Laut Anklageschrift ereignete sich die Tat in der Nacht auf Sonntag, 25. September 2022. Shqiponja und ihr Ehemann, Afrim T., sollen gegen 1 Uhr zu Bett gegangen sein. Zwei Stunden später sei der Ehemann in einem leeren Bett aufgewacht, Shqiponja duschte in der Badewanne. Auf dem Lavabo lag ihr Handy, welches der Angeklagte an sich nahm. Er fand darauf intime Bilder von ihr und einem anderen Mann.
Ab diesem Moment eskalierte die Situation: Die Frau habe vom Mann das Handy zurückgefordert. Im daraus entstehenden Gerangel seien beide in die teils mit Wasser gefüllte Badewanne gefallen. Dort soll Shqiponja um ihr Leben gekämpft haben – vergebens. Ihr Mann soll sie mehrmals unter Wasser gedrückt und dabei gewürgt haben. Bis sie sich nicht mehr regte.
Nach ihrem Tod habe er versucht, es wie einen Suizid aussehen zu lassen, heisst es in der Anklageschrift weiter. Er habe einen Föhn in die Badewanne geworfen, die Tür von aussen verschlossen und den Schlüssel unter der Tür durchgeschoben. Für die Einsatzkräfte wirkte ihr Tod tatsächlich wie ein Suizid, doch nach Untersuchungen der Rechtsmedizin war klar, dass Fremdeinwirkung im Spiel gewesen sein musste. Einen Tag nach dem Fund der Leiche wurde der Ehemann verhaftet und gab zu, für den Tod seiner Frau verantwortlich zu sein.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten eine besonders skrupellose Vorgehensweise vor. In der Anklageschrift heisst es:
Die Staatsanwaltschaft fordert 18 Jahre Haft wegen Mordes.
Afrim T. und Shqiponja sollen sich 2003 kennengelernt haben, schreibt «Blick» und beruft sich auf die bei Prozessbeginn veröffentlichte Anklageschrift. Sie wohnten gemeinsam in einem Haus mit ihren beiden Kindern. Während das Opfer als bekannte Ökonomin arbeitete, betreute der Vater zu Hause die Kinder.
Ab Frühling 2022 soll der Angeklagte immer eifersüchtiger geworden sein und den Verdacht gehegt haben, dass ein anderer Mann im Spiel sei. Shqiponja habe dies immer abgestritten und soll den Beschuldigten am Tag vor der Tat aufgefordert haben, mit dem Lesen ihrer Nachrichten aufzuhören. Sie soll zudem angekündigt haben, sich eine eigene Wohnung suchen zu wollen.
Laut Aussagen der ersten Zeugin am ersten Prozesstag soll es in der Ehe schon länger gekriselt haben. Das spätere Todesopfer soll der Zeugin – eine ihr vertraute Person – erzählt haben, dass ihr Mann sie betrogen habe. Schon seit Jahren hätten sie deswegen getrennte Schlafzimmer. Im Jahr 2022 sei sie auf Drängen des Angeklagten in das gemeinsame Schlafzimmer zurückgekehrt, ohne aber intim zu werden.
Die Frau soll gemäss der Zeugin keine Beziehung mit ihrem Mann mehr gewollt haben. Dieser sei extrem eifersüchtig gewesen, habe seiner Ehefrau nachtelefoniert und ihr Handy geortet. Dass das ganze Haus von Videokameras überwacht worden sei, habe sie nicht gewusst. Dennoch betonte sie:
Von einer ausserehelichen Beziehung habe die Zeugin gemäss eigenen Angaben nichts gewusst und hätte sich dies auch nicht vorstellen können, schreibt «Blick» weiter. Ein weiterer Zeuge sagte am Montag aus, dass das Opfer mit einem Mann in Kontakt gewesen sei, was genau gelaufen sei, habe er aber nicht gewusst.
Weitere am ersten Prozesstag befragte Zeuginnen und Zeugen wussten weder von einer ausserehelichen Beziehung der Frau noch von den Kontrollen des Angeklagten. Die meisten kannten ihn nur flüchtig.
Der Bruder des Opfers schien ihn hingegen besser zu kennen. Er sagte, er habe schon vor der Tat Mühe gehabt mit dem Charakter seines Schwagers. Über die getötete Schwester sagte er: «Sie war ein Stern für uns. Ein optimistischer Mensch.» Aus den Aussagen der Angehörigen des Opfers ging ausserdem hervor, dass dem Vater das Sorgerecht für die Söhne entzogen worden sei und sie jetzt an einem guten Ort seien.
Zum Auftakt des zweiten Prozesstages wurde die Schwester des Beschuldigten als Zeugin befragt. Die beiden Familien seien gut miteinander ausgekommen. Man habe sich häufig getroffen, schon wegen der Kinder. Sie und ihre Schwägerin hätten vieles gemeinsam unternommen.
Nach der Tat sei der Kontakt der Familien abgebrochen. Zur Beerdigung des Opfers seien die Angehörigen des Beschuldigten nicht erwünscht gewesen. Vor ein paar Monaten sei sie von einem Mitglied der Opferfamilie telefonisch einer Mitschuld bezichtigt und beschimpft worden.
Auch ihr Verhältnis zum Bruder sei seit der Tat ein anderes – «aber er ist doch immer noch mein Bruder». Vor der Tat habe sie keine Veränderung an ihm festgestellt. Über dessen Beziehung mit seiner Ehefrau habe sie weder mit ihm noch mit der Schwägerin je gesprochen. Das sei einfach kein Thema gewesen.
Noch bei einem Treffen zwei Wochen vor der Tat habe sie den Eindruck gehabt, die beiden hätten es gut zusammen. Nach der Tat habe sie sich Vorwürfe gemacht, weil sie nichts von Problemen bemerkt habe.
Bei jenem Treffen habe die Schwägerin ihr gesagt, sie wolle beruflich eine Auszeit nehmen, sie sei übermüdet. Auch darüber habe sie mit ihrem Bruder jedoch nicht gross gesprochen.
Am zweiten Prozesstag wird ein Rechtsanwalt befragt. Dieser sei am 8. September 2022 vom Beschuldigten betreffend einer Beurkundung befragt worden, schreibt «Blick». Für das Paar habe er daraufhin einen Erb- und Ehevertrag ausgearbeitet. Am 22. September 2022, drei Tage vor dem Tod der Ehefrau, habe er diesen beurkundet.
Bei einem Suizid hätte der Beschuldigte durch einen Erbvertrag und andere Vorsorgeaufträge mindestens 1,8 Millionen Franken erhalten. Wie der Rechtsanwalt aussagt, sei das für ihn ein absolut normales Geschäft gewesen. Es sei ihm nichts aufgefallen, was auf die Tat hätte hindeuten können.
Der Tod der erfolgreichen Wirtschaftsexpertin Shqiponja hatte die albanische Community aufgewirbelt. watson warf im Oktober 2022, wenige Wochen nach dem Vorfall, einen Blick in die sozialen Medien.
Dort liessen Albanerinnen und Albaner ihrem Unmut freien Lauf: Man solle das Thema der häuslichen Gewalt und der Gewalt an Frauen in der albanischen Gesellschaft endlich ansprechen. «Diese Frauenmorde sind nicht einfach Tragödien.»
Schuld an diesen Femiziden seien die sexistischen Strukturen in der albanischen Gesellschaft, hiess es in einem Facebook-Kommentar. «Es vergehen Tage, Wochen, Monate und Jahre – des Schweigens.» Ebendieses Schweigen nähre und halte dieses «strukturelle Monstrum» am Leben.
Das Schweigen zu durchbrechen, sei umso wichtiger im Kontext der Diaspora, wo Ausgrenzung und Rassismus diese so wichtige Debatte erschwerten und verlangsamten, hiess es in einem Kommentar auf Facebook weiter.
Auf derselben Plattform veröffentlichte die Tante der getöteten Frau einen Abschiedsbrief:
Das Urteil ist für Freitagnachmittag angekündigt.
(saw mit Material der Nachrichtenagentur SDA)
Nein, darf man nicht, weil Tabuthema.
Dass albanische Männer zuweilen ihre Männlichkeit über ihre Boliden ausleben, ist auch hinlänglich bekannt.
Auch Tabuthema.
Alles ist Tabuthema, weil donst die R - Keule hervorgeholt wird. Also, alles in Ordnung in der albanischen Diaspora.