Menstruationsurlaub für Frauen: Die Resultate aus der Pionierstadt überraschen
Urlaub bedeutet normalerweise: Freude, Erholung und Genuss. Anders beim Menstruationsurlaub: Gemeint ist, dass Frauen während ihrer Periode bei starken Schmerzen ohne Lohneinbusse und Arztzeugnis freinehmen können. Spanien hat diesen Anspruch bereits gesetzlich verankert. In der Schweiz treiben vor allem linksregierte Städte das Thema voran.
In Zürich forderte das Parlament die Regierung bereits 2022 dazu auf, einen Menstruationsurlaub zu testen. Die Stadt führte daraufhin eine Umfrage unter ihren Angestellten durch und veröffentlichte die Ergebnisse dieses Jahr: Von knapp 10'000 teilnehmenden Mitarbeiterinnen gaben 63 Prozent an, regelmässig unter starken Menstruationsbeschwerden zu leiden. 52 Prozent würden eine Menstruationsdispens sicher nutzen wollen, 34 Prozent zeigten sich unsicher und 13 Prozent lehnten die Massnahme ab.
Zu einem Pilotversuch kam es in Zürich jedoch bis heute nicht. Überholt wurde die grösste Schweizer Stadt von Yverdon-les-Bains – und mittlerweile auch von Freiburg. Die Waadtländer Stadt mit 31'000 Einwohnenden führte vergangenen Sommer als erste Stadt der Schweiz einen Menstruationsurlaub ein. Er gilt für maximal drei Tage pro Monat und zwölf Tage pro Jahr. Im Gespräch mit CH Media zieht Carmen Tanner (Grüne), Co-Stadtpräsidentin von Yverdon, eine erste Bilanz.
Wie oft wurde der Menstruationsurlaub bislang in Anspruch genommen?
Im ersten Jahr nach der Einführung, zwischen Juni 2024 und Mai 2025, haben insgesamt 13 Frauen einen Menstruationsurlaub bezogen. Nur eine von ihnen tat dies mehr als einmal. Die Abwesenheiten dauerten zwischen anderthalb und zehn Stunden, obwohl drei Tage möglich wären.
Die Zahlen sind erstaunlich tief – die Stadt Yverdon zählt 1000 Angestellte, davon rund ein Drittel Frauen im gebärfähigen Alter. Ist der Menstruationsurlaub schlichtweg überflüssig?
Keineswegs! Dass viele Frauen mit schmerzhaften Menstruationsbeschwerden kämpfen, ist unbestritten. Das zeigen nicht nur die Umfragewerte aus Zürich, sondern auch medizinische Schätzungen, wonach mindestens jede zehnte Frau an Endometriose leidet.
Wie erklären Sie sich die tiefen Werte dann?
Viele Frauen arbeiten trotz Schmerzen weiter, weil sie es sich gewohnt sind. Der Menstruationsurlaub ist scheinbar noch zu wenig bekannt.
Bei der Einführung vor einem Jahr wurden die Angestellten informiert – per Mail und auf der Lohnabrechnung.
Ja, aber ein Mail geht schnell unter. Zudem gab es gleichzeitig mehrere Änderungen im Personalreglement. In der Cafeteria hörte ich immer wieder Sätze wie: «Was, es gibt einen Menstruationsurlaub?» Deshalb starteten wir im März eine Sensibilisierungskampagne mit Plakaten in allen Frauentoiletten der Stadt – vom Fussballplatz über die Schulen bis zur Verwaltung. Seitdem steigen die Abwesenheiten tendenziell an, wenn auch auf tiefem Niveau.
Überall in der Schweiz können sich Frauen bei Menstruationsbeschwerden auch einfach krankmelden. Nutzen die Angestellten in Yverdon den Menstruationsurlaub deshalb nicht?
Das ist möglich – und eine weitere Erklärung für die bislang geringe Nutzung.
Warum braucht es dann überhaupt einen Systemwechsel?
Die Zahl der bezahlten Krankheitstage ist begrenzt. Wer sich wegen der Periode krankmelden muss, verliert diese Tage für andere Krankheitsfälle. Hier schafft der Menstruationsurlaub Abhilfe.
Kritiker befürchten, dass dieser zu einem neuen Stigma und zu tieferer Bereitschaft von Arbeitgebern führt, Frauen einzustellen. Gibt es solche Erfahrungen in Yverdon?
Nein. Ich habe keine Anzeichen für Stigmatisierung bemerkt. Die Befürchtung halte ich für übertrieben, weil die Vertraulichkeit sichergestellt ist: Nur das HR und höchstens eine vorgesetzte Person wissen vom Grund der Abwesenheit – alle anderen Führungskräfte nicht.
Was raten sie anderen Städten, die einen Menstruationsurlaub prüfen?
Wichtig ist es, die Einführung mit einer Sensibilisierungskampagne zu verknüpfen. Damit sich Gewohnheiten ändern und Tabus abbauen, ist viel Geduld nötig. In Yverdon wollen wir nun genauer untersuchen, was die Inanspruchnahme des Menstruationsurlaubs hemmt und wo Verbesserungen möglich sind. Dazu haben wir ein Team der Universität Lausanne beauftragt. Wir hoffen, dass andere Städte wie Zürich und Lausanne, mit denen wir im Austausch stehen, von den Erkenntnissen profitieren können.
