Schweiz
Justiz

Familie Hinduja in Genf: Frauen wie Leibeigene gehalten

epa11078855 Yael Hayat (L) and Robert Assael (R), lawyers of the accused, arrive at the court house with their clients Ajay Hinduja (2-R) and his wife Namrata (2-L) of the Hinduja Indian billionaire f ...
Yael Hayat (2. von links) und Robert Assael (rechts), die Anwälte der Angeklagten, mit ihren Mandanten Ajay Hinduja (2. von rechts) und seiner Frau Namrata (links) von der indischen Milliardärsfamilie Hinduja, die des Menschenhandels und des Wuchers angeklagt sind.Bild: keystone

Menschen wie Leibeigene gehalten: Schwere Vorwürfe gegen Milliardärs-Clan in Genf

In Cologny bei Genf soll sich über zwei Jahrzehnte Grausames zugetragen haben: Eine der reichsten Familien in der Schweiz muss sich gegen den Vorwurf des Menschenhandels in der Form von Ausbeutung ihrer Hausangestellten verantworten.
25.01.2024, 05:5925.01.2024, 21:11
Mehr «Schweiz»

Am Donnerstag wird der Familie Hinduja in Genf der Prozess gemacht. Laut Anklageschrift soll die Familie fast 19 Jahre lang Hausangestellte aus Indien rekrutiert und sie in ihrer Villa unter unwürdigen Bedingungen bei sich arbeiten lassen haben.

Eigentlich hätte der Prozess bereits im Herbst 2023 stattfinden sollen. Doch er wurde aufgrund von Ausstandsgesuchen der Familie gegen Staatsanwälte, Polizisten, Richter sowie die leitende Richterin verschoben. Neuer Termin war der 15. Januar. Doch wegen Fernbleibens der Angeklagten, die medizinische Zeugnisse einer Ärztin in Dubai geltend machten, konnte der Prozess noch immer nicht beginnen. Nun nimmt das Gericht heute Donnerstag einen neuen Anlauf.

Darum geht es:

Die Familie Hinduja

Vor Gericht verantworten müssen sich Prakash Hinduja, seine Frau, sein Sohn sowie seine Schwiegertochter. Für sie alle gilt die Unschuldsvermutung. Prakash Hinduja ist schweizerisch-indischer Doppelbürger. Dem 78-Jährigen und seinen drei Brüdern gehört die Hinduja-Gruppe, die weltweit tätig ist und mehrere zehntausend Angestellte beschäftigt. Der Mischkonzern ist in zahlreichen, ziemlich unterschiedlichen Branchen tätig: Finanzindustrie, Ölindustrie, Filmbranche sowie im Telekommunikationsbereich.

Gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» beläuft sich das Vermögen alleine von Prakash Hinduja auf etwa 9 bis 10 Milliarden Franken. Er und seine Frau, sein Sohn und die Schwiegertochter leben in einer Villa in Cologny, eine mit vielen weiteren Villen besetzte Gemeinde am Genfer See.

Die Anklage

2017 tauchten erstmals Vorwürfe gegen Prakash Hinduja und seine Familie auf. Seither ermittelte die Staatsanwaltschaft, 2023 brachte sie die Anschuldigungen schliesslich zur Anklage. Die Vorwürfe sind heftig: Die Familie soll seit Ende der 90er-Jahre Dutzende Menschen aus ihrem Heimatland Indien in die Schweiz geschleust haben und sie systematisch eingesperrt und wie Leibeigene gehalten haben. Dafür soll ihnen ihr Pass entwendet worden sein, nachdem sie mit einem Touristenvisum in die Schweiz eingereist waren. Meistens stammten die Angestellten aus ärmlichen Verhältnissen.

Bereits 2007 muss das (ältere) Ehepaar Hinduja 10’000 Franken Busse bezahlen. Der Grund: Keine Aufenthaltsbewilligung für die Hausangestellten, Zahlung von zu tiefen Löhnen und Ausbleiben von Sozialleistungen sowie der Quellensteuer.

Drei Klägerinnen sagen ab Donnerstag gegen die Familie Hinduja aus. Dazu gekommen ist es nicht zuletzt, da eine Angestellte sich 2017 zur Flucht entschied. Unter dem Vorwand, während ihrer Ferientage zurück nach Indien zu reisen, liess sie sich vom Chauffeur der Familie an den Flughafen fahren. Dort gab sie vor, ein Flugzeug zu besteigen, begab sich aber zu einer Bekannten in Genf, die ihr Unterschlupf gewährte. Dort erstattete sie bei der Genfer Justiz Strafanzeige gegen die Familie Hinduja.

Allerdings: Zu diesem Zeitpunkt liess die Genfer Staatsanwaltschaft das Anwesen der Hindujas bereits während eines Jahres mit einer Videokamera überwachen – wohl um Beweise zu sammeln, wie der «Tagesanzeiger» schreibt.

Die Vorwürfe

Gemäss Anklageschrift mussten die Angestellten von frühmorgens bis kurz vor Mitternacht arbeiten, Überstunden wurden nicht kompensiert. Einige der Angestellten hätten im Luftschutzraum schlafen müssen. Ihnen wurde ein Monatslohn zwischen 110 und 400 Franken ausgezahlt – der Mindestlohn im Kanton Genf liegt seit 2018 bei 4700 Franken. Ihr seien zwei bis vier Wochen Ferien im Jahr zugestanden, so eine der drei Angeklagten – allerdings unbezahlt. Und: Es war die Familie Hinduja, welche den Zeitpunkt der Ferien bestimmte. Zudem sei den Angestellten nur ein Mindestmass an Essen zugestanden, das aber schlechte Qualität hatte.

Gemäss der genannten Klägerin, soll es bei ihr ausserdem im Verlaufe der Zeit zu Beschwerden gekommen sein. Die Spitalkosten seien ihr aber vom Lohn abgezogen worden und während der halbjährigen Reha erhielt sie gar keine Vergütung.

Die Familie Hinduja wird auf entgangene Lohnsummen von mehreren Hunderttausend Franken verklagt. Die Familie habe sich mit der Ausbeutung der Angestellten mit insgesamt 3,5 Millionen Franken bereichert, schreibt die Staatsanwaltschaft.

Das sagt die Familie Hinduja

Gemäss «Tagesanzeiger» haben Herr und Frau Hinduja nach Absprachen mit ihren Anwälten anerkannt, «das geltende Arbeitsrecht verletzt, keine Sozialleistungen bezahlt und keine Arbeitsbewilligungen erwirkt zu haben.» Sie hätten deshalb eingewilligt, «jede Klägerin und jeden Kläger mit 25’000 Franken zu entschädigen.» Dies dürfte ein Grund sein, weshalb drei von insgesamt sechs Anklägern ihre Anklage bereits wieder zurückgezogen haben.

Im Januar 2023 sagte die Familie gegenüber der «NZZ am Sonntag» allerdings, bezüglich Arbeitsausbeutung betreibe die Staatsanwaltschaft «Exzesse», die Kläger seien lediglich auf «finanziellen Gewinn» aus. Die Angestellten seien jederzeit frei gewesen und «konnten tun und lassen, was sie wollten», so die Hindujas im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag». (lak)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
123 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
So oder so
25.01.2024 06:20registriert Januar 2020
Die haben Milliarden und gehen so mit denn Angestellten um ? Die sind so was von Kaputt.
3492
Melden
Zum Kommentar
avatar
ELMatador
25.01.2024 06:31registriert Februar 2020
Ist nicht das erste mal und vermutlich nicht das letzte, dass ausländische Würdenträger und Reiche sich nicht nur nicht an Schweizer Gesetze halten sondern auch die Menschenrechte mit Füssen treten.

Und dass sind die Immigranten die im Gegensatz zu den Arbeitern von der SVP und FDP erwünscht und mit jahrelangen Pauschalbesteuerung beschenkt werden. Wo sind jetzt die, die nach einer Ausbürgerung und Abschaffung schreien? „Waren ja nur Hausangestellte“….

Die eigene Privatbank und der Schweizer Pass wurden sicherlich aufgebaut um Steuern in Indien zu hintergehen.
26514
Melden
Zum Kommentar
avatar
ingmarbergman
25.01.2024 06:35registriert August 2017
Milliardäre darf es nicht gehen, solange am unteren Ende Menschen gibt denen es schlecht geht.
Darum: Steuern für Milliardäre hoch!

Wobei…hier geht es ja um Kriminelle. Einbuchten. Alles Geld beschlagnahmen. Fertig.
25721
Melden
Zum Kommentar
123
Das Edelweiss ist weg: So verkauft sich die Schweiz neu der Welt
Die Marketingorganisation Schweiz Tourismus gibt sich einen neuen Anstrich. Die bisherige «Goldblume» - ein Edelweiss mit Schweizer Kreuz - hat ausgedient. Mit dem neuen Auftritt sollen die «Moderne, Vielfalt und Eigenständigkeit» des Landes betont werden.

Seit 1995 ist das goldene Edelweiss mit dem Schweizer Kreuz das Markenzeichen von Schweiz Tourismus. Nun reisst die Organisation die Pflanze aus. Denn nach knapp dreissig Jahren seien die Anforderungen an eine Marke «total anders», schreibt die Organisation in einer Mitteilung.

Zur Story