Stell dir vor:
Du bist sterbenskrank. Nur eine sofortige Herztransplantation kann dein Leben retten. Dein Glück: Es gibt ein passendes Spenderherz. Dein Pech: Es gibt eine zweite Person, die das Spenderherz ebenfalls brauchen könnte. Der einzige Unterschied zwischen euch beiden potenziellen Empfänger: Du bist ein überzeugter Organspender, der andere will seine Organe nicht spenden. Wer von euch zwei soll das Herz bekommen?
In Israel und Singapur wäre die Antwort klar. Du würdest den Vorzug bekommen. Diese beiden Länder sind bislang die einzigen, in denen das sogenannte Clubmodell praktiziert wird. Bei diesem werden bei der Vergabe von Organen Spendewillige bevorzugt.
40 Prozent der Schweizer finden, dass eine solche Priorisierung auch hierzulande fair wäre. Dies zeigen bisher unveröffentlichte Resultate einer repräsentativen Befragung von Demoscope aus dem Jahr 2015. Auch der Direktor von Swisstransplant sympathisiert mit einem solchen Clubmodell, wie er kürzlich in einem Interview mit der «Schweizerischen Ärztezeitung» zu erkennen gab.
Auf die Frage, ob nur Organspender im Krankheitsfall Organe erhalten sollen, antwortete Franz Immer: «Wer gibt, soll auch priorisiert werden. Für mich persönlich ein vertretbares Vorgehen.» Allerdings fügte er hinzu, dies lasse sich nicht mit den gesetzlichen Grundlagen in der Schweiz vereinbaren.
«Wenn ich bereit bin etwas anzunehmen, sollte ich auch bereit sein etwas zu geben», präzisiert Franz Immer im Gespräch mit watson – «so bin ich von meinen Eltern erzogen worden.» Doch trotz seiner Sympathien – Franz Immer will das Clubmodell nicht vorantreiben. Er befürchtet eine Zunahme der Chancenungleichheit: «Jene, die sich schlechter informieren, wären benachteiligt», begründet er, und schliesst sich damit der Meinung der Mehrheit der Bundesparlamentarier an.
Denn über das Clubmodell wurde auf parlamentarischer Ebene schon einmal diskutiert. Zur Debatte stand, ob die Bereitschaft zur Organspende als viertwichtigstes Zuteilungskriterium für Organe festgelegt werden soll. Also hinter der medizinischen Dringlichkeit, dem medizinischen Nutzen und der Wartezeit. Das Anliegen blieb chancenlos.
Die Schweizer Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle, würde ein solches Clubmodell begrüssen. «Es wäre zwar eine Art Tauschhandel», führt die Leiterin des Insituts Dialog Ehtik aus, «doch es würde den Vorteil mit sich bringen, dass die Menschen sich aktiv für oder gegen eine Organspende aussprechen müssten.» Denn das Wichtigste sei, dass es zu keinen Organspenden gegen den eigentlichen Willen des Verstorbenen komme. Und dies sei weder mit der heutigen indirekten Zustimmungslösung und schon gar nicht mit der Widerspruchslösung der Fall. (siehe Box).
Der bekannte Schweizer Ökonom Reiner Eichenberger spricht sich für ein leicht abgeändertes Clubmodell aus. Zwar sollen Organspender nicht von einer Priorisierung profitieren, sondern anderweitig für ihre Spendebereitschaft belohnt werden. «Ich würde den Spendebereiten viel mehr Vorteile im Gesundheitswesen geben, so dass die Spenderzahl so ansteigt, dass die Knappheit für alle gelindert wird», führt Eichenberger aus.
Dieser Aspekt wurde auch bereits bei der obengenannten Befragung durch Demoscope untersucht. Nur 13 Prozent waren der Meinung, dass Menschen, die nach ihrem Tod ihre Organe zur Verfügung stellen, belohnt werden sollen. Zudem lehnten die Befragten auch alle vorgeschlagenen Anreize mehr oder weniger deutlich ab:
Franz Immer freut sich über dieses Resultat. Vor allem darüber, dass 88 Prozent finden, dass eine Organspende ein Geschenk an die Allgemeinheit bleiben soll.