Schweiz
Interview

Waldbrand im Wallis bei Bitsch: «Die Probleme entstehen nach dem Feuer»

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100 Hektaren brennen: So stark hat sich der Waldbrand im Wallis bereits ausgeweitet. Bild: KEYSTONE
Interview

Waldbrand-Experte erklärt, warum der Klimawandel das Risiko von Waldbränden befeuert

Ein Waldbrand im Wallis hat sich am Montagabend explosionsartig zu einem Grossbrand ausgeweitet. Waldbrand-Experte Marco Conedera erklärt im Interview, weshalb das Problem für die Schweiz immer grösser wird.
18.07.2023, 13:5818.07.2023, 14:20
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Zur Person
Marco Conedera (63) ist Experte für Waldbrände bei der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Cadenazzo. Er leitet die Forschungseinheit Ökologie der Lebensgemeinschaften.

Herr Conedera, im Wallis brennt eine Fläche von 100 Hektaren. Wie kann ein Waldbrand so eskalieren?
Marco Conedera:
Es braucht mehrere Elemente, die zusammenkommen, damit ein Waldbrand in einen Grossbrand ausartet. Trockenheit und starker Wind machen brennbares Material sehr entzündbar und fördern die Ausbreitung des Brandherdes, der Steilhang zieht durch die Thermik den Brand nach oben.

Grossbrand: Der Waldbrand begann oberahlb von Bitsch und hat sich ausgebreitet bis oberhab von Ried-Mörel.

Der Waldbrand in Bitsch wütet an einem Steilhang oberhalb von Siedlungen. Ist das Feuer die einzige Bedrohung oder welche Auswirkungen kann der Waldbrand haben?
Ein Waldbrand geht normalerweise nach oben von den Häusern weg. Aber das Feuer kann im Wald die Streu und den Oberboden wegbrennen, womit Steine ins Rollen geraten können. Nach dem Waldbrand, wenn viele Bäume ihre Schutzwirkung nicht mehr wahrnehmen können, kann es so vereinfacht zu Erosion, oder zu Erdrutschen kommen – und zwar noch Jahre danach. Je nach Schäden am Wald entstehen die Probleme also eher nach dem Brand.

Marco Conedera, Experte für Waldbrände bei der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Cadenazzo
Experte für Waldbrände: Marco Conedera. Bild: screenshot twitter/BABS_OFPP_UFPP

Es wird mit wochenlangen Löscharbeiten gerechnet. Wann ist es wieder sicher im Wald?
Bei solchen trockenen Verhältnissen, wie wir sie zurzeit haben, droht der Brand im Unterboden weiterzuschwelen. Das heisst, es braucht eine zweistufige Löschaktion. Die eine, um den Brand-Perimeter zu löschen, die andere, um die verschiedenen kleineren Brandherde zu löschen. Das kann einige Zeit beanspruchen.

Mehrere Helikopter der Air Zermatt und ein Super Puma der Armee stehen im Einsatz. Ist die Schweiz nicht genug vorbereitet, dass man auf das Militär zurückgreifen muss?
Wenn es ein kleinerer Waldbrand ist, reichen in der Schweiz zivile Helikopter aus, um das Feuer zu löschen. Doch bei solchen Grossbränden dient die Armee als Unterstützung. Das ist in meinen Augen sehr effizient.

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Ein Helikopter giesst am Dienstag Wasser auf den Rauch, der aus dem brennenden Wald über den Gemeinden Bitsch und Ried-Moerel aufsteigt. Die Helikopter flogen die ganze Nacht von Montag auf Dienstag.Bild: KEYSTONE

Haben wir schweizweit genügend Löschbecken und spezialisierte Einsatzkräfte für Grossbrände?
Die Schweiz ist nach wie vor im Aufbau, um das überall garantieren zu können. Von Löschbecken kann man eigentlich nie genug haben, aber es sind auch grosse Investitionen. In Regionen, wo das Waldbrand-Risiko am höchsten ist, ist man sicher besser vorbereitet als in anderen Orten. Doch es gibt Pläne, das mit der Zeit zu vervollständigen.

Welche Kantone sind ausgerüstet, welche nicht?
Dort, wo es historisch gesehen oft zu Waldbränden kommt, ist man politisch eher bereit, etwas zu machen. Die Kantone Wallis, Graubünden oder Tessin sind da vorn mit dabei. Doch auch die anderen Kantone, in denen die Waldbrandgefahr aufgrund des Klimawandels steigt, hat man bereits begonnen, sich darüber Gedanken zu machen. Aber überall wird mindestens die entwickelnde Gefahrenlage analysiert und beurteilt.

Der Klimawandel lässt das Risiko von Waldbränden ansteigen?
Ja, denn die andauernde Trockenheit ist ein grosser Faktor für Grossbrände. Mit der Klimaveränderung haben wir diese extrem langen trockenen Perioden. Gekoppelt mit den sehr hohen Temperaturen steigt die Waldbrandgefahr.

Es gibt über 100 Waldbrände jährlich in der Schweiz. Wie viele davon drohen auszuarten wie in Bitsch?
Nicht viele, hier sprechen wir von einem kleinen Prozent. Es gibt eine weltweit gültige Faustregel: Es sind 1 bis 2 Prozent der Waldbrände, die 90 Prozent der Waldbrandfläche ausmachen. Bei akuter Waldbrandgefahr und den vorher beschriebenen meteorologischen Umständen kommt es zu solchen Grossbränden.

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Düster: Den Waldbrand sieht man bis zum Stockalperschloss in Brig. Bild: KEYSTONE

Was ist die Hauptursache: Lösen eher Menschen oder Wetterphänomene einen Waldbrand aus?
Im Winter werden Brände zu 100 Prozent durch Menschen ausgelöst – auch indirekt durch Infrastrukturen wie etwa Kurzschlüsse in Hochspannungsleitungen. Doch im Sommer ist es 50/50, wo oft Blitzeinschläge und trockene Verhältnisse die Ursache sind.

2022 war europaweit die zweitschlimmste Waldbrandsaison seit Messbeginn im Jahr 2000. Wird dieser Sommer noch schlimmer?
Das können wir pauschal nicht sagen, da es sehr stark davon abhängt, wie sich die Meteorologie entwickelt. Falls es weiter geht mit der Trockenheit und sich diese auch im Mittelmeer ausbreitet, dann wahrscheinlich schon. Tendenziell durch die Klimaveränderung haben wir gesehen, dass die Gebiete, wo Brandgefahr herrscht, immer ausgedehnter und häufiger werden.

Wie kann die Schweiz dem entgegenwirken?
Wir sind bereits sehr aktiv und machen viel. Doch ein Problem ist auch, dass die herkömmliche Landwirtschaft und Bewirtschaftung der Alpen zurückgegangen ist. Ein ähnliches Phänomen – auch wenn auf einer kleineren Skala – ist in den letzten Jahrzehnten auch in den Mittelmeer-Regionen passiert. Beweidung und Bewirtschaftung würde helfen. Doch wenn immer wieder neue Flächen brachgelegt werden, entsteht Brandgut und damit steigt die Gefahr für Wald- und Grossbrände.

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