Der Bundesrat berief sich auf Notrecht, als er die Übernahme der Credit Suisse einleitete – die Dringlichkeit der Situation machte ein weiteres Mal einen politischen Beschluss ohne Einbezug von Parlament oder Bevölkerung notwendig, so die Einschätzung.
Entsprechend umstritten war das Vorgehen der Landesregierung, vertreten durch Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Noch mehr, weil der Bundesrat der UBS im Zuge des Deals rund 109 Milliarden Franken an staatlichen Garantien und Liquiditätshilfe versprechen musste, um die Grossbank an Bord zu holen. Weil Notrecht zur Anwendung kam, musste sich das Parlament vergangene Woche zur ausserordentlichen Session treffen, um die Entscheidungen zu debattieren – so will es der Gesetzgeber.
Die weitverbreitete Ansicht während dieser Debatte: Sie ist rechtlich wirkungslos, da die Entscheidungen des Bundesrats so oder so gelten, weil sie via Notrecht beschlossen wurden. Entsprechend verkamen die parlamentarischen Auftritte, besonders im Nationalrat, zum Schaulaufen der Empörten und Frustierten, so die Wahrnehmung. Auch das zweifache Nein des Nationalrats zu den gesprochenen staatlichen Garantien für die UBS wurde gemeinhin als Ohrfeige an den Bundesrat, als geharnischte Kritik an Karin Keller-Sutter, betrachtet.
Dass der Entscheid doch noch Einfluss auf den Deal haben könnte, wurde kaum in Betracht gezogen – bis jetzt, denn nun sorgen einige Rechtsexperten für eine neue Perspektive auf die juristische Lage.
Wie der «SonntagsBlick» schreibt, ist die Auslegung des geltenden Rechts nämlich keineswegs so eindeutig, wie dies bisher von der Finanzkommission dargestellt wurde. Konkret geht es geht um die Paragrafen 28 und 34 im Finanzhaushaltsgesetz. Dort steht geschrieben, dass dringliche Kredite, wie im Falle der UBS/CS, auch der «nachträglichen Genehmigung» durch das Parlament bedürfen. Entscheidend ist die Auslegung des Begriffs «Genehmigung».
Achtung, jetzt wird es ein wenig technisch: Laut Bernhard Rütsche, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Luzern, würden die dringlichen Kredite ihre rechtliche Gültigkeit verlieren, wenn sie von der Bundesversammlung nicht genehmigt werden, wie er dem «SonntagsBlick» sagt. Rechtliche Verpflichtungen blieben jedoch grundsätzlich bestehen, auch wenn das Parlament keine Genehmigung erteilt.
Frage Nummer zwei ist also folgende: Bestehen diese Verpflichtungen weiterhin? Laut dem Finanzdepartement (EFD) für die 100 Milliarden Liquiditätshilfe durch die SNB definitiv. (Noch) nicht jedoch für die Verlustgarantie über neun Milliarden Franken an die UBS, dieser Vertrag ist noch nicht fixiert, auch wenn die Eckdaten in der ausgesprochenen Notverordnung bereits benannt wurden.
Für Rechtsprofessor Andreas Stöckli von der Universität Fribourg ist fraglich, ob damit bereits eine rechtliche Verpflichtung besteht, wie er gegenüber dem «SonntagsBlick» erklärt. Es sei erst verpflichtend, wenn auch dieser Vertrag unterschrieben sei – und hier komme es zur entscheidenden Frage: Darf der Bundesrat diesen Vertrag überhaupt noch absegnen, wenn das Parlament grundsätzlich nicht einverstanden ist?
Die rechtlichen Fragen des Monster-Bankendeals beschäftigen denn auch die Politik weiterhin. Besonders im Nein-Lager des Nationalratsentscheids. So fordern beispielsweise die Nationalräte Lars Guggisberg (SVP), Roger Nordmann (SP) oder Mathias Zopfi (Grüne) eine Aufarbeitung des Deals aus rechtlicher Perspektive, wie sie gegenüber dem «SonntagsBlick» sagen.
Auch die Forderung nach einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) ist erneut auf dem Tisch. Der Bankenrettungs-Deal wird die Schweiz weiter beschäftigen – neuerdings auch noch unter rechtlichen Gesichtspunkten. (con)
Wenn das Parlament zwingend zur Sondersession zusammen kommen muss, um über die Genehmigung zu entscheiden, dann sollte man meinen, dass diese Pflicht auch das Recht beinhaltet, über die Zustimmung zu entscheiden. Ansonsten macht es ja gar keinen Sinn, das Parlament aufzubieten.