Amtierende Bundesratsmitglieder werden äusserst selten abgewählt. Erst viermal seit Gründung des Bundesstaats vor 175 Jahren kam es dazu, zuletzt 2007 mit der Abwahl von Christoph Blocher.
Doch auch wenn alle Bundesratsmitglieder im Amt bestätigt werden, gehen Gesamterneuerungswahlen nicht ohne Nebengeräusche über die Bühne.
Das Parlament signalisiert mit seinem Stimmverhalten, wie beliebt und respektiert die Magistraten sind und wie gut der Sitzanspruch ihrer Partei abgestützt ist. Hinzu kommt: Gesamterneuerungswahlen haben ihre eigene Dramaturgie. Die Landesregierung wird gemäss Anciennität wiedergewählt.
Die Abstrafung eines Bundesratsmitglieds kann zu parteipolitisch motivierten Retourkutschen an einem anderen Bundesratsmitglied in einem späteren Wahlgang führen. All dies liess sich auch am Mittwoch beobachten.
1. Wahl – 1. Wahlgang
Ausgeteilte Wahlzettel: 246
Eingegangene Wahlzettel: 246
Gültige Wahlzettel: 233
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Der SVP-Wirtschaftsminister erzielte das beste Wahlresultat. Der Anspruch der SVP auf zwei Sitze ist unbestritten. Auch wenn im Parlament längst nicht alle mit Parmelins Arbeit im Wirtschaftsdepartement WBF zufrieden sind: Grössere Skandale sind ihm nicht anzulasten. Im noch unbelasteten ersten Wahlgang hielt sich die Lust auf Proteststimmen (12 leer, eine ungültig, 18 Verschiedene) in engen Grenzen.
2. Wahl – 1. Wahlgang
Ausgeteilte Wahlzettel: 246
Eingegangene Wahlzettel: 246
Gültige Wahlzettel: 239
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Nach der erneuten Wahlniederlage der FDP kündigten die Grünen an, den Sitz von Aussenminister Ignazio Cassis mit Nationalrat Gerhard Andrey (FR) angreifen zu wollen. Der FDP-Fraktionschef warf den Grünen vor, sie griffen damit die ganze italienischsprachige Minderheit an. Am Ende wurde Cassis mit 167 problemlos im ersten Wahlgang bestätigt.
Grünen-Kandidat Gerhard Andrey erhielt 59 Stimmen, hinzu kamen 20 Stimmen, die leer oder ungültig waren oder an vereinzelte Personen gingen. Andrey hat damit über 30 Stimmen ausserhalb der eigenen Fraktion (26 Sitze) gemacht. Sie dürften zu einem grossen Teil aus der GLP und der SP kommen. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass auch einzelne Bürgerliche für Andrey gestimmt haben. Die Überlegung: Ein schwaches Resultat für Cassis soll später als Rechtfertigung für Manöver beim frei werdenden SP-Sitz dienen.
3. Wahl – 1. Wahlgang
Ausgeteilte Wahlzettel: 246
Eingegangene Wahlzettel: 246
Gültige Wahlzettel: 228
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Der Anspruch von Viola Amherds Mitte-Partei auf einen Bundesratssitz ist unbestritten. Das Ergebnis der Verteidigungsministerin fiel etwas schlechter aus als bei den Gesamterneuerungswahlen vor vier Jahren (218 Stimmen). Dazu dürften nicht zuletzt die Negativschlagzeilen bei Personalgeschäften beim Rüstungskonzern Ruag und um das neue Staatssekretariat für Sicherheit beigetragen haben.
4. Wahl – 1. Wahlgang
Ausgeteilte Wahlzettel: 246
Eingegangene Wahlzettel: 246
Gültige Wahlzettel: 224
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Zwar erzielte die Finanzministerin sieben Stimmen mehr als bei den Gesamterneuerungswahlen 2019. Dennoch dürfte die St.Gallerin mit dem Resultat hadern. Insgesamt 70 Stimmen wurden Keller-Sutter verwehrt: 22 Parlamentsmitglieder legten leer oder ungültig ein, 18 wählten «Verschiedene», 15 Stimmen gingen an den Grünen-Kandidaten Gerhard Andrey und weitere 15 Stimmen gingen an Keller-Sutters Parteikollegin Anna Giacometti aus dem italienischsprachigen Teil Graubündens.
Zur Herkunft von Giacomettis Stimmen kursierten in der Wandelhalle verschiedene unbestätigte Gerüchte: Eine SP-Racheaktion an der ungeliebten Finanzministerin? Eine Retourkutsche der Grünen für den Vorwurf, man ziele beim Cassis-Sitz auf die italophone Minderheit? Eine Provokation der SVP, aus deren Reihen Keller-Sutter schon 2019 auf Kosten eines anderen FDP-Politikers abgestraft wurde?
5. Wahl – 1. Wahlgang
Ausgeteilte Wahlzettel: 245
Eingegangene Wahlzettel: 245
Gültige Wahlzettel: 245
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Der vor einem Jahr in den Bundesrat gewählte Umwelt- und Energieminister machte ein gutes Resultat. Der Sitzanspruch der SVP ist unbestritten. Die 56 Stimmen, die Rösti verweigert wurden, dürften vor allem von Linksgrün stammen, wo man mit dem von Rösti geprägten neuen Kurs des Bundesrats bei Wolf-, AKW- oder Autobahnfragen hadert.
6. Wahl – 1. Wahlgang
Ausgeteilte Wahlzettel: 246
Eingegangene Wahlzettel: 246
Gültige Wahlzettel: 216
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Die seit Anfang Jahr als Justizministerin amtierende Jurassierin ist nicht die erste Frau der Linken, die vom bürgerlich dominierten Parlament abgestraft wird. Baume-Schneider steht in der Asylpolitik unter Dauerbeschuss der SVP. Auch bei FDP und Mitte gibt es Kritik an ihrer Amtsführung. Aus den Reihen der Bürgerlichen dürften die 30 leeren beziehungsweise ungültigen Stimmen gekommen sein, ebenso die 28 Stimmen für verschiedene Personen sowie die 15 Stimmen für Ständeratspräsidentin Eva Herzog (SP/BS), die bei den Bundesratswahlen vor einem Jahr gegenüber Baume-Schneider unterlegen war.
Die 23 Stimmen, die Grünen-Kandidat Andrey erzielte, stammten mindestens teilweise von seiner eigenen Partei: Dort war die Unzufriedenheit über die schwache Unterstützung der SP für den Angriff auf Cassis gross. (aargauerzeitung.ch)
Das EDI mit den Krankenkassen und das EJPD mit Asy/Migration.
Das SVP Dauer-Thema kann nur von ihnen gelöst werden.
Auch beim Gesundheitsdossier, muss ein SVPler hin. Jahrzente lang nur jammern bringt nichts.