Selbst wenn die russischen Truppen komplett aus der Ukraine abziehen, eine Bedrohung bleibt bestehen: Minen.
Das Land ist übersät damit. In Flüssen, Wäldern, am Strassenrand oder auf Spielplätzen. Die Regierung in Kiew schätzt, dass rund 40 Prozent der Ukraine vermint sein könnten. Besonders mit Minen verseucht seien der Süden und der Osten – über Hunderte Kilometer erstreckt sich ein Minengürtel.
Die weltweit grösste Organisation für Minenräumung, Halo Trust, spricht vom grössten Sprengstoffproblem des 21. Jahrhunderts. Denn die Sprengkörper können die Zivilbevölkerung und Tiere durch Explosionen verletzen oder gar töten, wenn sie bewegt werden.
Die Räumung von Minen dauere selbst bei einem raschen Kriegsende Jahre. Weltweit sind Minen aufgrund von Kriegen und Konflikten heute noch in bis zu 60 Ländern und Gebieten vergraben. Zu den am meisten mit Minen verseuchten Ländern zählen: Afghanistan, Äthiopien, Bosnien und Herzegowina, Irak, Jemen, Kambodscha, Kroatien, Türkei sowie die Ukraine.
Das afghanische Entminungsprogramm zählt zu den umfangreichsten überhaupt. Doch das Programm zur Minenräumung in Afghanistan läuft diesen Monat aus – obwohl noch immer zahlreiche Sprengkörper unter der Erde liegen. Und so sterben oder verletzen sich noch heute jedes Jahr Tausende Menschen in Afghanistan aufgrund von Minen. Experten haben darum eine Fristverlängerung bis mindestens 2028 beantragt.
Eine zentrale Rolle bei der Räumung von Minen spielen: Hunde. Ausgebildete Spürhunde erschnüffeln und lokalisieren Sprengstoff. Seit Mitte der 90er-Jahre werden Hunde dafür ausgebildet – der Begriff «Minenhund» existiert allerdings schon weit länger.
Als Minenhunde – auch bekannt als Panzerabwehrhunde – bezeichnete man Hunde, die insbesondere von der Roten Arme im Zweiten Weltkrieg als tierische Bomben verwendet wurden. Den Hunden schnallte man Sprengstoff auf den Rücken, der mit einem Knickzünder versehen war. Meist schickte man die Hunde unter die Panzer des Gegners.
Das Problem: Die Hunde konnten die Panzer nicht unterscheiden. Die Minenhunde sprengten oftmals die eigenen Panzer in die Luft. Aufgrund dieser Unzuverlässigkeit setzte man später auf Panzerwaffen.
Leider markierte der Zweite Weltkrieg nicht das Ende von Minenhunden für militärische Zwecke. Dokumentiert ist der Einsatz von mit Sprengstoff beladenen Hunden auch im Syrienkrieg.
Heute spielen Hunde eine grosse Rolle in Kriegsgebieten. Sprengstoffexperten setzen bei der Minenräumung auf die Nasen von ausgebildeten Hunden. Mit ihrem ausgeprägten Geruchssinn spüren sie selbst unterirdische Sprengkörper auf, die von Maschinen oftmals nicht entdeckt werden.
Die professionellen Schnüffler sind weltweit in mit Minen verseuchten Gebieten im Einsatz – selbst die kleinsten. Einer der derzeit bekanntesten Spürhunde ist: Patron.
Der Jack Russell Terrier hat in der Ukraine bereits Hunderte von Minen ausfindig gemacht – und damit wohl zahlreiche Leben gerettet. Im letzten Jahr ist er aufgrund seines besonderen Einsatzes in der Armee vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für seinen «selbstlosen Einsatz» ausgezeichnet worden.
Selbst bei der Auszeichnung des Filmhundes des Jahres, dem «Palm Dog Award», erhielt der Vierbeiner 2022 einen Ehrenpreis. Persönlich entgegennehmen konnte Patron die Auszeichnung aber nicht – der Landminenschnüffler hat nämlich viel zu tun.
Patron ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Hunden und Menschen bei der Minenräumung ist. Doch die Ressourcen sind beschränkt. Alle Gebiete der Welt von Minen zu befreien, nimmt viel Zeit und Geld in Anspruch. Die Anforderungen, um seinen Hund zum Minenspürhund auszubilden, sind hoch, die Ausbildung ist zeitintensiv. Und nicht jeder Hund ist der Aufgabe als Sprengstoffschnüffler – geschweige denn als Minenaufspürer – gewachsen.
Die Spürhunde folgen bei der Suche nach Minen einem Sprengstoffgeruch im Umkreis von 10 Metern. Dabei werden sie im Normalfall an einer langen Leine gehalten. Wenn sie fündig werden, setzen sie sich neben die Fundstelle.
«Die Hunde müssen aktiv sein und Lust am Suchen haben», sagt Andrea von Siebenthal vom Genfer Internationalen Zentrum für Humanitäre Minenräumung (GICHD) gegenüber dem Magazin TierWelt. Im besten Fall riechen die Hunde Sprengstoff auf sieben bis acht Meter Entfernung. Nur die besten Hunde würden für die Suche von Minen ausgewählt werden.
Sprengstoffspürhunde aus der Schweiz werden präventiv bei Grossanlässen wie etwa der Street Parade oder bei Interventionen eingesetzt. Permanent im Einsatz sind die Hunde an den internationalen Flughäfen. Auch bei Haus- und Fahrzeugdurchsuchungen schnüffeln die Hunde nach Sprengstoff.
1999 ist die Schweizer Gesellschaft SMEDDS (Swiss Mine & Explosives Detection Dogs Society) gegründet worden – eine Organisation von erfahrenen Diensthundeführern der Armee und der Polizei, die weltweit an Entminungsprojekten beteiligt ist – allerdings (noch) nicht in der Ukraine.
Dennoch hilft die Schweiz der Ukraine indirekt bei der humanitären Minenräumung, indem sie ukrainische Spezialisten zu Ausbildungskursen einlädt. Insgesamt ist die Schweiz an fünf Minenräumprogrammen der UNO beteiligt – und stellt jährlich 18 Millionen Franken für die Beseitigung von Minen bereit.
Symbiose oder Skrupellosigkeit sind des Menschen Reaktion.