Hat die Schweiz ein Problem mit
Jugendarbeitslosigkeit? Oder warum braucht es jetzt eine eigens dafür
eingerichtete Helpline?
Andreas Rupp: Letztes Jahr gab
es rund 50'000 erwerbslose 15-bis-24-Jährige. Laut den Zahlen des
Bundesamtes für Statistik ist die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen annähernd doppelt so hoch wie bei den Erwachsenen. Einen niederschwelligen
Zugang zu einer Anlaufstelle gab es in dieser Art bisher in der Schweiz nicht. Wir
wollten diese Lücke schliessen. Wer eine Hilfestellung braucht, kann
einfach anrufen, muss nirgends persönlich vorbeigehen, sondern
kann sich vertraulich erkundigen. Er kann rund um die Uhr auch ausserhalb der normalen
Geschäftszeiten anrufen.
Verglichen mit anderen europäischen
Ländern sind in der Schweiz wenig Jugendliche arbeitslos.
Natürlich ist die
Zahl verglichen mit anderen Ländern vergleichsweise
tief. Aber wie wir wissen, kann sich so etwas sehr schnell verändern.
Und die Jungen trifft ein gesamtwirtschaftlicher Abschwung als Erstes. Darum wollen wir vorsorgen. Die Feuerwehr baut man
schliesslich auch nicht erst, wenn es schon brennt.
Es gibt bereits viele
Berufsberatungsstellen für Jugendliche oder die
Arbeitsvermittlungszentren. Sind diese bestehenden Stellen zu wenig
unterstützend?
Die vorhandenen staatlichen und privaten Strukturen leisten heute zweifellos wertvolle Arbeit. Wir
wissen aber, dass von den 50'000 erwerbslosen Jugendlichen im Jahr 2016
etwas weniger als die Hälfte beim RAV gemeldet war. Das ist eine hohe Zahl
an jungen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer diese Orte
nicht aufsuchen, wenn sie arbeitslos sind. Ausserdem nimmt die Notfallnummer «147» von Pro Juventute jährlich gegen 1000 Anrufe
entgegen, die sich um das Thema «Arbeitsintegration» drehen. Es kann ein Hindernis sein, dass sich Junge oft nicht trauen, persönlich bei den bestehenden Beratungsstellen vorbeizugehen oder sich offiziell zu registrieren. Eine eigene Helpline kann dem
entgegenwirken, indem sie die Betroffenen motiviert, den nächsten Schritt zu ihrer beruflichen Integration zu gehen.
Welches sind die Probleme der
Jugendlichen, die wegen Arbeitslosigkeit die Notfallnummer «147» der Pro
Juventute kontaktierten?
Dass sie beispielsweise nach
jahrelanger Ausbildung keine Lehrstelle oder keinen ersten Job finden, dass sie Schwierigkeiten während der Lehre haben, dass sie bereits in jungem
Alter ausgesteuert werden, dass sie körperlich oder psychisch
beeinträchtigt sind und keinen Job finden oder dass sie sich beruflich neu
orientieren wollen, aber nicht genau wissen, wie.
Was machen diese Jugendlichen
falsch? Warum finden sie keinen Job?
Oft
haben sie einen hohen Anspruch an eine Arbeitsstelle, was auch gut
ist. Aber manchmal stellen wir fest, dass sie krampfhaft für etwas
kämpfen, für das ihr Profil einfach nicht passt, für das sie
qualitativ nicht geeignet sind. Oder sie würden sich zwar schulisch eignen, scheitern aber im Bewerbungsprozess am persönlichen Verhalten.
Und was kann da eine Helpine ausrichten?
Sie ist in erster Linie dafür da, die Jugendlichen aufzufangen, sofern nötig emotional zu stabilisieren und mental fit zu machen für den nächsten eigenverantwortlichen Schritt. Danach schauen die Berater, welche Institutionen sich für den Anrufer je nach Bedürfnis und Wohnort
eignen.
Wie erfolgversprechend ist das?
Nach erfolgter Kontaktvermittlung sind sie in den Beratungszentren, sei es das RAV, das BIZ oder bei privaten Institutionen, in guten Händen. Das sind schliesslich Profis. Sie schauen, warum es bisher mit den Bewerbungen nicht geklappt hat und klären die Eignung und Neigung des Jugendlichen ab. Vielleicht sieht man dann, dass er sich einfach auf die falsche Stelle beworben hat.
Was ist das Ziel der Helpline?
Dazu beizutragen, dass möglichst alle jungen Menschen in der Schweiz eine passende Berufsausbildung und Arbeitsstelle finden. Mit früher Prävention kann schon viel erreicht werden. Wenn uns Jugendliche kontaktieren, die zum Beispiel in der Lehre Stress mit dem Lehrmeister haben, kann man handeln, bevor zu viel Geschirr zerschlagen wurde. Zudem ist die Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt gesamtwirtschaftlich günstiger als die hohen Folgekosten, welche durch eine misslungene Berufsintegration entstehen.
Inwiefern?
Wenn ein junger Mensch schon bei seinem Einstieg in die Arbeitswelt schlechte Erfahrungen sammelt, prägt das. Das gilt es unbedingt zu verhindern. Dazu wollen wir beitragen, indem die Jugendlichen fortan mit unserer Helpline den einfachen ersten Schritt in ihre berufliche Zukunft unternehmen und dadurch frühzeitig professionelle Hilfe erhalten.