«Opferfeminismus» – dieses Wort fällt immer häufiger, wenn es um feministische Themen wie Altersarmut, Karrierechancen, Lohnungleichheit, Sorgearbeit oder sogar um sexualisierte Gewalt geht. In Kommentarspalten liest man zuweilen, dass der Feminismus von heute nur noch aus «Gejammer» bestehe. Frauen fänden immer wieder einen Grund, sich «in der Opferrolle zu wälzen», und könnten entsprechend nicht mehr ernst genommen werden.
Der deutsche Soziologe Martin Schröder sieht das ähnlich. In einem Interview mit der NZZ sagt Schröder, die Frauenbewegung habe einst zum Ziel gehabt, dass jede Frau so leben solle, wie sie wolle, doch inzwischen dominiere ein «Opferfeminismus».
In der «Welt» führt er diesen Gedanken fort, indem er schreibt: Das Leben von Frauen werde zu negativ beurteilt, weil ein «illiberaler Feminismus» Frauen als chronische Opfer präsentiere. Dabei gehe es den Frauen bei uns viel besser, als dieser ihnen einreden würde.
Es gebe einen Grund, schreibt Schröder in der «Welt», warum wir als Gesellschaft das Leben von Frauen für schlechter halten, als es sei. Immer wieder falle uns schmerzhaft auf, dass die Welt nicht unseren moralischen Ansprüchen genüge. Schliesslich gebe es Armut, Gewalt und Ungleichheit. Doch wenn wir bemerken würden, dass die Welt schlechter sei, als wir es möchten, so vergässen wir, dass nicht nur die Welt schlecht, sondern auch unser Anspruch (zu) hoch sein könne.
Darum, so Schröder, würden wir auch dort mehr Ungerechtigkeit sehen, wo es mittlerweile messbar weniger gebe. Diese zunehmende moralische Sensibilität sei ein Fortschritt, werde aber zum gefühlten Rückschritt, wenn wir unsere steigenden Ansprüche mit einer faktischen Verschlechterung der Welt verwechseln würden.
Nun, natürlich geht es uns allen besser als vor zweihundert, zwanzig, zehn Jahren. Das dementiert niemand.
Aber heisst das, Frauen (oder überhaupt jemand) dürfen jetzt keine besseren Bedingungen mehr für sich fordern, im Sinne von: Wem es gut geht, dem darf es nicht besser gehen? Eine verquere Logik.
Die britische Kultursoziologin Angela McRobbie blickt in ihrem Buch «Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes» auf die gegenwärtige Gesellschaft: Elemente des Feminismus seien von gesellschaftlichen Institutionen aufgegriffen und spürbar in das öffentliche Leben integriert worden. Im Zuge dessen wurden (jungen) Frauen neue Fähigkeiten und Freiheiten zugestanden, unter anderem zu studieren oder zu arbeiten.
Was als Erfolg abgetan werden könnte, will McRobbie dagegen anders verstanden wissen: nämlich als Methode, neue feministische Forderungen vorgängig zu verhindern. In ihren Augen ist der Fortschritt an die Bedingung geknüpft, dass Frauen künftig keine Systemkritik mehr anbringen dürfen. Im Sinne von: Was wollt ihr denn noch? Ihr habt doch schon alles. Also beschwert euch nicht!
Solche Schreie werden häufiger und lauter. Doch immer weniger (junge) Frauen lassen sich davon beeindrucken. Sie erkennen in diesem Widerstand ein Indiz für den Wandel, den sie angestossen haben, und machen weiter.
Indem sie sich unnachgiebig und unerschrocken für eine gerechte und gewaltfreie Gesellschaft einsetzen, beweisen sie, dass sie alles andere als passive «Opfer» sind, sondern vielmehr handelnde Akteurinnen.
Störend ist für viele, dass gewisse Kreise Ungerechtigkeit alleine am Geschlecht festmachen wollen. Es gibt sehr privilegierte Frauen und Männer die weit weniger privilegiert sind.
Dazu will man nur ein Teil angehen und anderes sein lassen; (Militärdienst, Witerrente, tiefere Lebenserwartung bei Männern etc.)
Ganz zu schweigen davon, dass es für junge Frauen in männerdominierten Berufen oftmals bessere Karrieremöglichkeiten gibt. So nach dem Motto "wir brauchen mehr Frauen".
da wurde der Sache kein Gefallen getan. Schade.