Am Bezirksgericht Brugg steht diese Woche nur eine Verhandlung an – allerdings eine happige. Angeklagt ist ein Elektroingenieur aus Hendschiken. Der 62-Jährige wird beschuldigt, mehrere Frauen bewusstlos gemacht, gequält und sexuell missbraucht zu haben. Publik wurden seine mutmasslichen Taten vor drei Jahren – wegen eines Wasserschadens.
Am 22. März 2014 wurde in Hausen die Feuerwehr zu einem Wasserschaden in einem Lagerhaus gerufen. Die Einsatzkräfte entdeckten dabei eine Indoor-Hanfplantage mit 650 Pflanzen. Diese gehörte dem geschiedenen Familienvater. Mit dem Verkauf des Marihuanas soll er in den Monaten zuvor über 100'000 Franken verdient haben.
Weil er seine Anlage mit einem Alarm gesichert hatte, wollte auch er sofort zum Rechten sehen, erschien bald am Schadenplatz – und wurde von der Polizei sogleich verhaftet. Danach durchsuchten die Ermittler die Wohnung des Mannes in Hendschiken. Und stellten dabei fest, dass er zusätzlich in Dottikon auf einem Firmenareal ein Kellerabteil angemietet hatte.
Bei einem Augenschein stiessen die Polizisten auf eine «Kammer des Schreckens», wie der «Blick» im Sommer 2014 schrieb. Hinter einem abschliessbaren Gitter gab es Licht, ein Bett, eine Videokamera, einen Fernseher. Die Fahnder beschlagnahmten diverse Tabletten und Videoaufnahmen. Bei den Tabletten dürfte es sich um das starke Betäubungsmittel Rohypnol und das Potenzmittel Viagra gehandelt haben. Die Videoaufnahmen zeigen, wie der Mann sechs bewusstlose Frauen missbraucht, schlägt und quält. Er soll seine sadistischen Fantasien aufgeschrieben und dann in die Tat umgesetzt haben.
Zwei Tage nach dem Wasserschaden in der Hanfanlage kam der Beschuldigte wegen Verdunkelungs- und Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft. Dagegen wehrte er sich vor Bundesgericht, allerdings ohne Erfolg. Ein psychiatrisches Gutachten nannte «eine Reihe prognostisch ungünstiger Faktoren», die stark ausgeprägt seien und «tendenziell für ein erhebliches einschlägiges Rückfallrisiko» sprächen. Seit gut zwei Jahren befindet sich der Mann nun im vorzeitigen Strafvollzug.
Wie es in einem Bundesgerichtsurteil hiess, bestreitet der Beschuldigte «den dringenden Tatverdacht im Wesentlichen nicht». Aus einem Entscheid vom 21. Juni 2016 geht zudem hervor, wie der Mann vorgegangen war. So habe er ein Opfer in Marokko als Prostituierte kennen gelernt und die weiteren Opfer in der Schweiz über eine Dating-Plattform im Internet.
Es habe sich um Schwarzafrikanerinnen gehandelt, die auf der Suche nach einer festen Beziehung oder einem Ehemann gewesen seien. Zudem habe er bewusst Frauen in finanziell schwierigen Situationen ausgesucht. Der Beschuldigte sei jeweils ähnlich vorgegangen: Nachdem er eine Frau kennen gelernt hatte, habe er ihr Geld angeboten, damit sie eine Tablette, eine Kapsel oder einen Sirup mit Rohypnol einnahm. Was das Medikament bewirkt, erklärte er nicht. Auf Nachfragen soll er die Antwort verweigert oder die Wirkung verharmlost haben.
Einer Frau schrieb er: «Diese Pillen würden dich entspannen. Nur so kannst du Geld bekommen. Wobei es auch mehr als 2000 sein können. Wie viel, hängt von dir ab. Aber du musst schnell entscheiden. Ich bin dann weg.» Am Tag darauf schrieb er erneut: «Ich sage es dir noch einmal, Ich will dir keine Drogen geben. Die Pillen sind harmlos und nur zu meinem Vergnügen. Du musst selber wissen. Ich will einfach diesen Kick.»
Auf den Videoaufnahmen sei zu sehen, wie er sexuelle Handlungen an den sedierten Frauen vornehme. Die Opfer seien teilweise dermassen ruhiggestellt, dass sie trotz der Schmerzreize nicht aufwachten.
Als Vorwürfe im Raum stehen mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, sexuelle Nötigung, Schändung, Vergewaltigung, Gefährdung des Lebens sowie einfache qualifizierte Körperverletzung und mehrfache versuchte schwere Körperverletzung. Der Fall wird vor dem Bezirksgericht in Brugg verhandelt und wurde für Montag und Dienstag angesetzt.
Das Gericht trägt dem happigen Sachverhalt Rechnung. So werden Opfer nicht wie gewohnt im Gerichtssaal befragt, sondern in einem separaten Raum mittels Videoübertragung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit inklusive Medien. (aargauerzeitung.ch)