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SP-Nationalrätin zieht Genderstern-Vorstross zurück

closeup of a young caucasian woman outdoors showing a notepad in front of her with a transgender symbol drawn in it
Bild: Shutterstock

SP-Nationalrätin beerdigt ihren eigenen Genderstern-Vorstoss

SP-Nationalrätin Céline Widmer wollte den Genderstern in der Bundesverwaltung einführen. Nun zog sie ihr Postulat zurück.
12.09.2022, 17:1912.09.2022, 17:53
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Im Mai forderte die SP-Nationalrätin Céline Widmer den Bundesrat auf, zu prüfen, wie eine trans-inklusive Sprache in der Bundesverwaltung umgesetzt werden kann. Eine Sprache also, die nicht nur weibliche und männliche Formen nennt, sondern alle Personen sämtlicher Geschlechter anspricht. Beispielsweise auch trans oder non-binäre Personen. Umsetzen könne man diese mit dem Gendersternchen, empfahl Widmer in ihrem Postulat.

Erwartungsgemäss bewegte der Vorstoss die Gemüter, sorgte auf der einen Seite für Applaus und auf der anderen für Schnappatmung. Einige fragten zynisch, ob die Politikerinnen und Politiker der Sozialdemokraten denn kein anderes Problem hätten, um das sie sich zu kümmern haben.

Der Bundesrat positionierte sich gegen die Einführung des Gendersternchens und beantragte Ende August die Ablehnung des Postulats. In seiner Stellungnahme schrieb er, man anerkenne zwar das Anliegen hinter dem Genderstern und ähnlichen neueren Schreibweisen wie dem Doppelpunkt oder «Gender-Gap». Doch er halte «diese noch stark experimentellen Schreibweisen für nicht geeignet, das Anliegen einer inklusiven Sprache in den Texten des Bundes umzusetzen».

Trans, non-binär, inter
Trans ist ein Überbegriff für Menschen, die sich nicht oder nicht vollständig mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Klassische Formen von trans sind etwa die Kategorien trans Frauen und trans Männer. Innerhalb der letzten Jahre findet allerdings eine Pluralisierung der Kategorien von Transgeschlechtlichkeit statt, sodass neben den binären Optionen von trans Männern und trans Frauen auch nicht-binäre Geschlechtskategorien zunehmend sichtbar werden.

Nicht-binär, manchmal auch non-binär oder nonbinary, ist ein Überbegriff für alle trans Menschen, die weder männlich noch weiblich sind. Non-binäre Geschlechtskategorien können sowohl zwischen als auch ausserhalb der binären Geschlechterlogik von Frau und Mann kontextualisiert sein. Dadurch, dass non-binäre Geschlechtskategorien auf ein anderes geschlechtliches Referenzsystem zugreifen, zirkulieren viele Begriffe (z.B. agender, genderqueer, bigender, genderfluid), die verschiedene Nuancierungen von Nonbinarität zu beschreiben versuchen. Nicht-binär scheint sich derweil aber als Überbegriff durchzusetzen.

Inter ist ein Begriff für Menschen mit angeborenen körperlichen Geschlechtsmerkmalen, die nicht den gängigen gesellschaftlichen und medizinischen Vorstellungen von männlichen oder weiblichen Körpern entsprechen. Diese Variationen der Geschlechtsmerkmale können auf der anatomischen, chromosomalen oder hormonellen Ebene auftreten.

Statt dass der Vorstoss nun im Stände- und Nationalrat besprochen wird, entschied sich Widmer, das Postulat zurückzuziehen. Das habe aber nicht mit der Kritik zu tun, auf die ihr Anliegen bei der politischen Gegnerschaft gestossen ist, sagt die SP-Nationalrätin. Vielmehr fand sie die Begründung des Bundesrates überzeugend. «Dass er zumindest den Bedarf einer trans-inklusiven Sprache anerkennt, finde ich fortschrittlich. Ausserdem führt er in einem Leitfaden die Möglichkeiten aus, wie man auch ohne Sonderzeichen möglichst alle Menschen sprachlich einbeziehen kann.» Damit habe sich ihr Anliegen vorerst erledigt.

Celine Widmer, SP-ZH, spricht waehrend der Debatte um die Covid-Zertifikatspflicht im Parlamentsgebaeude, waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 28. September 2021, im Nat ...
Zog ihr Postulat zurück: SP-Nationalrätin Céline Widmer.Bild: keystone

Allerdings ist diese Argumentation des Bundesrates nicht wirklich neu. Der Leitfaden für eine gendergerechte Sprache in Texten des Bundes wurde bereits im Juni 2021 publiziert. Darin steht, die deutsche Sprache habe bislang keine Mittel herausgebildet, um Menschen, die weder weiblichen noch männlichen Geschlechts sind, spezifisch zu benennen. Es wird empfohlen, Doppelnennungen, also «Politikerinnen und Politiker», oder wo möglich eine neutrale Formulierung zu verwenden. (sar)

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98 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Remus
12.09.2022 17:31registriert Dezember 2016
Und wie es mit der Kritik zu tun hat. Da sieht man wiedermal dass es keine Herzensangelegenheit sondern nur politisch motiviert war. Das war ein reiner Versuch Wählerstimmen zu bekommen.
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Jonas der doofe
12.09.2022 17:39registriert Juni 2020
Dass er zumindest den Bedarf einer trans-inklusiven Sprache anerkennt, finde ich fortschrittlich. Ausserdem führt er in einem Leitfaden die Möglichkeiten aus, wie man auch ohne Sonderzeichen möglichst alle Menschen sprachlich einbeziehen kann.»

Was für ein gugus. Natürlich gehts um die Kritik! Wenigstens Eine die den Gong gehört hat. Wenn die SP weiter auf so Nebensächlichkeiten rumreitet, gehts schnurstracks Richtung 10%-Partei. Da ist dann nix mehr mit 2 Bundesräten. Und das ist noch nett, andere Parteien haben mit 10% sogar 0!
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Jonas der doofe
12.09.2022 17:43registriert Juni 2020
Aber vermutlich ist sie eher die Ausnahme. Ich glaube, es ist wie im Sport. Wenn da die sportliche Führung eines Vereins die Bodenhaftung verliert, tut ein Abstieg in eine Liga tiefer sehr oft Wunder bewirken. Also ein Fall unter 10% Wähleranteil, um sich auf Wichtiges zu fokussieren und auch wieder wählbar zu werden.

Wir werden es nöchstes Jahr dann wissen....
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