Der Bundesrat will Unternehmen mit mindestens 50 Angestellten per Gesetz dazu verpflichten, alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen und intern über die Ergebnisse zu informieren – ohne Meldepflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Damit soll die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen bekämpft werden.
Obwohl dieses Kontrollinstrument weit sanfter ist als die ursprünglich von Bundesrätin Simonetta Sommaruga geforderten Massnahmen zur Herstellung von Lohngleichheit, stösst die Regierung damit weiterhin auf Widerstand.
Was bemängeln die Gegner von Lohn-Kontrollmassnahmen? Und was gibt es dagegen zu sagen? Die wichtigsten fünf Argumente und Gegenargumente.
Es sei nicht erwiesen, ob und in welchem Ausmass Frauen bei den Löhnen diskriminiert werden, schreibt der Arbeitgeberverband in einem Positionspapier vom Donnerstag, mit dem er auf den bundesrätlichen Beschluss reagiert. Der Arbeitgeberverband stützt sich damit unter anderem auf das Argument, Ungleichheit sei nicht gleich Diskriminierung.
Gegenargument: Es stimmt, dass zwischen Lohnungleichheit und -diskriminierung unterschieden wird. Ungleichheit lässt sich teilweise durch strukturelle Faktoren erklären (Unterschiede im Bildungsstand, Anzahl Dienstjahre, ausgeübte Kaderfunktion), dort wo die Lohnunterschiede nicht erklärbar sind, handelt es sich aber um Diskriminierung.
Anders als vom Arbeitgeberverband kolportiert kann eine Aussage darüber gemacht werden, in welchem Ausmass Frauen diskriminiert sind. Dieser Anteil betrug 2012 gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) – heruntergerechnet auf einen Monatslohn in der Privatwirtschaft – 687 Franken.
Die Unternehmen in der Schweiz schulden den Frauen damit rund acht Milliarden Franken im Jahr, weil sie ihnen für die gleiche Arbeit nicht den gleichen Lohn bezahlen wie ihren Kollegen. Frauen verdienen bei gleicher Arbeit 15 Prozent weniger.
«Wir wollen keine staatliche Einmischung in die Lohnpolitik», sagte der ehemalige CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay 2013 gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Er ist damit nicht allein. Bürgerliche kritisieren in erster Linie, dass eine «Lohnpolizei» dem Arbeitgeber ungerechtfertigt die Kontrolle über die Löhne entzieht. Noch weiter gehen jene, die behaupten, der Bund würde damit an einer Planwirtschaft werkeln.
Gegenargument: Abgesehen davon, dass die freiwillige Lohnüberprüfung gescheitert sei, sei Lohndiskriminierung ein strukturelles Problem, weshalb es auch staatliche Interventionen brauche. So lautet das Gegenargument der Gewerkschaft Unia. Zudem gibt es in allen anderen Bereichen der Arbeitswelt Kontrollmechanismen: Mindestlöhne, Kündigungsschutz, geregelte Arbeitszeiten, Versicherungspflicht. Nur bei den Frauenlöhnen nicht.
Nicht zuletzt scheinen die Unternehmer, im Gegensatz zu den Politikern, gar nichts dagegen zu haben: Laut einer Studie des Bundes befürworten zwei Drittel der Unternehmen, die die Lohnanalyse bereits durchgeführt haben, staatliche Massnahmen.
Damit sorgte Roland Müller für Furore: Der Direktor des Arbeitgeberverbandes sagte 2014, die «innere Einstellung» der Frauen zur Berufsausübung sei für die Lohndifferenz verantwortlich. Für gewisse Stellen müsse man bereit sein, höhere Anstrengungen auf sich zu nehmen. In die gleiche Kategorie gehört das Argument, Frauen könnten sich bereits jetzt vor Arbeitsgericht wehren, wenn sie betreffend Lohn diskriminiert werden.
Gegenargument: Gemäss der Lohnstrukturerhebung 2012 sind die Differenzen umso grösser, je mehr Verantwortung Frauen übernehmen. Das zeigt unter anderem auch die Erhebung des Thinktanks Avenir Suisse aus dem Jahr 2015.
Dass Frauen der Gang vor Arbeitsgericht offen steht, stimmt. Allerdings riskieren Frauen eine Entlassung, in dem sie sich exponieren. Vor Rache-Kündigungen sind sie nur während sechs Monaten geschützt.
Gegner der Kontrollmassnahmen halten das Instrument für unnötig und teuer. Es sei lediglich ein ressourcenfressender Bürokratieapparat, der Mehrkosten verursache – beim Bund und bei den Unternehmen. Das brachte beispielsweise Markus Somm, Chefredaktor der «Basler Zeitung» in einem gepfefferten Kommentar gegen Regulierungsmassnahmen zum Ausdruck: «Die Kontrollen dürften viel kosten und wenig bewirken.»
Gegenargument: Dass die Kontrollmassnahmen etwas kosten werden, ist unbestritten. Gemäss einer Regulierungsfolgeabschätzung, die der Bundesrat vor einem Jahr veröffentlichte, würde der Aufwand für mittlere Unternehmen zwei Tage betragen. Doch eine Untersuchung zeigte bereits, dass die Lohnanalyse wirkt: Von jenen Unternehmen, die bereits eine solche durchgeführt haben, hat die Hälfte Korrekturmassnahmen vorgenommen – in erster Linie wurden die Löhne der Frauen angepasst.
Gegner von Kontrollmassnahmen berufen sich darauf, dass ein Grossteil der Lohnungleichheit nicht durch strukturelle Mechanismen zu erklären sei. So könne bei Vergleichsinstrumenten die effektive Leistung eines Arbeitnehmenden nicht, beziehungsweise nur indirekt berücksichtigt werden. Die Aussagekraft sei deshalb nicht gegeben.
Gegenargument: «Das stimmt nicht», entgegnet Unia-Sprecherin Leena Schmitter. Tatsächlich gibt es einfache Methoden, um den Anteil der Diskriminierung der Löhne ausweisen zu können – zum Beispiel mit dem Selbsttest-Tool «Logib» des EBG. Dieses berücksichtigt persönliche Qualifikationsmerkmale, bei der ausschliesslich individuelle Merkmale wie Ausbildung, Berufserfahrung und Dienstjahre berücksichtigt werden sowie arbeitsplatzbezogene Faktoren (Anforderungsniveau und berufliche Stellung. Die Methode ist international anerkannt, gilt als verlässlich und aussagekräftig.
«Eine staatliche Lohnpolizei, die die Löhne von Männern und Frauen kontrollieren soll, bremst diese Frauen aus, anstatt sie zu unterstützen», schreibt Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands und FDP-Nationalrat, in einer Mitteilung.
Mit Vorschlägen wie jenem des Bundesrates opfere die Regierung zudem den liberalen Arbeitsmarkt «auf dem Altar der staatlichen Überregulierung». Die liberalen Rahmenbedingungen seien einer der wichtigsten Standortvorteile der Schweiz.
Gegenargument: Von Überregulierung kann beim bundesrätlichen Beschluss nicht die Rede sein. Mit der Abkehr von der Meldepflicht gegenüber der Öffentlichkeit setzt der Bundesrat auf die Selbstverantwortung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Die Regierung sei überzeugt, sagte Sommaruga am Mittwoch, dass durch die geplante schlanke Gesetzesregelung eine positive Dynamik entstehe.
Auch die Unia hält Gegensteuer: Lohngleichheit sei eine Motivation für die Mitarbeitenden, für das Unternehmen zu arbeiten, sagt Gewerkschaftssprecherin Schmitter. Studien zeigen: Mitarbeitende in Unternehmen, in denen Lohngleichheit herrscht, sind zufriedener. Auch das ist ein Standortvorteil.