Nach dem tödlichen Unfall eines Lernenden beim Seilbahnunterhalt im Winter 2022 in Laax, Graubünden, hat die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Sicherheitsrisiken festgestellt. Der 17-Jährige sei zum Zeitpunkt des Unfalles nicht gegen das Abstürzen gesichert gewesen. Eine Fachkraft hätte den Arbeitsprozess begleiten sollen, nicht lediglich ein weiterer Lehrling.
Der Mechatronik-Lernende war am 19. Dezember 2022 auf einer Stütze der Luftseilbahn Laax Crap Sogn Gion vom Laufwerk einer Kabine erfasst worden. Er prallte zuerst auf die Kabine und stürzte anschliessend rund 40 Meter in die Tiefe und starb.
Folgende Faktoren hätten zum Unfall beim Seilbahnunternehmen Weisse Arena Bergbahnen AG (BFL) beigetragen: Das Ausführen von Arbeiten auf der Seilbahnstütze bei laufendem Betrieb ohne einen zuverlässigen Warnprozess vor der Durchfahrt der Seilbahnkabine und der Umstand, dass der Lernende in diesem Moment die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz nicht nutzte. Zu dieser Erkenntnis kam die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) in ihrem am Dienstag veröffentlichten Schlussbericht.
Die Untersuchung habe zudem Faktoren ermittelt, die die Entstehung und den Verlauf des Unfalles zwar nicht beeinflusst hätten, die aber dennoch ein Sicherheitsrisiko darstellen können. Dazu gehöre das Fehlen einer wirksamen Überwachung des Lernenden durch eine erfahrene Fachkraft bei der Ausführung von gefährlichen Arbeiten. Die Begleitung und Überwachung des Lernenden durch eine Fachkraft wäre organisatorisch möglich gewesen, hiess es im Bericht.
Dem anwesenden zweiten Lernenden implizit eine Überwachungsfunktion über den verstorbenen Lernenden zu übertragen, sei nicht angemessen gewesen. Zudem habe unter anderem eine vom Berufsbildner unterzeichnete, vollständige Lerndokumentation nicht vorgelegt werden können. Eine Dokumentation über die Vermittlung der für das Ausführen von gefährlichen Arbeiten erforderlichen Präventionsthemen seitens der Weisse Arena Bergbahnen AG (BFL) habe ebenfalls gefehlt.
Als einen der Sicherheitshinweise an die BFL nennt die Sust, dass die BFL den Einsatz von Jugendlichen in der beruflichen Grundbildung so planen und durchführen soll, dass bei gefährlichen Arbeiten eine wirksame Überwachung durch eine Fachkraft sichergestellt werde.
Als zweiten Faktor ortet die Sust das Abweichen von Sonderschutzvorschriften des Arbeitsgesetzes für jugendliche Arbeitnehmer hinsichtlich der Höchstarbeitszeit und der Mindestruhezeit.
Im Verlauf des Novembers 2022 hatte der Lernende laut Sust die für jugendliche Arbeitnehmer zulässige Höchstarbeitszeit von 9 Stunden mehrmals über- und die Mindestruhezeit von 12 Stunden einmal unterschritten. Für den Dezember 2022 seien aber keine Abweichungen zu den Arbeitszeit-Regelungen festgestellt worden.
Zweck der Sonderschutzvorschriften des Arbeitsgesetzes für jugendliche Arbeitnehmer sei es jedoch, die Jugendlichen in dieser besonderen Situation vor Überforderung, Überanstrengung und deren Folgerisiken zu schützen, hiess es weiter.
Die Bündner Staatsanwaltschaft eröffnete nach dem tödlichen Unfall in Laax ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, hiess es am Dienstag auf Anfrage von Keystone-SDA. Man könne keine näheren Angaben machen, wann dies der Fall sein werde.
Zwei Personen des Bergbahnbetriebs waren beschuldigt worden. Dabei handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um Personen, die bereits bei einem anderen Vorfall derselben Seilbahn verurteilt wurden.
Bei diesem Vorfall im Januar 2022, bei dem eine Frau verletzt wurde, war ein Verfahren wegen «Beseitigung oder Nichtanbringung von Sicherheitsvorrichtungen» gegen vier Mitarbeitende desselben Betriebes eingeleitet worden.
Damals verunfallte eine Gondel derselben Seilbahn, weil offenbar zu schwere Lasten angehängt worden waren. Diese streiften während der Fahrt den Boden. Der Gondelführer bremste die Gondel daraufhin sofort. Einige Passagiere stürzten dabei. Eine Frau verletzte sich leicht am Finger. Gegen vier Bergbahn-Angestellte eröffnete die Bündner Staatsanwaltschaft 2022 dazu ein Strafverfahren.
Gegen die vier verantwortlichen Personen der Bergbahnen wurden Ende März bis Anfang April 2024 Strafbefehle erlassen. Zwei von ihnen wurden wegen «Beseitigung oder Nichtanbringung von Sicherheitsvorrichtungen» verurteilt. Alle vier wurden zudem wegen «fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs» bestraft. Alle vier erhielten Geldstrafen; Freiheitsstrafen wurden keine gesprochen. (sda)