Schweiz
Gesellschaft & Politik

So sollen Gemeindeämter für Junge attraktiver werden

Gemeindehaus in Hagenbuch (ZH) am Freitag, 19. Dezember 2014. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehoerde (KESB) der Bezirke Winterthur und Andelfingen ruegt die Gemeinde Hagenbuch. Diese habe ihre Pfli ...
Viele Junge machen einen grossen Bogen um Gemeindeämter. Bild: KEYSTONE

Jetzt kommen die Miliz-Influencer: So sollen Gemeindeämter für Junge attraktiver werden

Ke Luscht! Viele Gemeinden finden nur noch mit viel Mühe Leute für Exekutivämter. Eine neue Studie zeigt, warum die Gemeindejobs besonders Junge abschrecken. Und bringt Ideen ein, wie die Jobs wieder attraktiver werden könnten. 
07.02.2019, 08:4007.02.2019, 13:17
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Der Schweiz gehen langsam aber sicher die Gemeinderäte und Gemeinderätinnen aus. Bereits jede dritte Kommune hat «erhebliche Schwierigkeiten», die Ämter in der Exekutive zu besetzen. Dies zeigt eine am Donnerstag publizierte representative Studie der HTW Chur. Dabei wurden 600 Gemeinden und 1000 junge Erwachsene befragt. 

Die junge Generation ist in den Gemeinderäten stark untervertreten. Nur jedes 18. Exekutivmitglied ist unter 35 Jahre alt. 

Junge Gemeinderäte Schweiz Infografik
Bild: watson.ch / daten: studie HTW Chur

Aber warum wollen die Jungen kein Gemeindeamt übernehmen? 

  • Laut der Studie ist zwar jede fünfte Person der U35-Generation bereit, sich für die Gemeinde zu engagieren. 
  • Die meisten Personen wären bereit, für ein mögliches politisches Engagement bis zu vier Stunden pro Woche aufzuwenden. 
  • Aber: «Aus mangelnder zeitlicher Verfügbarkeit» lassen es die jungen Leute dann trotzdem sein. Sprich: Der Beruf, das Hobby oder die Familie ist wichtiger als ein Gemeindeamt. 
  • Laut der Studie ist die finanzielle Entschädigung für das politische Engagement unwichtig. Für die allgemeine Aufwertung der Ämter sei es aber sehr wohl bedeutend. 

Jetzt gibt der Gemeindeverband Gegensteuer. Unter anderem bringt der Ideenwettbewerb «zukunftsfähiges Milizsystem 2030» unkonventionelle Vorschläge aufs Tapet, um die Ämter für Junge wieder attraktiver zu machen. 

Hier einige Beispiele: 

Gemeindearbeit an Zivildienst anrechnen

Kann der Zivildienst auch das Milizsystem retten? Zusätzlich zu den bestehenden Einsatzmöglichkeiten sollen neu auch Behördentätigkeiten als Zivildienst anerkannt und angeboten werden. 

Miliz-Influencer

Ausserhalb der Parteien gibt es in der Politik kaum Talentförderung. Dies ist insofern relevant, da immer mehr Parteilose in Gemeindeämter drängen. Darum sollen junge Miliz-Politiker zu Polit-Influencern ausgebildet werden, die etwa mit Youtube-Videos oder Instagram-Posts andere Jugendliche zu politischen Tätigkeiten motivieren sollen. 

Arbeitgeber sollen Milizpolitiker freistellen

Ausser einem mehr oder weniger symbolischen Lohn kriegen Milizpolitiker bislang kaum eine Entschädigung. Das soll sich ändern: Künftig sollen Arbeitgeber die Gemeindepolitiker für ihre Aufgaben freistellen. Die Kosten dafür soll die Erwerbsausfallersatz-Entschädigung (EO) übernehmen, wie dies etwa bereits bei Jugend&Sport-Programmen der Fall ist.

Ausländerstimmrecht einführen

Um den Pool an Gemeinderatskandidaten zu erhöhen, sollen die Gemeinden das passive Ausländerstimmrecht einführen. 

Das sagt der Jung-Gemeinderat

FDP-Gemeinderat Nirosh Manoranjithan. 
FDP-Gemeinderat Nirosh Manoranjithan. bild: zvg

Seit über zwei Jahren sitzt der 26-jährige Nirosh Manoranjithan für die FDP im Gemeinderat des 4000-Seelen-Dorfs Vilters-Wangs im Sarganserland. Das bedeutet: Unterlagen durchlesen, Sitzungen, am Wochenende öffentliche Termine wahrnehmen. Pro Woche wendet er 10 bis 12 Stunden für sein Amt als Leiter Ressort Gesundheit, Umwelt, Jugend und Integration auf. «Zum Glück habe ich einen flexiblen Arbeitgeber, so kann ich mir die Gemeindetermine selber einteilen», sagt Nirosh zu watson.

Das können längst nicht alle: Der grosse Zeitaufwand sei auch aus seiner Sicht der entscheidende Faktor, der Junge Leute vom Einstieg in die Politik abhalte.  «Es geht viel Freizeit verloren. Dafür lernt man immer wieder etwas Neues.»

Der Hauptgrund für sein politisches Engagement liegt aber woanders. «Ich will einerseits der Gemeinde etwas zurückgeben, weil sie meine aus Sri Lanka stammende Familie aufgenommen hat», sagt der Ostschweizer, der vor 12 Jahren eingebürgert wurde. Der Lohn sei bei einem Jahressalär von rund 10'000 Franken keine grosse Motivationsspritze .

«Ich mache den Job sicher nicht wegen des Geldes. Das Gemeinderatsamt ist für mich vielmehr ein Sprungbrett beziehungsweise ein guter Einstieg für eine politische Karriere», so Nirosh weiter. Seine Erfahrungen in der Gemeindepolitik will er nun auf nationaler Ebene nutzen. So kandidiert er für die Nationalratswahlen. Und will später im zweiten Anlauf die Wahl in den St.Galler Kantonsrat schaffen. 

(amü)

   

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