Der Wind hat gedreht: Der Spital-Föderalismus bröckelt
Nicht nur wer in einer Grossstadt wohnt, muss zwischen verschiedenen Spitäler auswählen. Das zeigt sich im ganzen Mittelland, zum Beispiel in Zofingen. Wer in der hübschen Aargauer Stadt wohnt, erreicht neun Spitäler in wenigen Minuten, Luftlinie liegen sie nicht mehr als 20 Kilometer entfernt: Zofingen selbst hat sein Spital behalten.
In der Nähe finden sich mehrere Privatkliniken in den Kantonen Aargau, Solothurn, Luzern und Bern. Auch die zwei grossen Kantonsspitäler in Aarau und Olten können in 20 Minuten Fahrtzeit mit dem Auto erreicht werden. Mit dem öffentlichen Verkehr geht es sogar noch schneller.
Das Beispiel Zofingen zeigt, dass die kantonale Spitalplanung allzu häufig nicht über die Kantonsgrenze hinweg funktioniert. Daran stören sich die nationalen Parlamentarier schon länger: Über verschiedene Vorstösse wollten sie die Kantone zu einer engeren Zusammenarbeit drängen. Denn unbestritten gehören Spitäler zu den grossen Kostenfaktoren im Gesundheitswesen.
Lange fühlten sich die kantonalen Gesundheitsdirektoren auf der sicheren Seite: Der Ständerat, als Vertretung der Kantone, verteidigte den Föderalismus und damit die kantonale Spitalplanung. Unzählige Vorstösse wurden in der kleinen Kammer abgeschmettert.
Ehrgeiziger Plan einer neuen Versorgung
Doch der Wind hat gedreht: Im letzten Frühling riss auch den Ständerätinnen und Ständeräten der Geduldsfaden: Sie wollen die Kantone zu einer engeren Zusammenarbeit verknurren. Sollten diese nicht folgen, übernimmt der Bund die Spitalplanung. Eine entsprechende Forderung von SVP-Ständerätin Esther Friedli (SG) hat der Rat mit nur zwei Gegenstimmen an den Bundesrat überwiesen.
Einer nationalen Planung will die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) zuvorkommen. Sie hat darum «grundlegende Neuerungen für eine stärkere Zusammenarbeit» beschlossen, wie sie am Montagmorgen mitteilt. Die GDK sei sich bewusst, dass es eine stärkere Koordination brauche.
Konkret haben die Verantwortlichen einen Fahrplan erarbeitet, der drei Phasen umfasst. Die erste Etappe startet 2026. In dieser Zeit soll das Angebot und der Bedarf an stationären medizinischen Leistungen abgeglichen und für die Zukunft prognostiziert werden.
In einer zweiten Etappe sollen die Kantone gemeinsam festlegen, welche Eingriffe zur Grundversorgung und welche zur Spezialversorgung gehören. So werden beispielsweise einfache Blinddarmoperationen weiterhin breit angeboten, während die komplizierte Wirbelsäulen-Operation nur noch an definierten Spitälern gemacht würden. Ab 2029 folgt in der dritten Etappe die Umsetzung dieser Kriterien – und damit die Vergabe der Leistungsaufträge an die Spitäler. Bis 2031 soll die neue Spitalplanung implementiert sein.
Die Zahl der Spitäler hat sich in 25 Jahren um 100 reduziert
Die kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren betonen, dass sie zuletzt nicht untätig waren. Vereinzelt haben sie ihre Planungsprozesse abgeglichen. Und die Zahl der Spitäler sank von 370 im Jahr 2000 auf 270 Spitäler 2024. Die Waadtländer Gesundheitsdirektorin und GDK-Vizepräsidentin Rebecca Ruiz sagt dazu: «Die Kantone blicken bei ihren Spitalplanungen schon heute über die Kantonsgrenzen hinaus. Mit dem Dreiphasenplan werden sie dies in Zukunft noch verbindlicher und systematischer tun.»
