel über 2,4 Millionen Franken.
- Der grösste Teil des Vermögens steckt in der Regel in Immobilien, weil die Mehrheit der untersuchten Personen über Wohneigentum verfügt. Sie besitzen Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen, Feriendomizile oder Bauland.
- Wenn man Kinder hat, bleibt das Vermögen in der Familie. Ehepaare sorgen häufig für einander vor, indem sie einen vorübergehenden Erbverzicht der Kinder einholen. Das heisst: Die Kinder verzichten dann im Todesfall eines Elternteils vorläufig auf ihren Erbteil, damit der überlebende Elternteil finanziell abgesichert ist. Sie erben erst, wenn dann auch der zweite Elternteil stirbt.
- Die Familienkonstellation ist entscheidend. Während in klassischen Familien das Vermögen im engsten Familienkreis bleibt, also beim Ehepartner und den Kindern, ist der Kreis der Begünstigten bei Patchworkfamilien, kinderlosen Paaren und Einzelpersonen etwas offener. Während traditionelle Ehepaare also praktisch alles ihren Kindern vermachen, erben in Patchworkfamilien nebst den gemeinsamen Kindern, die über 80 Prozent erhalten, auch andere Familienmitglieder etwas, wie etwa Kinder aus früheren Beziehungen oder Geschwister. Konkubinatspaare berücksichtigen sich gegenseitig und ihre Kinder, falls sie welche haben. Bei kinderlosen Konkubinatsbeziehungen geht knapp 85 Prozent des Vermögens an Institutionen, wenn auch der zweite Partner stirbt. Einzelpersonen mit Kindern vergeben 86 Prozent des Erbes ihren Nachkommen, berücksichtigen aber auch Freunde, andere Familienmitglieder und Institutionen. Einzelpersonen ohne Kinder wiederum vererben vier Fünftel an Freunde und Verwandte und einen Fünftel an Institutionen.
- Werden Institutionen bedacht, dann meist solche, die in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Forschung tätig sind.
Und noch etwas offenbart die Untersuchung, hier dürfte der Befund jedoch repräsentativ sein: Niemand kümmert sich um seinen digitalen Nachlass. Nicht einmal 1 Prozent der hier analysierten Kundinnen und Kunden hätten diesbezüglich vorgesorgt. Ein Fehler, wie die VZ-Studienautoren festhalten. Denn «das digitale Erbe lebt weiter, auch wenn wir sterben», wie sie festhalten.
Dabei handelt es sich etwa um Onlinebanking-Zugänge, E-Mail-Konten, Daten in Cloud-Speicher, Social-Media-Profile oder digitale Fotos. Ein grosser Teil dieser Informationen sei «persönlich», «vertraulich» und auch oft «ungeschützt». Ohne entsprechende Massnahmen besteht laut VZ das Risiko, dass persönliche Informationen verloren gehen, in falsche Hände geraten oder unkontrolliert weiterbestehen.
