Das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen ist gerade ziemlich gestört. Weshalb sich der Bundesrat zu einem eher ungewöhnlichen Schritt entschloss. Nach seiner Sitzung vom Mittwoch veröffentlichte er ein Schreiben an die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), das sich wie ein Friedensangebot und gleichzeitig wie eine Ermahnung liest.
Unterzeichnet wurde es von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundeskanzler Viktor Rossi. Konkret geht es wieder einmal um das liebe Geld. Dabei geht es der Schweiz blendend. Als «Konzern» hätte der Bund 2024 einen Gewinn von 11,3 Milliarden Franken verbucht, wie die ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Gesamtrechnung zeigt.
Dafür verantwortlich sind die positiven Anlageergebnisse der Sozialversicherungen. Im eigentlichen Bundeshaushalt drohen happige Defizite, wie Finanzministerin Keller-Sutter unermüdlich warnt, vor allem wegen Mehrausgaben für AHV und Armee. Sie hat deshalb im letzten Herbst ein Sparpaket präsentiert und Ende Januar in die Vernehmlassung geschickt.
Es basiert auf den Kürzungsvorschlägen der Expertengruppe, die von Serge Gaillard geleitet wurde, ehemals Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung und in einem früheren Leben Chefökonom des Gewerkschaftsbunds. Sie standen von Anfang an unter keinem guten Stern und wurden von links und teilweise auch von rechts ungnädig aufgenommen.
Dennoch präsentierte Keller-Sutter im September 2024 ein Bündel von Sparvorschlägen, das mittlerweile die Bezeichnung Entlastungspaket 2027 (EP27) erhalten hat. Auf Streichungen bei Armee und Landwirtschaft verzichtete die FDP-Bundesrätin, wohl um die Bürgerlichen an Bord zu holen. Dafür legte sie sich mit einem anderen mächtigen Gegner an: den Kantonen.
Sie sollten einen Teil der Einsparungen schultern, darunter den mit Abstand grössten Posten im EP27, die Bundesbeiträge an die Kinderbetreuung von 900 Millionen Franken. Und dies trotz der im Parlament hängigen, von einer Mitte-links-Allianz eingereichten Kita-Initiative. Auch eine Kürzung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer steht zur Disposition.
Den Kantonen stiessen diese Vorschläge sauer auf. Sie hätten «nicht einfach Geld wie Heu», betonte der Aargauer Finanzdirektor und KdK-Präsident Markus Dieth (Mitte) in einer Mitteilung. Am 14. März doppelten die Regierungsräte an einer Medienkonferenz nach. Dabei forderten sie eine Überarbeitung des bundesrätlichen Sparprogramms.
Markus Dieth kritisierte «das einseitige Vorgehen des Bundesrats». Die Kantone hätten im Herbst 2024 ihre Bereitschaft signalisiert, die sie betreffenden Massnahmen gemeinsam mit dem Bund zu konkretisieren. Doch der Bundesrat sei «nicht darauf eingegangen». Das Entlastungspaket 2027 sei für die Kantonsregierungen deshalb «äusserst unbefriedigend».
Die Kritik fällt entsprechend gepfeffert aus: «Die Sparvorschläge des Bundesrats unterlaufen gemeinsam definierte Ziele von Bund und Kantonen, gefährden die Innovationsfähigkeit der Schweiz, verlagern Kosten einfach auf die Kantone und stellen kürzliche Volksentscheide infrage.» Ausserdem würden sie in den nationalen Finanzausgleich eingreifen.
Die Reaktion des Bundesrats vom Mittwoch lässt sich folglich als Schadensbegrenzung interpretieren. So betont er die Bereitschaft, «nach der Vernehmlassung mit den Kantonen über die nächsten Schritte des Entlastungspakets zu diskutieren». Es liest sich wie ein indirektes Eingeständnis, dass man die Bedenken der Kantone zu wenig berücksichtigt hat.
«Der Bundesrat ist gerne bereit, Alternativvorschläge der Kantone zu prüfen», heisst es. Keller-Sutter und Rossi erinnern die KdK aber auch daran, dass rund 30 Prozent der Bundesausgaben den Kantonen zugutekommen. Es sei unvermeidlich, «dass verschiedene Massnahmen des EP27 auch die Kantone betreffen», wird mit mahnenden Worten betont.
Die Vernehmlassungsfrist endet am 5. Mai. Bis dann sollen die Kantone dem Bundesrat «einen konsolidierten, schriftlichen Vorschlag» unterbreiten. Die SP zeigt sich über den Widerstand der Kantone erfreut. «Der Bundesrat muss das unnötige Kürzungsprogramm umgehend stoppen», lässt sich Co-Präsidentin Mattea Meyer in einer Mitteilung zitieren.
Die FDP hingegen verteidigt das Sparpaket ihrer Finanzministerin und verlangt, dass es «integral umgesetzt wird». Der Widerstand der Kantone kommt da ungelegen. Sie würden sich «zu ganz normalen Lobbyisten» degradieren, kommentierte die NZZ verärgert. Es könne so weit kommen, dass «das Parlament in finanzieller Not rabiate Massnahmen ergreift».
Bei diesem Punkt kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es braucht viel Vorstellungskraft, dass der Ständerat als Vertretung der Kantone diesen die finanziellen Mittel etwa bei der Bundessteuer oder beim Finanzausgleich kürzt. Der Föderalismus verschafft den Kantonen eine enorme Vetomacht, etwa mit einem eigenen Referendum.
Ihr Widerstand gegen das Entlastungspaket ist deshalb nicht zu unterschätzen, was der Bundesrat mit dem Schreiben vom Mittwoch faktisch anerkennt. Keller-Sutters Sparübung war von Anfang an absturzgefährdet, auch und gerade wegen der Bündelung in einem Gesamtpaket. Gibt es mit den Kantonen keine Einigung, ist das Sparpaket so gut wie tot.
Aber auf keinen Fall bei den Bauern, wir wollen ja nicht die SVP verärgern.
Ich liebe meine Landesregierung!