Schweiz
Krankenkasse

Krankenkassen: Zwei Prämien-Initiativen im Parlament

Steigende Prämien: Parlament streitet ab heute über zwei Krankenkassen-Initiativen

Zwei Initiativen, ein Ziel: Die SP und die Mitte wollen mit unterschiedlichen Vorschlägen die Krankenkassen-Prämien erträglicher machen. Die Debatten dazu beginnen heute im Nationalrat.
31.05.2022, 05:1201.06.2022, 05:05
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Schaut man sich die nackten Zahlen an, gibt es über die Krankenkassen-Prämien vor allem eines zu sagen: Sie steigen und steigen. Vergleicht man sie mit der Entwicklung der Löhne, des Bruttoinlandprodukts oder der Bevölkerungsentwicklung, so muss fast schon von einer Kostenexplosion gesprochen werden. Darunter leiden vor allem die Ärmsten.

Dieses Problem ist der Politik seit Jahren bekannt. Im Wechselspiel zwischen Lobbyismus, Komplexität des Gesundheitswesens und der Trägheit der schweizerischen Politik kam es aber bislang nicht zu der einen Lösung, die sich spürbar auf die Prämien der obligatorischen Krankenversicherungen auswirkten. Auch der Weg übers Volk mittels Initiativen scheiterte bislang: Die Einheitskasse-Initiative der SP überzeugte vor acht Jahren nicht einmal 40 Prozent der Bevölkerung – obwohl die Krankenkassen-Prämien jedes Jahr zu den grössten Sorgen der Menschen zählen.

Dennoch wollen zwei Parteien den Weg über den Volksentscheid nochmals wagen: Die SP und die Mitte-Partei sammelten im Wahljahr 2019 Unterschriften für je eine eigene Initiative, mit der die Bevölkerung entlastet werden soll. In den kommenden Tagen werden National- und Ständerat über beide Vorschläge diskutieren. Zur Urne kommen sie frühestens nächstes Jahr, realistisch gesehen jedoch erst 2024.

Kostenbremse-Initiative

Die CVP will mit einer Initiative den Anstieg der Krankenkassenpr
Die Mitte-Partei (damals CVP) bei der Lancierung ihrer Initiative.Bild: sda

Das will die Initiative

Den Anfang nimmt heute Dienstag die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei. Sie will die Krankenkassen-Prämien auf zwei Wegen in den Griff kriegen:

  • Der Druck auf alle Player im Gesundheitswesen wird erhöht: Der Bund soll die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, den Krankenkassen, den Leistungserbringern (Spitäler, Arztpraxen und Co.) regeln, damit die Prämien nicht mehr explosionsartig ansteigen.
  • Der Bund führt zudem eine Kostenbremse ein.

Wie diese Punkte aber konkret umgesetzt werden sollen, schreibt der Initiativtext nicht vor. Die Details müssten Parlament und Bundesrat, aber auch die Krankenkassen zusammen mit den Kantonen nach einem allfälligen «Ja» durch Volk und Stände ausjassen.

Damit dies nicht in einem ewigen und ergebnislosen Feilschen endet, gibt's vom Initiativtext zusätzlichen Druck auf alle Player: Steigen die Prämien auch zwei Jahre nach der Annahme explosionsartig an, so erzwingen Bund und Kantone selbstständig Massnahmen.

Das will der Gegenvorschlag

Der Bundesrat lehnt die Kostenbremse-Initiative ab und möchte ihn mit einem indirekten Gegenvorschlag bekämpfen: Er fordert auch eine «Kostenbremse», die Details sind aber bereits definiert: Jeder Kanton soll dies selbstständig tun. In einzelnen Bereichen wie Medikamente oder Laboranalysen soll der Bund solche «Kostenziele» diktieren.

Dieser Gegenvorschlag kommt bislang nicht gut an: Die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker des Nationalrats haben in der Vorarbeit den Bundesratsvorschlag bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Grundlegende Bestandteile des Gegenvorschlags sollen gar ganz gestrichen werden, so die Anträge für die Debatte, die ab heute geführt wird.

Für die Initiative bedeutet das nichts Gutes: Sie droht zum parlamentarischen Papiertiger zu werden, weil der Gegenvorschlag ewig zwischen National- und Ständerat herumgereicht wird. Die Parlamentarier sind sich dessen bewusst: Sie wollen sich bis November 2023 Zeit nehmen, um über beide Vorschläge zu diskutieren. Zur Volksabstimmung dürfte es im schlimmsten Fall erst 2024 kommen, womit spürbare Prämiensenkungen erst 2027 folgen dürften.

Prämien-Entlastungs-Initiative

Barbara Gysi, Nationalraetin SP-SG, Vizepraesidentin SP Schweiz, Mitte, bei einer Aktion anlaesslich der Lancierung der Praemien-Entlastungs-Initiative, am Dienstag, 26. Februar 2019 in Bern. (KEYSTON ...
Die SP bei der Lancierung der Initiative im Jahr 2019.Bild: KEYSTONE

Das will die Initiative

Eine zweite Initiative kommt von der SP: Sie stürzt sich nach den beiden Niederlagen zur Einheitskasse (2007 und 2014) auf die Prämienverbilligungen: Ihre Prämien-Entlastungs-Initiative will vorschreiben, dass die Krankenkassen-Prämien höchstens zehn Prozent des Einkommens auffressen dürfen. Alles darüber soll von der Prämienverbilligung übernommen werden.

Die Kosten für diese Lösung ist erheblich, was auch mit einer Neuregelung zu tun hat: Der Bund müsste bei einem Volks-«Ja» zwei Drittel der Prämienverbilligungen übernehmen, die Kantone den Rest. Diese Aufteilung würde das aktuelle System radikal ändern: Es herrscht ein Flickenteppich mit grossen Unterschieden. So zahlt in Genf der Kanton ⅔, in Appenzell-Innerrhoden nur gerade mal ⅛ der Kosten für die Prämienverbilligung. Der vorgeschlagene Systemwechsel dürfte Bund und Kantone jährlich zwischen 3.2 bis 5 Milliarden Franken kosten.

Bestritten werden die Grössenordnungen durch die SP nicht – sie argumentiert jedoch, dass ein Zehn-Prozent-Kostendeckel für die Krankenkassen-Prämien einen positiven Rattenschwanz nach sich ziehen könnte: Für Bund und Kantone würde es attraktiver werden, etwas gegen die steigenden Gesundheitskosten zu tun – schliesslich müssten sie dann auch weniger Prämienverbilligungen bezahlen. Die Initiative würde zudem jene Kantone zurückpfeifen, die in den vergangenen Jahren erhebliche Sparpakete bei den Prämienverbilligungen beschlossen haben.

Das will der Gegenvorschlag

Dem Bundesrat passt auch die Lösung der SP nicht. Seine Kernkritik: Die Initiative kümmere sich nicht um die Kosten. Er schlägt auch hier einen indirekten Gegenvorschlag vor, wobei sich auch dieser auf die Prämienverbilligungen konzentriert: Der Bund soll neu Kriterien aufstellen dürfen, wie die Prämienverbilligungen in den einzelnen Kantonen umgesetzt werden sollen.

Der Ansatz richtet sich – wie die Initiative – gegen die Sparpakete einzelner Kantone, die schweizweit zu grossen Unterschieden geführt haben. Die Prämienverbilligungspolitik der Kantone soll sich neu am Steuereinkommen der ärmsten 40 Prozent orientieren, die Mindestsätze soll zudem neu der Bund berechnen dürfen. So soll verhindert werden, dass kantonale Sparpakete weitere Ungleichheiten schaffen.

Anders als bei der Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei, kommt dieser Gegenvorschlag bei der Gesundheitskommission des Nationalrats gut an – zumindest so gut, dass es für Prämienzahlende am Ende gut herauskommen könnte: Sie will den Gegenvorschlag so ausbauen, dass mehr Menschen unterstützt werden können. Die Debatte darüber beginnt in rund zwei Wochen.

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102 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Cpt. Jeppesen
31.05.2022 07:57registriert Juni 2018
Was mich an der Diskussion stört ist ein gewisser Grad an Intransparenz. Die KKs sagen sie müssen um 5% erhöhen, ich sehe aber nicht, was mit einmal so viel mehr Geld kostet. Bis auf wenige Ausnahmen wird dieses Spiel jedes Jahr betrieben. Wenn die Kosten aber mehr steigen als die allgemeine Inflation, wo geht dieses Geld hin? Welche Leistungen werden um so viel teurer, dass so ein Aufschlag gerechtfertigt ist?
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Hadock50
31.05.2022 07:52registriert Juli 2020
Alle politiker die ein Mandat bei eine Kk haben sollten aus intressenskonflikt keine Entscheidungen treffen dürfen.
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giguu
31.05.2022 07:24registriert Dezember 2015
Die Krankenkassen sind zur Bereicherung von einigen Wenigen da. Über Tricks wandert das Geld, ähnlich wie bei der 2. Säule, in die Tasche von einigen Reichen. Der Politik ist es egal, da die meisten Politiker zu den Nutzniessern gehören und "Beratungsmandate" bei den Krankenkassen haben. Das funktioniert so: Passt einer Krankenkasse etwas in der Politik nicht, gibt diese ein Beratungsmandat an Politiker, um diese umzustimmen. Die Politiker schicken dann einfach eine Rechnung an die Krankenkasse für Beratungsleistungen.
Prämienverbilligungen sind super, öffnet ganz neue Geldtöpfe für Politiker
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