Wie ein AHV-Rentner anderthalb Tonnen Fleisch in die Schweiz geschmuggelt haben soll
Zum ersten Mal persönlich erwischt wurde der AHV-Rentner am 19. April 2024. Als er auf der Autobahn bei Matzingen TG in Richtung St. Gallen von der Polizei angehalten wurde, hatte er rund 250 Kilogramm Frischfleisch im Auto. Einen Führerausweis hatte der Thurgauer nicht, der war ihm entzogen worden. Nach einer polizeilichen Befragung und der Sicherstellung seines iPhones liess man den Mann laufen.
Solche Details sind nachzulesen in einer ganzen Reihe von Beschwerdeentscheiden des Bundesstrafgerichts. Immer wieder wehrt sich der Schmuggler-Rentner gegen Verfahrenshandlungen des Bundesamts für Zoll und Grenzschutz (BAZG), das wegen Verstössen gegen das Zoll- und Mehrwertsteuergesetz gegen ihn ermittelt.
Dass der Rentner Mitte April 2024 angehalten wurde, war wohl kein Zufall. Denn am 6. April 2024 hatten BAZG-Mitarbeitende einen Kühltransporter mit 377,5 Kilogramm Frischfleisch ohne Zollanmeldung erwischt. Der Fahrer gab an, er sei im Auftrag des Rentners unterwegs, für den er bereits wiederholt Fleischtransporte durchgeführt habe. Es zeigte sich: Der Kühltransporter gehörte zu einer Firma des Pensionärs.
Dieser war damals offenbar in den Ferien: Der ertappte Fahrer gab an, dieser halte sich gerade in Thailand auf.
Schon am 29. April 2024 ging der aktive Rentner den Behörden ein zweites Mal persönlich ins Netz. Bei Diessenhofen reiste er aus Deutschland in die Schweiz ein. Als er die Zöllner sah, bog er «ruckartig und ohne zu blinken in eine Seitenstrasse ab». So schilderte es der Zoll einige Tage später in einer Mitteilung. 97,1 Kilogramm Kalbfleisch und 109 Kilogramm Roastbeef fanden die Zöllner diesmal im Auto des Thurgauers. Ungekühlt, unter einer Plane versteckt. Wieder war er ohne Führerausweis unterwegs. Mit dabei hatte er eine gefälschte Parkkarte für gehbehinderte Personen sowie rund 2000 Franken in bar.
Das hinderte ihn nicht daran, weiterhin seinem Schmuggelgewerbe nachzugehen. Am 5. Juni 2025 ging er den Behörden ein drittes Mal höchstselbst ins Netz – diesmal in Basel, nachdem er in Riehen in die Schweiz eingereist war. Nun nicht als Fahrer, sondern als Beifahrer im Lieferwagen. Hinten im Transporter fanden die Behörden 779 Kilogramm Frischfleisch im Wert von 8196 Euro. Ohne Zollanmeldung und Einfuhrbewilligung. Dafür lag im Fahrzeug, neben mehreren hundert Franken und Euro in bar, ein Lieferschein, der besagte, dass das Fleisch für die Firma des Rentners bestimmt war.
Die Behörden werfen dem Rentner vor, gewerbs- und gewohnheitsmässig Frischfleisch illegal in die Schweiz einzuführen. Er habe die Schmuggelware «im Zollinland an gewerbliche Abnehmer verkauft oder verkaufen lassen». Die Beweise scheinen erdrückend, es geht um mehr als anderthalb Tonnen Schmuggelfleisch.
Ruinierte der Zoll sein (Schmuggel-)Geschäft?
Doch der verheiratete Mann stellt sich als mausarm und als Opfer des BAZG dar. Seine AHV-Rente liege unter dem Existenzminimum, Vermögenswerte habe er keine: Das gab der Fleischschmuggler zu Protokoll, als er sich vor Gericht unter anderem über die Beschlagnahme von Bargeld beschwerte. Er habe kein Zolldelikt begangen, sei gar nicht im Ausland gewesen. An anderer Stelle sagte er laut Bundesstrafgericht, er sei «einkommens- und mittellos, weil das BAZG sein Geschäft zerstört habe und er nichts mehr verdiene. Weiter verlangte er unentgeltliche Rechtspflege. Er blitzte allerdings bisher mit allen Beschwerden ab, handelte sich Gerichtsgebühren von rund 10'000 Franken ein. Irgendwann schmiss sein Zürcher Anwalt den Bettel hin.
Gerade kooperativ ist der angeblich arme Mann nicht. Verbissen widersetzte er sich etwa der Auswertung seiner Mobiltelefone. So rückte der Schmuggel-Unternehmer die Sperrcodes der zwei iPhones nicht heraus, die bei ihm sichergestellt wurden. Das Bundesamt für Polizei versuchte, die Daten zu extrahieren und auszuwerten, was aber nicht gelang: Die Sicherheitsmechanismen neuer Mobiltelefone führten dazu, dass die Umgehung der Zugangssicherung in gewissen Fällen technisch unmöglich sei, heisst es in einem Entscheid.
So bleibt unklar, was der unternehmerische Schmuggel-Rentner sonst noch alles auf dem Gewissen hat. Es gilt die Unschuldsvermutung. (aargauerzeitung.ch)
