Dass die Landwirte unter dem trockenen Sommer leiden, ist auch in der Politik unbestritten. Es zeichnet sich ein gravierender Futtermangel ab, sowohl für die nächste Zeit als auch für den Wintervorrat. Am Montag hatte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann angekündigt, eine vorübergehende Senkung der Zölle auf Heu und Silomais prüfen zu lassen. Bauern, die mit Liquiditätsproblemen kämpfen, sollen rückzahlbare Betriebshilfe beantragen können.
Am Dienstag stellte der Schweizerische Bauernverband (SBV) einen Katalog mit Selbsthilfemassnahmen und Forderungen an Marktteilnehmer wie Schlachtbetriebe und Detailhändler vor. Von der Politik wünschen sich die Bauern ein Entgegenkommen bei den Direktzahlungen. Wenn beispielsweise Tiere nicht den verlangten regelmässigen Auslauf erhielten, weil sie auf den Weiden nichts mehr zu Fressen haben, dürften die entsprechenden Betriebe nicht sanktioniert werden.
Mit den steigenden Temperaturen waren auch die Bauern in die Kritik geraten. Sie würden zu wenig tun im Kampf gegen den Klimawandel. Statt die Ursachen der Wetterextreme zu bekämpfen, würden die Landwirte jammern, sagt GLP-Präsident Jürg Gossen im «Blick». Ähnlich tönte es beim SP-Nationalrat Beat Jans, der eine Landwirtschaftslehre gemacht hat: «Die Bauern jammern immer erst dann, wenn sie bereits vor den Problemen stehen», sagte er gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Solche kritischen Stimmen gibt es nicht nur aus dem links-grünen Lager – und nicht erst seit Beginn der Trockenperiode der letzten Wochen. In einem Ende 2016 vom Bundesrat verabschiedeten Bericht zogen die federführenden Bundesämter für Umwelt (Bafu) und Landwirtschaft (BLW) ein ernüchterndes Fazit: Keines der 2008 festgelegten 13 «Umweltziele Landwirtschaft» sei vollständig erreicht worden, wie die NZZ damals berichtete.
An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert, wie BLW-Sprecher Jürg Jordi auf Anfrage von watson sagt. Gemäss dem Bericht von 2016 sind die klimarelevanten Treibhausgase einer der Teilbereiche, in dem der Handlungsbedarf weiterhin besonders gross ist.
Zwar seien die landwirtschaftlichen Emissionen von Treibhausgasen zwischen 1990 und 2014 gesunken, «allerdings nicht in angestrebtem Ausmass». Der Rückgang habe vor allem vor dem Jahr 2000 stattgefunden und stagniere seither, heisst es im Bericht. Der Zielzustand sei noch nicht erreicht. Unklar ist, ob sich das in absehbarer Zukunft ändert, wenn die Landwirtschaft wie bisher weitermacht. «Bei mehreren Zielen ist unklar, ob die aktuellen Anstrengungen reichen, um das Ziel zu erreichen», sagt BLW-Sprecher Jordi gegenüber watson mit Blick auf die Gesamtproblematik.
Am schlechten Zwischenzeugnis der Verwaltung haben die Bauern keine Freude. Als Antwort auf den bundesrätlichen Bericht erstellte der Bauernverband eine eigene Analyse, welche im März 2018 vorgestellt wurde: «Der Bundesrat redet die Schweizer Landwirtschaft schlecht», so der Vorwurf im Titel der dazugehörigen Medienmitteilung.
Dass das BLW auch heute noch keines der Umweltziele für vollständig erreicht hält, erzürnt SBV-Sprecherin Sandra Helfenstein: «Diese Behauptung ist nicht korrekt und widerlegt» und verweist auf die eigene Analyse. Zwar bestreitet der Bauernverband nicht, dass es in Bezug auf die Umweltziele Optimierungs- und Nachholbedarf gibt. Doch zahlreiche Unterziele seien erreicht worden. Der Bericht des Bundesrates sei «tendenziös» und blende die erzielten Erfolge und bestehende Zielkonflikte aus. Wo eine gesamtschweizerische Übersicht fehle oder keine Indikatoren existierten, werde das den Bauern angelastet.
Auch im Kampf gegen die klimaschädigenden Treibhausgase wehren sich die Bauern gegen die schlechten Noten. Seit 1990 habe die Landwirtschaft den Ausstoss von Klimagasen immerhin um 13 Prozent reduziert, heisst es in der SBV-Analyse. Doch man will mehr tun.
Der SBV schlägt eine Reihe von Klimaschutzmassnahmen vor, beispielsweise bedarfsgerechte Düngung oder methanhemmende Fütterungszusätze. Den Massnahmenkatalog hat AggroCleanTech ausgearbeitet. An der «Energieberatungsagentur der Schweizer Landwirtschaft» ist der Bauernverband als Aktionär beteiligt. Sie hat laut Sandra Helfenstein auch einen Energie- und Klimacheck lanciert, bei dem jeder Betrieb checken kann wo er steht und wo er sich verbessern kann.
Doch ob sich der SBV in der Klimaschutz-Debatte mit diesen Schritten alleine aus der Schusslinie nehmen kann, ist fraglich. Denn gemäss seiner eigenen Analyse «gestaltet sich die Reduktion der Treibhausgase in der Landwirtschaft äusserst schwierig.» Deshalb erwartet auch der Bauernverband trotz der abklingenden Hitzewelle kein Ende der Debatte: «Der Klimawandel und die damit einhergehende Diskussion um die nötigen Reduktionen der Treibhausgase werden auch die Schweizer Landwirtschaft immer mehr beschäftigen», heisst es in der eigenen Analyse.