Die Tragödie machte eben national Schlagzeilen: In Neuheim ZG wurde ein 9-Jähriger von einem Miniature Bullterrier gebissen. Der Bub erlitt schwere Verletzungen. Der Hund war in Obhut einer 60-jährigen Frau und attackierte das ihm nicht bekannte Kind beim Spielen.
Nicht nur Eltern stellen sich die Frage, wie Zusammenstösse mit Hunden zu vermeiden sind. «Hundehalter sollten ihre Hunde auf alle im Alltag möglichen Situationen vorbereiten», sagt Andreas Rogger, Geschäftsführer der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG). Je früher desto besser. Ein spezielles Training für den Umgang mit Kindern sei aber nicht machbar.
Der Hund lebt schon seit über 30'000 Jahren eng mit dem Menschen zusammen, von denen ihn viele als ihren «besten Freund» bezeichnen. Er hat gleichartige soziale Bedürfnisse und kann menschliches Verhalten und unsere Emotionen lesen. Deshalb ist der Hund gut trainierbar, Teil der Familie und vor allem nicht von sich aus böse. Er muss einen Grund haben, um zuzubeissen.
Rogger nennt drei Hauptgründe: erstens, wenn er sich bedroht fühlt und sich deshalb verteidigen will, zweitens wegen eines instinktiven Jagdverhaltens, drittens wegen eines übertriebenen Spieltriebs, bei dem der Hund die Grenzen nicht kennengelernt hat.
Grenzen setzen muss der Hundehalter. Je besser die Beziehung zum Hund sei, desto eher könne beurteilt werden, wie der Hund reagiert.
Mischlingshunden, die immer häufiger aus Rumänien, Slowenien oder Italien in die Schweiz importiert werden, fehlt die entscheidende Erziehung. Nach Rogger handelt es sich dabei um ein Geschäft von dubiosen Personen, die gut vernetzt sind und als «Welpenmafia» bezeichnet werden.
Diese «Mafia» züchtet Welpen auf Vorrat, dann werden sie in Zwingern bis 9 Monate «zwischengelagert» und nachher als Strassenhunde in den Verkauf gebraucht. Die Hunde wachsen in Gruppen auf, ohne Kontakt zu Menschen und damit ohne Sozialisierung. Diese Hunde sind dann oft psychisch gestört und unberechenbar.
Ein weiteres Problem ist die Zunahme der Hundepopulation während der Pandemie. Damit ist die Zahl der unerfahrenen Hundehalter grösser geworden. Diese haben zudem oft keinen Hundekurs besucht, auch weil das Angebot während Corona nicht vorhanden war.
Zudem wurden 2017 national die obligatorischen Hundekurse für neue Hundehalter abgeschafft. Rogger bezeichnet das als «einen riesigen Fehler». Die Schweizerische Kynologische Gesellschaft hat im Parlament gegen die Abschaffung der Hundekurse opponiert, doch vergebens, weil sich insbesondere die SVP-Fraktion gegen obligatorische Kurse ausgesprochen hat.
Die SKG bietet ein Nachfolgeprodukt an. Ein Hundehalter-Brevet (NHB) aus vier Kursteilen. Die Teilnahme ist freiwillig und dient der Überprüfung der Alltagstauglichkeit des Hundes. Die Kantone Wallis und Luzern verlangen dieses Brevet obligatorisch. Generell regeln die Kantone die sicherheitspolitischen Punkte, welche die Hundehaltung betreffen, aber selbst.
«Bleibt die Frage, ob bestimmte Rassen gefährlicher sind als andere. In der Kampfhunde-Diskussion wurde das schon früher lebhaft diskutiert. Dass es sich in diesem Fall bei Zug um einen Miniature Bullterrier handelt, der das Kind gebissen hat, müsse nichts bedeuten», sagt Rogger.
Für ein Zuschnappen oder Beissen muss einer der vorhin genannten Trigger da sein. Allerdings sind diese je nach Rasse einfacher zu wecken, erklärt Rogger. Über Jahrhunderte wurden mit der Züchtung bei jeder Rasse gewisse Veranlagungen gefördert oder gebremst. Zudem haben Gewicht und Grösse eines Hundes Einfluss auf die Gefährlichkeit.
Ein Rottweiler hat mehr Gefährdungspotenzial als ein Yorkshire Terrier. Trotzdem sagt Rogger:
In Verruf ist alles, was nach Bullterrier aussieht. Ein Grund, warum von Kampfhunden manchmal eine grössere Gefahr ausgeht, ist nicht per se der Hund selbst, sondern hängt oft mit dem Milieu der Halter zusammen.
«Eine Sekundarschullehrerin sucht einen anderen Hund als der Türsteher eines Nachtklubs», sagt Rogger, der selbst Hunde züchtet. Beide haben eine andere Idee von Hund, der damit auch anders erzogen und sozialisiert wird.
Neben Erziehungskursen für unerfahrene Hundehalter bietet die Schweizerische Kynologische Gesellschaft auch einen Knigge für den Umgang mit Hunden. In diesem wird dazu geraten, den Hund nur von der Leine zu lassen, wenn eine gute Rundumsicht besteht. Damit der Hundehalter rechtzeitig reagieren kann, wenn sich ein Velo, ein Auto, ein Mensch oder ein anderer Hund nähert. Dabei soll bei Begegnungen immer Distanz gehalten werden, sowohl zu Menschen wie auch zu anderen Hunden.
Nicht alle Menschen und Tiere mögen es, wenn Hunde sich ihnen sorglos ohne Absprache nähern. Ebenfalls achtsam sein sollte der Hundehalter bei Kinderspielplätzen oder dann, wenn jemand mit einem Kickboard oder Velo vorbeifährt. Viele Hunde reagieren negativ auf solche Verkehrsmittel, was für Velo- und Kickboardfahrer schwierig werden kann.
Durchschnaufen und Ruhe bewahren hilft. Für Menschen, die ohne Hund unterwegs sind, gebe es einfache Grundregeln, sagt Andreas Rogger: erstens den Hund nicht bedrängen, zweitens stehen bleiben und drittens dem Tier nicht direkt in die Augen schauen und den Hund Kontakt aufnehmen lassen.