Sport
Fussball

Kreuzbandrisse bei Fussballerinnen: Wissenschaft steht vor einem Rätsel

Switzerland, Winterthur, July 5th 2023: Ana-Maria Crnogorcevic 9 Switzerland comforts Iman Beney 25 Switzerland after her ACL injury the day before the International Friendly, Länderspiel, Nationalman ...
Kurz vor der WM 2023: Das Schweizer Talent Iman Beney verpasste das Turnier wegen eines Kreuzbandrisses.Bild: www.imago-images.de

Knie am Limit: Der weibliche Zyklus im Visier der Forschung

Fussballerinnen sind acht Mal häufiger von Kreuzbandrissen betroffen als ihre männlichen Kollegen. Der Weltverband FIFA unterstützt nun Forscher, die herausfinden wollen, ob der weibliche Zyklus einen Einfluss darauf hat.
01.05.2025, 19:5914.05.2025, 10:37
Mehr «Sport»

Der Kreuzbandriss gehört zu den am meisten gefürchteten Verletzungen im Fussball. Profis fallen im Schnitt für acht Monate aus, bei Hobbyfussballern dauert es rund ein Jahr, bis sie wieder kicken können. Für manch ein Talent war die Verletzung auf dem Weg an die Spitze der Moment, in dem der grosse Traum platzte.

Daten der vergangenen Jahre zeigten auf, dass Frauen noch weitaus häufiger von einem Kreuzbandriss betroffen sind. Gemäss Angaben des Unfallversicherers Suva zogen sie sich diese Verletzung acht Mal häufiger zu als Männer – ein Wert, der den Zufall ausschliesst.

Mandatory Credit: Photo by Andrew Fosker/Shutterstock 13632081p Sam Kerr of Chelsea is injured just before half time Chelsea Women v Real Madrid Women, UEFA Champions League, Group A, Football, Kingsm ...
Sam Kerr am Boden: Auch die besten Spielerinnen der Welt sind betroffen.Bild: www.imago-images.de

Lange Liste möglicher Ursachen

Tatsächlich bestätigen Sportmediziner ein erhöhtes Risiko. Professorin Kirsten Legerlotz von der Universität Berlin nannte in der ARD ein breiteres Becken als einen der Gründe dafür. Zudem würden Frauen tendenziell zu einer X-Bein-Stellung neigen, was die Gefahr erhöhe, das Knie nach innen zu verdrehen. Eine geringere Muskelmasse als Männer und ein anderes Sprung- und Landeverhalten werden ebenfalls als mögliche Ursachen genannt.

Umstritten ist, ob der Kunstrasen einen Einfluss hat. So wird beispielsweise in der Women's Super League in der Schweiz oft auf dieser Unterlage gespielt.

Blut- und Leistungstests

In London beginnt nun eine Studie, die eine andere Vermutung bestätigen könnte. Es soll herausgefunden werden, ob hormonelle Schwankungen während des Menstruationszyklus zum Anstieg von Kreuzbandverletzungen beitragen. Finanziert werden die Forschungsarbeiten vom Fussball-Weltverband FIFA.

«Wir wissen, dass die Hormone in den verschiedenen Phasen des Zyklus schwanken», sagte der Studienleiter, Sport-Biomechaniker Simon Augustus, der BBC, «aber wir wissen noch nicht, inwieweit sich dies auf das Verletzungsrisiko auswirkt.» Spielerinnen mehrerer Teams nehmen an der Untersuchung teil, indem sie regelmässig ihr Blut und ihre Leistungsfähigkeit testen lassen.

Höhere Gefahr von Muskelverletzungen

Frühere Untersuchungen deuten auf eine Verbindung hin. Vor allem gegen Ende des Zyklus könne die Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein. Und wer sich nicht wohl fühlt, ist womöglich weniger konzentriert und damit verletzungsanfälliger.

Zitiert wird eine Untersuchung in England, die vor einem Jahr belegte, dass Fussballerinnen sich zu bestimmten Zeitpunkten ihres Menstruationszyklus häufiger verletzten. Die Studie ergab, dass bei 26 untersuchten Spielerinnen die Wahrscheinlichkeit einer Muskelverletzung in den Tagen vor ihrer Periode sechsmal höher war als während der Periode.

Schweizer Nati früh am Ball

Das Schweizer Frauen-Nationalteam hat eine Vorreiterrolle inne. Schon seit rund fünf Jahren wird zyklusorientiert trainiert. Spielerinnen erfassen Daten in einer App, Athletiktrainerin Mélanie Pauli wertet sie aus und entwickelt geeignete Strategien: «Es geht um die Aktivierung, die Regeneration und die Ernährung.» Das Ziel sei es, dem Körper in jeder Phase das zu geben, was er gerade brauche.

Mehrere Spielerinnen bemerkten seither eine Leistungssteigerung, weil sie Training und Regeneration besser auf die Monatsblutung angepasst haben. Eine davon ist Nationalspielerin Meriame Terchoun, die schon drei Mal ein Kreuzband riss. Seit der letzten Verletzung beschäftigt sie sich intensiver mit ihrem Zyklus. An der WM 2023 sagte sie, sie fühle sich seither gesund und fit. Früher hatte Terchoun in der Phase kurz vor ihren Tagen stets Kopfschmerzen. Seit dem Verzicht auf Kaffee sei es deutlich besser geworden.

Zykluswissen als Vorteil

Die WM vor zwei Jahren verpassten mehr als 30 Fussballerinnen wegen eines Kreuzbandrisses, zu ihnen gehörte das grosse Schweizer Talent Iman Beney. Die mittlerweile 18-jährige YB-Angreiferin hat sich erholt und ist an der Heim-EM im Sommer einer der Schweizer Trümpfe.

Die Forschung steht noch am Anfang. Doch dass Spielerinnen wie Meriame Terchoun heute besser auf ihren Körper hören und davon profitieren, zeigt: Zykluswissen kann im Spitzensport zum echten Vorteil werden – vielleicht sogar zum Schutz vor dem Kreuzbandriss.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Hier werden die Spiele der EM der Frauen 2025 ausgetragen
1 / 10
Hier werden die Spiele der EM der Frauen 2025 ausgetragen
Basel, St. Jakob-Park, 38'512 Plätze.
quelle: shutterstock
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Schweizer Nationalspielerinnen über Rassismus
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
26 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
pinguin77
01.05.2025 21:38registriert Juni 2014
das sind interessante neue Erkenntnisse aus dem Sport, die sicher auch in der Medizin weiterhelfen 👍
695
Melden
Zum Kommentar
avatar
Max der Denker
01.05.2025 22:16registriert Dezember 2022
Ein interessanter Forschungsansatz. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse.
480
Melden
Zum Kommentar
avatar
Guguseli 4.
01.05.2025 22:45registriert November 2020
Endlich. Es ist höchste Zeit für solche Studien und dann (wahrscheinlich) auch ein angepasstes Training. Sehr empfehlenswert zu diesem und vielen anderen Themen rund um den Frauenfussball ist das aktuelle Tribünengespräch vom Rasenfunk (Podcast).
486
Melden
Zum Kommentar
26
    Hamilton von Murmeltier-Crash ausgebremst: «Das macht mich traurig»

    Jede Formel-1-Strecke hat so ihre Eigenheiten. Jene in Montreal ist für Hochgeschwindigkeitsabschnitte und enge Schikanen bekannt – und eben auch für tierische Störenfriede. Immer wieder sind Murmeltiere rund um die und auch auf der Strecke zu sehen. Das musste am Sonntagabend auch Ferrari-Pilot Lewis Hamilton erfahren.

    Zur Story