Auf die mageren Ernten folgt ein Ausnahmejahr: Doch wohin mit all diesen Kartoffeln?
Das Wetter war nicht zu feucht, nicht zu nass, nicht zu trocken. Es war weder zu kalt noch zu heiss. Kurz: «2025 herrschten Topkonditionen für den Kartoffelanbau», sagt Christian Sohm, Geschäftsführer von Swisscofel, dem Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels. Das Resultat: «Die Produzenten konnten deutlich mehr und qualitativ hochwertige Kartoffeln ernten.»
Das schlägt sich auch in der Statistik nieder: Mit geschätzten 453’000 Tonnen fällt die Kartoffelernte deutlich grösser aus als in den Vorjahren, wie aus den neusten Zahlen der Branchenorganisation Swisspatat hervorgeht.
Die tatsächliche Gesamternte werde vermutlich sogar noch höher ausfallen, sagt Swisspatat-Geschäftsführer Christian Bucher.
Die Schwankungen im Kartoffelgeschäft sind traditionell gross. Zwischen einem guten und einem schlechten Jahr könne es Unterschiede von bis zu 30 Prozent geben, erklärt Sohm. Bauern und Händler rechneten bei der Planung mit einer Durchschnittsernte, so bestimmten sie die Grösse der Felder, die sie für die Kartoffeln einsetzen wollten. Schlechtes Wetter und Erreger wie Krautfäule könnten die Ernte aber stark reduzieren, ideales Wetter und das Ausbleiben von Krankheiten – wie in diesem Jahr – treiben die Erträge stark nach oben.
Proppenvolle Lager
Die Wehklagen der Kartoffelbauern über die zu mageren Ernten sind jedenfalls vorerst verstummt. Doch nun stellen sich neue Herausforderungen: Wohin mit all diesen Kartoffeln? Die Lager sind proppenvoll, gefüllt bis an die Decke. Rund 80'000 Tonnen Speisekartoffeln liegen dort. «Mehr geht nicht rein in die Lager», sagt Sohm. Mehr sei aber auch nicht vernünftig, denn sogar bei professioneller Lagerung könnten die Kartoffeln nicht viel länger als zehn Monate gehortet werden. Mit einer zu grossen Lagerhaltung würde das Problem der Überproduktion nur verschoben und zusätzlich verteuert.
Ein Export in Länder, wo die Not gross ist und die Nahrungsmittel knapp sind, war in der Kartoffelbranche bisher kein Thema. Sie macht jetzt, was sie immer macht, wenn die Produktion zu hoch ausfällt: Sie versucht, den Absatz mit gezielten Aktivitäten zu steigern – sie und verarbeitet die Überschüsse an Speisekartoffeln zu Tierfutter. Das sei der «übliche und sinnvolle Weg», erklärt Sohm. Das führt, so die Hoffnung der Experten, dazu, dass die hiesige Landwirtschaft kurzfristig weniger Kraftfutter importieren müsse.
Die Detailhändler planen Aktionen
Für den Abbau der übervollen Lager ist nun der Detailhandel gefragt. Dieser ist sich der Problematik durchaus bewusst, wie eine Umfrage bei den verschiedenen Unternehmen zeigt. Aldi, Lidl, Migros und Coop betonen, dass sie alle im «engen Austausch» mit den Bauern seien. Sie versprechen den Produzenten eine «bestmögliche Unterstützung», wie Lidl-Sprecherin Vanessa Meireles es formuliert. Und sie prüften verschiedene Massnahmen zur Absatzförderung. «Im Vordergrund steht dabei die Vermeidung von Food Waste, was uns ein grosses Anliegen ist», sagt Coop-Sprecherin Céline Venetz.
Ein Mittel sind Aktionen. Weitere kurzfristig angelegte Aktionen mit bis zu 50 Prozent Rabatt sind etwa bei Coop schon beschlossen, weitere Aktionen für die nächsten Wochen in Planung. Auch bei Lidl soll es «regelmässig Preisaktionen für Speisekartoffeln und Kartoffelprodukte» geben.
Sollten dennoch nicht alle Kartoffeln wegkommen, werden sie verschenkt. Bei Aldi etwa werden «unverkaufte Produkte, die kurz vor Ende ihrer Haltbarkeit stehen, aber keine Mängel in der Qualität aufweisen», an karitative und weitere Organisationen wie die «Schweizer Tafel» oder «Tischlein deck dich» gespendet.
Der Konsum beläuft sich auf 45 Kilo pro Kopf und Jahr
Die Konsumenten können sich also freuen. Sie bekommen Kartoffeln in Topqualität, aber zu tieferen Preisen. Die Aktionen des Detailhandels führten natürlich schon zu einem punktuell grösseren Absatz, sagt Swisspatat-Geschäftsführer Bucher. «Doch die Konsumenten werden kaum soviel mehr einkaufen, dass damit die hohen Ertragsschwankungen ausgeglichen werden können.» Das sei unrealistisch. Der Konsum von Kartoffeln liege seit Jahren bei rund 45 Kilo pro Kopf und Jahr.
In den vergangenen, mageren Erntejahren musste die konstante Nachfrage der hiesigen Bevölkerung mit Importen befriedigt werden. In den nächsten Monaten dürften also weniger ausländische Kartoffeln in den Supermarktregalen landen. Den Import ganz verbieten, geht jedoch nicht: Es muss jährlich ein Mindestkontingent an Import-Speisekartoffeln von 6500 Tonnen zugelassen werden. So wollen es die Abmachungen der Welthandelsorganisation (WTO). Ob diese dann wirklich ausgeschöpft werden, ist eine andere Frage.
Ein gewisser Druck ist da: Denn auch die umliegenden Länder haben viele Kartoffeln. So hat etwa das deutsche Landwirtschaftsministerium mit rund 13,4 Millionen Tonnen gar die grösste Kartoffelernte seit 25 Jahren vermeldet. Auch diese Ernte muss abgebaut werden. (aargauerzeitung.ch)
