Die wegen der Fernverkehrslinien zerstrittenen Bahnen SBB und BLS sollen an den Verhandlungstisch zurückkehren. Das fordert der Kanton Bern, der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) und die Gewerkschaften. Als Vermittlerin wünschen sich alle Bundespräsidentin Doris Leuthard.
Doch diese hatte im Sommer bereits eine Bitte des Kantons Bern abschlägig beantwortet. Sie hatte sich nicht in die Belange des Bundesamtes für Verkehr (BAV) einmischen wollen. Die Konzessionsvergabe ist Sache der Verwaltung. Die politischen Vorgaben wurden bereits im Gesetz geregelt.
Seitdem SBB und BLS die Konzessionsbegehren offiziell eingereicht haben, stehen aus Sicht des BAV einer Vermittlung durch Leuthard noch höhere Hürden im Weg. Verhandlungen auf Ebene des Bundes seien ausgeschlossen, sagte BAV-Sprecher Gregor Saladin am Freitag. Während das Verfahren laufe, verbiete dies das Gesetz. Gespräche zwischen den beiden Bahnunternehmen, auch zum Thema Fernverkehr, seien aber jederzeit möglich.
Das BAV entscheidet bis Ende Dezember. Die Zeit drängt, weshalb viele Seiten auf eine neutrale Vermittlung durch eine Drittpartei drängen, die eine hohe Glaubwürdigkeit hat. Das Thema Fernverkehr sei eine politische Frage und betreffe die ganze Schweiz, lautete der Tenor. Ein Rückzug der Konzessionsgesuche sei jederzeit möglich.
So appellierte die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV in ihrer Mitteilung an Leuthard, alles zu tun, um «eine Aufteilung der Fernverkehrskonzession zu verhindern». SEV wie die Gewerkschaft Transfair kritisierten, das «wüste Gezerre», das nun in separat eingereichten Begehren gipfle, schaffe einen «künstlichen Wettbewerb», der nur Verlierer hervorbringe.
Beim Bahnpersonal breche erneut eine Zeit der Unsicherheit an. Bei einem Zuschlag für die BLS dürften mehrere hundert Stellen von der SBB zur BLS verschoben werden.
VöV-Präsident Ueli Stückelberger sagte zum Vorschlag, Leuthard solle vermitteln, die Bundespräsidentin wäre eine «ideale Lösung», denn der Streit um die Fernverkehrslinien sei schliesslich keine formaljuristische sondern eine politische Frage. Und am Schluss müsse eine Lösung gefunden werden, die beiden Bahnen etwas bringe. «Um eine solche Lösung zu finden, braucht es Kooperationsbereitschaft, wie sie typisch ist im Schweizer ÖV-System. Eine Lösung zu finden, erachte ich als möglich.»
Die Berner Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (SP) sagte, sie «wünsche sich», dass SBB und BLS weiter eine Einigung suchten. «Was ich mir wünsche ist, dass die beiden wenigstens miteinander reden und aus ihrem Streitmodus herauskommen. Letztlich bringen uns nur Gespräche weiter», sagte Egger-Jenzer.
Die Regierungsrätin ist auch Mitglied des BLS-Verwaltungsrats, denn der Kanton Bern besitzt fast 56 Prozent der BLS-Aktien. Zweitgrösste BLS-Aktionärin ist der Bund, der wiederum die SBB zu 100 Prozent besitzt.
Egger-Jenzer verlangt weiter, dass die Bahnen den Entscheid des Bundesamtes akzeptieren und beide Bahnen danach wieder zusammenarbeiten. Der Entscheid der Verwaltung ist anfechtbar. «Ein jahrelanger Rechtsstreit durch mehrere Instanzen bringt niemandem etwas, weder den beiden Bahnen noch den Kunden oder dem Steuerzahler», sagt VöV-Präsident Stückelberger.
Er ist in der unangenehmen Lage, dass sich die beiden grössten Mitglieder des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) öffentlich zanken, er aber die Interessen aller 130 Mitgliedsunternehmen vertreten muss – vom Skiliftbetreiber bis zur SBB und BLS.
«Unser System des öffentlichen Verkehrs hat international einen ausgezeichneten Ruf und erhält aus ganz Europa höchstes Lob», wurde SEV-Präsident Giorgio Tuti in einer Mitteilung vom Freitag zitiert. Der Erfolg des ÖV in der Schweiz beruhe darauf, dass die Bahnen zusammenarbeiteten, «statt sich zu bekämpfen».
Die Wettbewerbskommission (WEKO) erklärte, sie behalte den Streit im Auge. «Die Aussage der SBB, Kooperationen im Fernverkehr seien besser als Konkurrenz, ist vorderhand eine Behauptung», sagte Vizedirektorin Carole Söhner.
Zwar ist die WEKO nicht in den Entscheid des Bundesamts für Verkehr (BAV) involviert. Die Kartellbehörde werde aber unabhängig von den eingereichten Gesuchen tätig, wenn sie merke, dass von der SBB im Bewerbungsprozess unzulässiger Druck ausgeübt worden sei. (dwi/sda)