Wird eine Vorlage aus verschiedenen ideologischen Lagern bekämpft, bedeutet dies in der Regel wenig Gutes. Das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF), über das am 19. Mai abgestimmt wird, kommt von rechtsliberaler und linksgrüner Seite und auch aus der politischen Mitte unter Beschuss. Damit müsste die Monstervorlage auf der Kippe stehen.
Die STAF aber hat gute Chancen, die Volksabstimmung in knapp zwei Wochen zu überstehen. In der zweiten Tamedia-Umfrage sagten 62 Prozent Ja und nur 32 Prozent Nein. In der ersten SRG-Trendumfrage waren die Verhältnisse weniger deutlich, der Trend geht aber auch dort zum Ja.
Warum können sich die Gegner nicht durchsetzen? Ein Grund ist das fehlende Geld. Sie können oder wollen keine sichtbare Kampagne führen. Sie laborieren aber auch an inhaltlichen Schwächen. Ihre Argumente sind mehr von Wunschdenken als von Realitätssinn getrieben.
Die bürgerlichen Parteien stehen mehrheitlich hinter der STAF, ebenso die Wirtschaftsverbände. Die SVP ist gespalten und hat Stimmfreigabe beschlossen. Bürgerliche Jungparteien kritisieren in erster Linie die AHV-Finanzierung. Doch auch der Steuerteil hat Gegner im rechtsliberalen Lager. Dazu gehört Christoph Schaltegger, Professor für politische Ökonomie an der Universität Luzern.
Die Vorlage habe «wichtige Vorteile», anerkennt er im Interview mit der «Finanz und Wirtschaft». Seine Skepsis richtet sich gegen die Folgen für den nationalen Finanzausgleich (NAF). Laut Schalteggers Berechnungen verlieren elf Kantone unter dem Strich Geld, weil die Mehreinnahmen aus der Steuerreform die abnehmenden Zahlungen aus dem NAF nicht ausgleichen können.
Das Problem ist das so genannte Ressourcenpotenzial. Zieht ein Kanton potente Steuerzahler an, erhält er weniger Geld aus dem Finanzausgleich, oder er wird gar zum Geber. Das kann bei einem niedrigen Steuersatz zum Problem werden. Der Geberkanton Schwyz rutschte tief in die roten Zahlen, weil er viele vermögende Einzelpersonen angelockt, diese aber zu gering besteuert hat.
Eine Lösung müsste im NAF erfolgen, nicht mit der STAF. Sie enthält bereits Anpassungen am Finanzausgleich und wird von den Finanzdirektoren aller Kantone unterstützt, vom reichen Zug bis zum armen Jura. Auch Christoph Schaltegger räumt im Interview ein, dass eine Bereinigung über den Finanzausgleich «technisch gar nicht so schwierig» wäre. Mit einer geringeren Anrechnung der Unternehmensgewinne an die Ressourcen könnte das Problem gelöst werden.
Solche Reformen sind allerdings ein politischer Kraftakt. Erst nach jahrelangem Ringen stimmte die grosse Mehrheit der Empfänger von Ausgleichszahlungen einer Entlastung der Geberkantone zu, obwohl diese die Fakten auf ihrer Seite hatten. Im aktuellen Fall bedeutet dies, dass man von rechts auf den Sack (= STAF) haut und eigentlich den NAF-Esel meint.
Die lautstärksten Gegner der AHV-Steuervorlage kommen aus der linken Ecke, angeführt von den Grünen. Sie haben erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie beklagen, dass die Schweiz weiterhin Steuerdumping auf Kosten der armen Länder betreibt und ausserdem den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen anheizt, zu Lasten des Service Public.
«Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz entziehen den Gemeinwesen weltweit jährlich hunderte Milliarden Dollar an potentiellen Steuereinnahmen», hält etwa die entwicklungspolitische Organisation Alliance Sud fest. Der springende Punkt ist die Formulierung «wie die Schweiz». Andere Länder wie Luxemburg mischen in diesem Business ebenfalls mit.
Ein Alleingang der Schweiz würde den Entwicklungsländern nichts bringen. Die Konzerne würden einfach ausweichen. Die Vorstellung, die Schweiz könne mit einem Nein zur STAF ein Zeichen gegen die Steuerflucht setzen, grenzt an Selbstüberschätzung. Das Problem kann nur auf internationaler Ebene gelöst werden. Das linksgrüne Nein dient primär der Psychohygiene.
Gleiches gilt auch für den ungeliebten interkantonalen Steuerwettbewerb. Er muss auf einer anderen Ebene angegangen werden. Und falls die Kantone bei der Entlastung der Unternehmen zu weit gehen, kann das Stimmvolk sie stoppen, wie das in Bern geschehen ist. Die Bürgerlichen mögen darüber jammern, doch auch das gehört zur direkten Demokratie.
Die Grünliberalen stossen sich primär an der Zusatzfinanzierung von zwei Milliarden Franken für die AHV. Sie werden dabei von rechten Gegnern unterstützt. Es handle sich um eine Pseudo-Sanierung auf dem Buckel der jüngeren Generationen, wird argumentiert. Die GLP fordert eine strukturelle Reform der AHV, auch mit einem höheren Rentenalter.
Eine solche ist auch für viele STAF-Befürworter unausweichlich. Das Problem ist nur, dass seit 1995 jeder Anlauf zu einer substanziellen Rentenreform gescheitert ist, entweder schon im Parlament oder dann in der Volksabstimmung. Zuletzt «erwischte» es vor zwei Jahren die Altersvorsorge 2020. Ein neuer Anlauf benötigt Zeit und vor allem gute Nerven.
Derweil vergrössert sich die Finanzierungslücke bei der AHV laufend. Die Zusatzfinanzierung über die STAF ist kein Allheilmittel, aber sie verschafft dem bedrängten Sozialwerk ein wenig Luft. Das ist umso wichtiger, als völlig unklar ist, ob und wann eine «echte» Altersreform zustande kommt. Sie mit einem Nein zur STAF erzwingen zu wollen, ist nichts als Wunschdenken.
Natürlich haben die diversen Gegner des AHV-Steuerdeals noch andere Argumente, allen voran die Verknüpfung zweier völlig unterschiedlicher Vorlagen. Doch auch in diesem Fall gilt die Frage, wem eine Ablehnung nützt. Die STAF mag kein Meisterwerk der Gesetzgebung sein, aber angesichts der realitätsfremden Argumente der Gegner ist sie vielleicht doch das kleinere Übel.
Klima, Soziales, immer dasselbe Pseudo-Argument. Hier liegt die Wurzel des Übels, denn genau deshalb watscheln wir munter weiter auf den Abgrund zu. Wie die Lemminge.