Die einflussreiche Denkfabrik Heritage Foundation wirbt für ein «simples und straffes» Abkommen mit
der Eidgenossenschaft. Und das möglichst bald.
12.08.2018, 04:1712.08.2018, 10:00
LORENZ HONEGGER / schweiz am wochenende
Gerüchte zirkulierten in Bern und
Washington seit Monaten. Nun ist es
offiziell: Die einflussreiche konservative
Denkfabrik der USA empfiehlt dem
Weissen Haus in einem neuen Positionspapier,
möglichst bald ein Freihandelsabkommen
mit der Schweiz abzuschliessen.
«Die Zeit ist gekommen, um
eine Ausdehnung der amerikanisch-schweizerischen
Handelsbeziehungen
auf pragmatische Weise auszuloten»,
schreibt die Heritage Foundation in
dem Text. Die Eidgenossenschaft sei
unter den gleichgesinnten Staaten ein
hervorragender Kandidat für eine engere
wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Die amerikanische Denkfabrik setzt
sich seit den 70er-Jahren für weniger
Staat, mehr Freiheit für Unternehmen
und eine starke Landesverteidigung
ein. Ihr Hauptsitz liegt wenige Strassen
vom Kapitol in Washington D.C. entfernt,
dem Sitz des Senats und des
Repräsentantenhauses. Sie verfügt
über ein jährliches Budget von 80 Millionen
Dollar. Als Donald Trump 2016
zum Präsidenten gewählt wurde, berief
er den Gründer der Heritage Foundation,
Ed Feulner, in sein Übergangsteam.
Feulner und seinen Mitstreiter
gelang es, Hunderte Beamte in der
Trump-Administration zu platzieren.
Entsprechend gross ist ihr Einfluss
auf das Weisse Haus bis heute.
Blochers erste Begegnung mit Siri
Video: watson
«Gewinne für beide Seiten»
Der Stiftungsgründer gehört zu den
drei Autoren, die das neue Positionspapier
zur Schweiz verfasst haben.
Darin fordern diese das Weisse Haus
auf, den bereits laufenden Freihandelsdialog
mit der Eidgenossenschaft zu
beschleunigen. Ziel müsse ein möglichst
«simples und straffes» Abkommen
sein. Das sei besser als ein
Hunderte Seiten langes Handels- und
Investitionsabkommen; eine Anspielung
auf das umstrittene und vorläufig
auf Eis gelegte Transatlantische Freihandelsabkommen
(TTIP) zwischen
der EU und den USA. Die Autoren betonen,
Bern und Washington sollten bei
den Verhandlungen nicht nach Perfektion
streben und falls nötig eine
«beschränkte Vereinbarung» in Betracht
ziehen, die aber für beide Seiten
greifbare Gewinne mit sich bringe.

Will einen Freihandelsvertrag –
ohne Landwirtschaft: Magdalena Martullo-Blocher,
Nationalrätin SVP/ZH.Bild: KEYSTONE
Gleichzeitig legt die Stiftung der
Trump-Regierung nahe, Schweizer
Unternehmen von den Zöllen auf
Stahl- und Aluminium-Produkte zu
befreien. Ein entsprechendes Gesuch
aus Bern hat Washington bislang
nicht beantwortet.
«Ein schwarzer Tag für die Schweizer Wirtschaft»
Video: srf
«Eine Einladung zum Tanzen»
Die Forderungen der Heritage Foundation
sind Musik in den Ohren des
Chefs der Schweizerisch-Amerikanischen
Handelskammer. «Ich würde
sagen: Es ist eine Einladung zum Tanzen»,
sagt deren Chef Martin Naville.
Es handle sich zwar nicht um eine behördliche
Verlautbarung, aber die
Stiftung stehe der Trump-Regierung
nahe. «Ein Freihandels-Deal mit der
Schweiz könnte aus Sicht der Amerikaner
dazu dienen, die Europäer
unter Druck zu setzen.»
Eine beträchtliche Hürde bei allfälligen
Verhandlungen sieht Naville
weiterhin bei der Schweizer Landwirtschaft,
die sich hartnäckig gegen
jegliche Öffnung des Agrarmarktes
wehrt. Die Bauern-Lobby hat bereits
im vergangenen Jahrzehnt Gespräche
mit den Amerikanern über einen Freihandelspakt
im Keim erstickt.
Die Heritage Foundation selbst geht
in ihrem Papier nicht auf die Landwirtschaft
ein und lobt die Schweiz stattdessen
für ihre beneidenswert «anpassungs-
und widerstandsfähige Wirtschaft».
Das Land sei eine der am stärksten entwickelten
Volkswirtschaften der Welt.
Das Engagement für eine liberale Wirtschaftsregulierung
mache die Alpenrepublik
zu einem idealen Partner.

«Wir sind immer interessiert»:
Ed McMullen, US-Botschafter für die
Schweiz und Liechtenstein.Bild: KEYSTONE
Auch in der Schweiz gibt es einflussreiche
Stimmen, die sich für einen
Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen
starkmachen. Zu ihnen gehört
etwa SVP-Nationalrätin und Unternehmerin
Magdalena Martullo-Blocher,
die einen Freihandelsvertrag ohne Einbezug
der Landwirtschaft fordert.
Möglich ist vieles: Der neue amerikanische
Botschafter in Bern, Ed McMullen,
der in den 80er-Jahren selber für
die Heritage Foundation arbeitete,
sagte in einem Interview Anfang Jahr:
«Das Wunderbare bei Donald Trump
ist: Er sagt niemals nie. Falls es eine
Gelegenheit gibt, umso besser. Wir sind
immer interessiert, bilaterale Wirtschaftsbeziehungen
zu vertiefen.»
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