Bananen aus Italien, Wein aus England: Wie der Klimawandel die Vegetationszonen verschiebt
Ursprünglich kommt sie aus Südostasien, mittlerweile gedeiht die Banane aber in vielen tropischen und subtropischen Regionen weltweit, im sogenannten Bananengürtel zwischen dem 38. Grad nördlicher und dem 28. Grad südlicher Breite. Dort herrschen die Bedingungen, die diese exotische Frucht benötigt: ein feuchtwarmes Klima, eine Temperatur von etwa 27 Grad, viel Sonne und eine hohe Luftfeuchtigkeit.
Italien gehört nicht zum Bananengürtel; die Stauden mit den gelben Früchten wachsen dort höchstens als Zierpflanzen. Bis jetzt zumindest – denn der schweizerisch-amerikanische Grosskonzern Chiquita will das ändern. Er plant den kommerziellen Anbau von Bananen in Sizilien, die voraussichtlich ab 2026 auf den Markt gelangen sollen. Und Bananen sind nicht die einzigen tropischen Früchte, die mittlerweile im Süden Italiens erfolgreich angebaut werden können: Avocados, Mangos, Papayas, Litschis und Passionsfrüchte Made in Italy gibt es bereits.
Mehr Rebfläche in England
Szenenwechsel. England gilt nicht gerade als klassisches Weinanbaugebiet. Zwar bauten bereits die Römer Reben auf der Insel an, und der früheste Beleg für Weingärten ist auf das Jahr 956 datiert. Doch dieser frühe Weinbau kam mit dem Ende der mittelalterlichen Warmperiode um das Jahr 1250 nahezu zum Erliegen. Erst in den 1950er-Jahren begann ein nennenswerter kommerzieller Weinbau, der im 21. Jahrhundert Fahrt aufnahm: Bis 2022 verdoppelte sich die Rebfläche innerhalb von acht Jahren.
Auch in Belgien, bisher eher bekannt als Land exquisiter Biere, wächst die Zahl der Rebberge. 2023 wurde dort so viel Wein produziert wie noch nie zuvor. Rückgängig ist hingegen die Produktion von Eiswein in Deutschland und Österreich. Eiswein ist sehr süss und wird aus Trauben gewonnen, die gefroren geerntet und gepresst werden. Dafür notwendig ist eine Temperatur von minus 7 Grad oder kälter – die in den vergangenen Wintern immer seltener erreicht wurde. Und wenn, dann immer später, während die Trauben immer früher reif werden.
Klimaerwärmung verschiebt Vegetationszonen
Gemeinsamer Treiber all der genannten Veränderungen ist der Klimawandel. Als Folge der zunehmenden Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO₂) in der Atmosphäre steigen die Temperaturen – die Jahre 2015 bis 2024 waren die wärmsten seit Beginn der Messungen. Das aktuelle Klimamittel liegt global 1,3 Grad Celsius, in der Schweiz sogar 2,9 Grad über dem vorindustriellen Durchschnitt 1871–1900. Die Erwärmung beschleunigt sich seit den 1960er-Jahren; sie ist über Land stärker als über den Ozeanen, besonders stark ist sie in den hohen Breiten der Nordhalbkugel.
Der Anstieg der Temperaturen führt dazu, dass sich die Vegetationszonen geografisch und topografisch verschieben: Jene Zonen der Pflanzenwelt, die an warme und trockene Bedingungen angepasst sind, breiten sich aus und verlagern sich in Richtung der Pole, kältere Zonen schrumpfen. Eine Erwärmung um 1 Grad Celsius verschiebt die Vegetationszonen um etwa 200 bis 300 Kilometer polwärts. In gebirgigen Regionen – beispielsweise den Alpen – verschieben sich die Grenzen der Vegetationszonen noch oben, und zwar um rund 150 bis 200 Meter pro zusätzliches Grad Celsius.
Hinzu kommt auch eine zeitliche Komponente: Die sogenannte thermische Vegetationsperiode – also die Zeit des Jahres, in der die Temperaturbedingungen das Pflanzenwachstum ermöglichen – verlängert sich. In der Schweiz hat sich die Vegetationsperiode seit Beginn des letzten Jahrhunderts um rund dreissig Tage verlängert; sie beginnt früher und endet später. Dies hat bereits dazu geführt, dass etwa die Heuernte früher beginnt als ehedem.
Abnahme der Artenvielfalt
Im Zuge der Verschiebung der Vegetationszonen verdrängen wärmeliebende Pflanzen Arten, die an kältere Verhältnisse angepasst sind. Dies erhöht kurzfristig die Artenvielfalt in diesen Regionen, mittelfristig führt es jedoch zu einer Abnahme der Biodiversität, da spezialisierte Arten in ihrem Fortbestehen gefährdet sind. Ein zusätzlicher Effekt ist die Vergrünung der Alpen, die die weitere Erwärmung begünstigt, da Grünflächen eine kleinere Albedo aufweisen, das heisst, sie reflektieren weniger Sonnenlicht.
Die kurzfristige Zunahme der Biodiversität zeigt sich etwa in den Hochalpen, einem extremen Lebensraum, der durch tiefe Temperaturen gekennzeichnet ist, die lediglich eine kurze Wachstumsperiode erlauben. Pflanzenarten im Hochgebirge sind oft Endemiten; sie kommen nur in einem bestimmten Gebiet vor, weil diese Höhenlagen nicht durchgehend miteinander verbunden sind. Das Hochgebirge ist daher sehr reich an spezialisierten Arten.
Mit den steigenden Temperaturen dringen weniger kälteresistente Pflanzenarten in die Höhenlagen vor. Am Gipfel des Piz Linard im Unterengadin zum Beispiel gab es im Jahr 1835 nur eine Art – den Alpen-Mannsschild –, im Jahr 2013 aber bereits 16. Diese Zunahme ist die Folge einer Umverteilung, die auf längere Frist die alpinen Ökosysteme zum Verschwinden bringen wird, denn die Kältespezialisten können irgendwann nicht mehr weiter nach oben ausweichen.
Verschiebung der Baumgrenze
Auch die Baumgrenze – die Linie, oberhalb derer keine Bäume mehr wachsen – und die Waldgrenze – sie markiert das Ende des Lebensraums geschlossener Wald – verlagern sich nach oben. Baumwuchs endet in Höhenlagen, wo die Mitteltemperatur der Wachstumsperiode 6–7 Grad Celsius unterschreitet. Bäume wachsen freilich langsam, daher ist der Wald ein eher träges System, und es dauert Jahrzehnte, bevor er in zuvor offenes Gelände vordringt. Die Baumgrenze reagiert daher mit Verzögerung auf die Klimaveränderung.
In den Schweizer Alpen bestimmt in erster Linie menschliche Nutzung die Waldgrenze. Im russischen Uralgebirge hingegen, wo dies nicht der Fall ist, zeigt sich der Einfluss des Klimawandels direkt. Dort ist die Waldgrenze seit Anfang des 20. Jahrhunderts um etwa 50 Meter nach oben gewandert.
Die Baum- und Waldgrenze verschiebt sich nicht nur nach oben, sondern auch polwärts. In der Arktis, in der die Temperaturen stärker ansteigen, verschiebt sich die Grenze nach Norden in vormalige Tundragebiete. Die arktische Tundra, wo Sträucher, Gräser und Moore dominieren, hat sich von 1950 bis 2015 um etwa 16 Prozent verkleinert: In Nordamerika hat sich ihre Südgrenze um 60 Kilometer, in Eurasien um 40 Kilometer Richtung Pol zurückgezogen. Boreale Nadelwälder werden zudem teilweise durch Laubwälder ersetzt.
Das Vordringen der Baumgrenze nach Norden führt wie im Gebirge zu einer Verringerung der Albedo, was eine positive Rückkopplung in Gang setzt: Da weniger Sonnenlicht ins All zurückgestrahlt wird, nimmt die globale Erwärmung zu, was wiederum eine weitere Verringerung der von Tundra bedeckten Fläche bewirkt.
Landwirtschaft in der Tundra
Die Verschiebung der Vegetationszonen nach Norden in Eurasien und Nordamerika – wo sich im Gegensatz zur Südhalbkugel grosse Landmassen befinden – eröffnet der Landwirtschaft neue Flächen für den Anbau von Nahrungspflanzen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020, die im Fachjournal PLOS One veröffentlicht wurde, dürfte sich die für Landwirtschaft geeignete Fläche in den kommenden 50 bis 100 Jahren weltweit um beinahe ein Drittel vergrössern, wobei vornehmlich die borealen Zonen in Russland und Kanada neues Nutzland beisteuern würden.
Insbesondere Kanada könnte so zu einer neuen Kornkammer werden, denn vier der wichtigsten Feldfruchtarten – Weizen, Kartoffeln, Mais und Soja – seien genügend kälteresistent, um dort angebaut zu werden. Der Druck, diese Regionen landwirtschaftlich zu nutzen, dürfte schnell zunehmen, denn die Weltbevölkerung wird vorderhand noch wachsen. Überdies werden bisherige Anbaugebiete durch den Klimawandel weniger ertragreich sein.
Doch diese Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen nach Norden – sowie in die Bergregionen Zentralasiens, in die Rocky Mountains und möglicherweise auch in die Sahelzone in Afrika – wird negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben. In den genannten Gebieten befinden sich einige der artenreichsten Regionen der Erde. Noch schwerwiegender dürften allerdings die Auswirkungen auf die globale Klimaerwärmung sein: Die landwirtschaftliche Nutzung der neu erschlossenen Gebiete würde enorme Mengen an CO₂ freisetzen, das derzeit in diesen bisher ungenutzten Böden gespeichert ist. Laut der erwähnten Studie handelt es sich um 117 Gigatonnen. Zum Vergleich: Die gesamten weltweiten CO₂-Emissionen lagen 2024 bei 41,6 Gigatonnen. Damit wäre die Einhaltung der Pariser Klimaziele vollends illusorisch.
Weinbau: Profiteure im Norden, Probleme im Süden
In Europa wird sich die Verschiebung der Vegetationszonen auch auf den Weinbau auswirken – Beispiele dafür wurden eingangs bereits erwähnt. Gemäss einer französischen Studie, die 2022 auf der Plattform National Center for Biotechnology Information erschienen ist, werden vornehmlich Gebiete nördlich des 46. Breitengrades – das ist etwa die Höhe von Bern – von der Klimaerwärmung profitieren. Dort werden sich neue Weinregionen etablieren, besonders entlang der Atlantikküste.
In traditionellen Weinbauregionen hingegen werde die geeignete Fläche bis zum Ende des Jahrhunderts deutlich abnehmen. «Die Kombination aus steigenden Temperaturen und geringeren Niederschlägen wird in Südiberien, im mediterranen Frankreich und Spanien, in der Po-Ebene, in den Küstenregionen Italiens, auf der Balkanhalbinsel und im Südwesten des Schwarzen Meeres zu schweren Dürreperioden führen», warnen die Wissenschaftler.
Schon jetzt sind die Probleme spürbar: Schäden durch Starkregen und Hitzewellen machen den Winzern in Frankreich zu schaffen, während in Italien die Lese im Jahr 2024 zwar wieder anstieg, aber immer noch unter dem Fünfjahresdurchschnitt lag. In Spanien leiden die Winzer unter immer heisseren Sommern und längeren Dürreperioden. Das liegt auch daran, dass das Mittelmeer sich stärker als andere Meere erwärmt: In der Region steigen die Temperaturen um 20 Prozent schneller als im globalen Durchschnitt.
Auch beim Weinbau gilt daher, dass die Verschiebung der Vegetationszonen aufgrund der Klimaerwärmung zwar neue Gebiete erschliesst, dafür aber die traditionellen Anbaugebiete mit vermehrten Problemen zu kämpfen haben.
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