Der Bundesrat zieht beim UNO-Migrationspakt vorerst die Reissleine. Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) hat in der Regierung durchgeboxt, dass die Schweiz die rechtlich unverbindlichen Leitlinien zur globalen Migration beim Gipfel in Marokko vom 10. Dezember nicht unterzeichnet. Nun muss sich das Parlament in der Wintersession über das umstrittene Papier beugen.
Die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder hat sich in der Aussenpolitischen Kommission (APK) intensiv mit dem Papier auseinandergesetzt.
Frau Markwalder, der Bundesrat legt den UNO-Migrationspakt auf Eis. Was bedeutet das für Sie?
Christa Markwalder: Nach der heftigen Kampagne gegen den Migrationspakt erstaunt mich der Entscheid nicht wirklich. Allerdings beobachte ich mit Sorge, dass in Europa eine Regierung nach der anderen einknickt und immer lauter Stimmung gegen Einwanderung gemacht wird. Dabei ginge es im Migrationspakt gerade darum, wie Migration besser gesteuert und sicherer gemacht werden kann. Jeder Staat behält die Souveränität, wie er mit Migration umgehen will, es geht jedoch darum, international einige Grundsätze festzulegen. Die Schweiz hält sich heute bis auf eine Ausnahme an diese Grundsätze und hat ein Interesse daran, dass andere Staaten beispielsweise bei Rückführungen in Herkunftsländer kooperieren.
Versenkt das Parlament den Migrationspakt in der Wintersession?
Die Debatte wird sicherlich als grosse Redeschlacht inszeniert. Eigentlich liegt die Kompetenz zur Unterzeichnung des Pakts gar nicht beim Parlament, sondern beim Bundesrat. Nachdem sich aber schon verschiedene Parlamentskommissionen mit dem Thema befasst haben, können wir diese Debatte auch im Plenum führen. Ich bezweifle jedoch, dass der Bundesrat grünes Licht für die Unterzeichnung des Papiers erhält.
Die Schweiz dürfte also den UNO-Migrationspakt als eines von wenigen Ländern weltweit nicht unterzeichnen. Was bedeutet das für das Image des Landes?
Es ist etwas paradox: Die Schweiz ist bei der Ausarbeitung dieser Leitlinien federführend mit dabei gewesen und wird geschätzt für unsere humanitäre Tradition. Als Land mit 25 Prozent Ausländern und zehn Prozent Auslandschweizern haben wir eigentlich ein besonders grosses Interesse an geregelter Migration und am Rückgang irregulärer Migration, denn Tragödien wie auf dem Mittelmeer können wir nicht einfach Jahr für Jahr hinnehmen.
Die Befürworter der Selbstbestimmungs-Initiative machen mit dem Migrationspakt Stimmung für die SBI. Hat der Bundesrat deswegen wenige Tage vor der Abstimmung nicht einfach kalte Füsse bekommen und die Unterzeichnung sistiert?
Nach meiner Wahrnehmung ist der Meinungsbildungsprozess zur SBI weit fortgeschritten, wenn nicht gar abgeschlossen. Der Auslöser für den heutigen Entscheid des Bundesrats dürften vielmehr die Diskussionen in den verschiedenen Parlamentskommissionen gewesen sein, die jedoch ihrerseits unterschiedliche Signale ausgesendet haben.
FDP-Bundesrat Cassis ist beim Migrationspakt einen Zickzack-Kurs gefahren. Sind Sie sauer auf Ihren Bundesrat?
Überhaupt nicht. Es geht doch allein um die Frage, ob der Pakt im Interesse der Schweiz liegt und ob er der Staatengemeinschaft hilft, das weltweite Phänomen der Migration besser in den Griff zu bekommen. Persönlich meine ich, dass dies zutrifft.