Schweiz
Bundesrat

Keller-Sutters Entlastungspaket: Die Kantone leisten Widerstand

Bundesraetin Karin Keller-Sutter, Mitte, spricht neben Bundesrat Albert Roesti, links, und Bundesraetin Elisabeth Baume-Schneider, rechts, an einer Medienkonferenz zum Entlastungsprogramm fuer den Bun ...
Karin Keller-Sutter präsentierte das Entlastungspaket im September zusammen mit Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider.Bild: keystone

Keller-Sutters Sparpaket ist so gut wie tot

Das Entlastungspaket von Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) wird von den Kantonen hart kritisiert. Nun bemüht sie sich um Schadensbegrenzung, doch das dürfte wenig nützen.
17.04.2025, 13:4517.04.2025, 16:31
Mehr «Schweiz»

Das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen ist gerade ziemlich gestört. Weshalb sich der Bundesrat zu einem eher ungewöhnlichen Schritt entschloss. Nach seiner Sitzung vom Mittwoch veröffentlichte er ein Schreiben an die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), das sich wie ein Friedensangebot und gleichzeitig wie eine Ermahnung liest.

Unterzeichnet wurde es von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundeskanzler Viktor Rossi. Konkret geht es wieder einmal um das liebe Geld. Dabei geht es der Schweiz blendend. Als «Konzern» hätte der Bund 2024 einen Gewinn von 11,3 Milliarden Franken verbucht, wie die ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Gesamtrechnung zeigt.

In der Kuppelhalle in der Mitte des Bundeshauses in Bern befindet sich eine Glaskuppel, welche die Schweizer Wappen zeigt, aufgenommen im Juli 2003. Die Wappen der 22 Kantone sind vom Wahlspruch &quot ...
Die Kuppelhalle im Bundeshaus zeigt die Bedeutung der Kantone.Bild: KEYSTONE PARLAMENTSDIENSTE

Dafür verantwortlich sind die positiven Anlageergebnisse der Sozialversicherungen. Im eigentlichen Bundeshaushalt drohen happige Defizite, wie Finanzministerin Keller-Sutter unermüdlich warnt, vor allem wegen Mehrausgaben für AHV und Armee. Sie hat deshalb im letzten Herbst ein Sparpaket präsentiert und Ende Januar in die Vernehmlassung geschickt.

Umstrittene Vorschläge

Es basiert auf den Kürzungsvorschlägen der Expertengruppe, die von Serge Gaillard geleitet wurde, ehemals Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung und in einem früheren Leben Chefökonom des Gewerkschaftsbunds. Sie standen von Anfang an unter keinem guten Stern und wurden von links und teilweise auch von rechts ungnädig aufgenommen.

Dennoch präsentierte Keller-Sutter im September 2024 ein Bündel von Sparvorschlägen, das mittlerweile die Bezeichnung Entlastungspaket 2027 (EP27) erhalten hat. Auf Streichungen bei Armee und Landwirtschaft verzichtete die FDP-Bundesrätin, wohl um die Bürgerlichen an Bord zu holen. Dafür legte sie sich mit einem anderen mächtigen Gegner an: den Kantonen.

Kantone sollen für Kitas zahlen

Sie sollten einen Teil der Einsparungen schultern, darunter den mit Abstand grössten Posten im EP27, die Bundesbeiträge an die Kinderbetreuung von 900 Millionen Franken. Und dies trotz der im Parlament hängigen, von einer Mitte-links-Allianz eingereichten Kita-Initiative. Auch eine Kürzung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer steht zur Disposition.

Den Kantonen stiessen diese Vorschläge sauer auf. Sie hätten «nicht einfach Geld wie Heu», betonte der Aargauer Finanzdirektor und KdK-Präsident Markus Dieth (Mitte) in einer Mitteilung. Am 14. März doppelten die Regierungsräte an einer Medienkonferenz nach. Dabei forderten sie eine Überarbeitung des bundesrätlichen Sparprogramms.

«Äusserst unbefriedigend»

Markus Dieth kritisierte «das einseitige Vorgehen des Bundesrats». Die Kantone hätten im Herbst 2024 ihre Bereitschaft signalisiert, die sie betreffenden Massnahmen gemeinsam mit dem Bund zu konkretisieren. Doch der Bundesrat sei «nicht darauf eingegangen». Das Entlastungspaket 2027 sei für die Kantonsregierungen deshalb «äusserst unbefriedigend».

Die Kritik fällt entsprechend gepfeffert aus: «Die Sparvorschläge des Bundesrats unterlaufen gemeinsam definierte Ziele von Bund und Kantonen, gefährden die Innovationsfähigkeit der Schweiz, verlagern Kosten einfach auf die Kantone und stellen kürzliche Volksentscheide infrage.» Ausserdem würden sie in den nationalen Finanzausgleich eingreifen.

Bundesrat offen für Vorschläge

Die Reaktion des Bundesrats vom Mittwoch lässt sich folglich als Schadensbegrenzung interpretieren. So betont er die Bereitschaft, «nach der Vernehmlassung mit den Kantonen über die nächsten Schritte des Entlastungspakets zu diskutieren». Es liest sich wie ein indirektes Eingeständnis, dass man die Bedenken der Kantone zu wenig berücksichtigt hat.

Regierungsrat Markus Dieth (AG), Praesident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), Mitte, Staatsr�tin Florence Nater (NE), Vizepraesidentin KdK, hinten, und Regierungsrat Urs Janett (UR), Vorstan ...
Die Regierungsräte Florence Nater (Neuenburg), Markus Dieth (Aargau) und Urs Janett (Uri) kritisierten das Sparprogramm am 14. März deutlich.Bild: keystone

«Der Bundesrat ist gerne bereit, Alternativvorschläge der Kantone zu prüfen», heisst es. Keller-Sutter und Rossi erinnern die KdK aber auch daran, dass rund 30 Prozent der Bundesausgaben den Kantonen zugutekommen. Es sei unvermeidlich, «dass verschiedene Massnahmen des EP27 auch die Kantone betreffen», wird mit mahnenden Worten betont.

Rabiate Massnahmen?

Die Vernehmlassungsfrist endet am 5. Mai. Bis dann sollen die Kantone dem Bundesrat «einen konsolidierten, schriftlichen Vorschlag» unterbreiten. Die SP zeigt sich über den Widerstand der Kantone erfreut. «Der Bundesrat muss das unnötige Kürzungsprogramm umgehend stoppen», lässt sich Co-Präsidentin Mattea Meyer in einer Mitteilung zitieren.

Die FDP hingegen verteidigt das Sparpaket ihrer Finanzministerin und verlangt, dass es «integral umgesetzt wird». Der Widerstand der Kantone kommt da ungelegen. Sie würden sich «zu ganz normalen Lobbyisten» degradieren, kommentierte die NZZ verärgert. Es könne so weit kommen, dass «das Parlament in finanzieller Not rabiate Massnahmen ergreift».

Bei diesem Punkt kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es braucht viel Vorstellungskraft, dass der Ständerat als Vertretung der Kantone diesen die finanziellen Mittel etwa bei der Bundessteuer oder beim Finanzausgleich kürzt. Der Föderalismus verschafft den Kantonen eine enorme Vetomacht, etwa mit einem eigenen Referendum.

Ihr Widerstand gegen das Entlastungspaket ist deshalb nicht zu unterschätzen, was der Bundesrat mit dem Schreiben vom Mittwoch faktisch anerkennt. Keller-Sutters Sparübung war von Anfang an absturzgefährdet, auch und gerade wegen der Bündelung in einem Gesamtpaket. Gibt es mit den Kantonen keine Einigung, ist das Sparpaket so gut wie tot.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Sparen like a Pro: Diese 23 Leute machen es vor
1 / 25
Sparen like a Pro: Diese 23 Leute machen es vor
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Mehr als 10'000 Franken wären okay» – So denken Studierende über höhere Studiengebühren
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
203 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
AnonBlue
17.04.2025 14:05registriert Oktober 2023
Dabei müsste man gerade bei der Landwirtschaft sparen. Trotz extrem hoher Subventionen ist die Schweiz nicht mal in der NÄHE von einem Staat, der sich selbst versorgen kann...
19724
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fritz Spitz
17.04.2025 14:08registriert Juli 2014
Man sagt in der Krise soll man investieren, nicht sparen. Deutschland macht es vor wie es laufen sollte. Aber hier hat man das irgendwie verpennt. Es braucht massive Investitionen, vor allem in die Infrastruktur, Bildung und gegen die bevorstehende Klimakrise.
16024
Melden
Zum Kommentar
avatar
Silberstreif
17.04.2025 15:08registriert August 2022
Sparen nach KKS = ein andere soll zahlen. Momol super Sparprogramm..
Aber auf keinen Fall bei den Bauern, wir wollen ja nicht die SVP verärgern.
Ich liebe meine Landesregierung!
793
Melden
Zum Kommentar
203
    Nach Schussabgaben und Drohungen in Brugg AG: Drei Männer verhaftet

    Nach Schüssen, Drohungen und einem Autounfall am vergangenen Wochenende in Brugg AG befinden sich drei Männer in Untersuchungshaft: Alle Vorfälle stehen im Zusammenhang mit einer gewaltsam ausgetragenen Fehde.

    Zur Story