Ausrüstung nochmals gecheckt. One. Two. Three. Und go! So oder ähnlich klingt es jeweils, bevor ein Basejumper sich nach minutiöser Vorbereitung in die Tiefe stürzt. Weltweit soll es nur rund 2000 Wagemutige geben, die diesen Sport ausüben. Viele von ihnen hat es schon ins Lauterbrunnental gezogen. Mit seinen bis zu 400 Meter hohen Felswänden, dem atemberaubenden Panorama und den über 10 Absprungstellen gilt die Region als Mekka für Basejumper.
Leider geht bei den Sprüngen nicht immer alles gut. Seit 1981 sind im Tal gemäss der von der Basejumping-Szene geführten «Base Fatality List» bereits 65 Basejumper tödlich verunglückt. Mehr als jeder zweite Basejump-Todesfall in der Schweiz (113 Todesfälle) und fast jeder siebte weltweit (459 Todesfälle) ereignete sich demnach in Lauterbrunnen.
In diesem Jahr mussten bereits drei Todesfälle verzeichnet werden. Zuletzt starb am letzten Freitag ein deutscher Springer, nachdem er unterhalb der Absprungstelle «High Ultimate» aus noch ungeklärten Gründen gegen eine Felswand prallte und abstürzte.
Im Schnitt starben in den letzten zehn Jahren im Lauterbrunnental drei Basejumper pro Jahr beim Ausüben ihrer grossen Leidenschaft. In der Schweiz waren es fast sieben. Verglichen mit anderen Todesursachen im Sport ist Basejumping in absoluten Zahlen also nicht extrem lebensgefährlich. Zum Vergleich: Beim Bergwandern sterben in der Schweiz jährlich rund 50 Personen, tödliche Badeunfälle gibt es 46 pro Jahr.
Natürlich wandern und schwimmen deutlich mehr Menschen als solche, die basejumpen. Wie gefährlich ist die Sportart also wirklich? Im Lauterbrunnental werden pro Jahr laut Marcel Geser, dem Präsidenten der Swiss Base Association (SBA), rund 20'000 Sprünge verzeichnet. Das heisst, dass dort im Schnitt ungefähr bei jedem 7000. Sprung ein Basejumper tödlich verunglückt. Allerdings ist dies eine wenig zuverlässige Berechnung.
Wissenschaftliche Studien zum Thema gibt es nur wenige: Forscher aus Norwegen analysierten zwischen 1995 und 2005 in 11 Jahren 20'850 Basejumps. Dabei gab es neun Todesfälle, was einem Todesfall pro 2317 Sprünge entspricht. Schweizer Wissenschaftler untersuchten retroperspektiv Basejump-Verletzungen im Lauterbrunnental zwischen 2007 und 2016 und kamen dabei auf einen Todesfall pro 1250 Sprünge.
Gemäss der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) ist das Unfallrisiko beim Basejumping «unglaublich hoch». Geschätzt verunfallt in der Schweiz demnach pro Jahr einer von 60 Basejumpern tödlich. Auch hier ein Vergleich: Beim Gleitschirmfliegen ist es ungefähr eine Person von 2000, die pro Jahr tödlich verunglückt. Beim Wandern eine Person von 80'000.
Natürlich kann das Risiko von Basejumper zu Basejumper stark variieren. Bei erfahrenen Springern aus der Region, welche die Absprungstellen und Wetterverhältnisse kennen, ist es sicher tiefer als bei Touristinnen und Touristen, die für ein paar Tage in die Schweiz kommen und in dieser Zeit möglichst viele Sprünge absolvieren möchten. Ein gewisses Restrisiko aber bleibt für alle. Schliesslich öffnet statistisch gesehen im Schnitt schon in einem von 3000 Fällen der Fallschirm nicht korrekt, was bei Basejumpern mit nur einem Schirm meist fatal endet.
Basejumper sind sich der Gefahr, der sie sich beim Ausüben ihrer Sportart aussetzen, durchaus bewusst. «Jeder, der dieses Hobby hat, weiss, dass er ein grosses Risiko eingeht», erklärte der SBA-Präsident im April dieses Jahres im Interview mit «BärnToday». «Jeder behauptet von sich selber, dass er alles macht, um dieses Risiko zu minimieren, und dass er aufpasst, keine unnötigen Risiken einzugehen. Aber es kann jedem passieren, jederzeit.» Mit «es» meint Geser einen tödlichen Unfall. Ans Aufhören denke er deswegen aber nicht. «Basejumping gibt mir so viel und macht mich so glücklich, dass ich dieses Risiko gerne in Kauf nehme.»
Der passionierte Basejumper hat gar gewisse Dinge vorbereitet, falls er sterben würde. «Das ganze Papierzeug habe ich erledigt, damit meine Freundin und meine Familie nicht noch unnötige Probleme hätten, falls mir etwas passiert», so Geser weiter. «Ich glaube, ich habe für mich einen Weg gefunden, der einigermassen sicher ist, und hoffe, dass ich das so noch viele Jahre – oder so lange, wie es mich glücklich macht – weitermachen kann.»
Für ihn ist Basejumping mehr als nur ein Sport – «es definiert den Lebensstil». «Man kann das nicht nur so beiläufig machen», sagt Geser. «Du musst dich mit dem Material und dem Wetter auseinandersetzen, die Absprungstellen kennen und die Unfälle, die passieren, analysieren. Es ist ein zeitintensives Hobby, aber auch eins, das sehr stark Emotionen weckt.»
Darum sei es auch nicht so einfach, aufzuhören. «Viele hören auf, wenn sie sich verletzen oder weil sie einen Freund im Sport verlieren. Es gibt nicht viele, die sagen ‹ich habe es gesehen, jetzt höre ich auf›. Das habe ich noch nicht oft erlebt.»
Es demselben Grund wie ich mit 20 das Töfffahren aufegegeben habe nachdem ein guter Freund von mir starb, werde ich nicht mit Basejumping beginnen...: Ich liebe mein Leben zu sehr.
Einem Verbot kann ich gar nichts abgewinnen. Diese Menschen gefährden nur sich selbst und sonst niemanden.
Aus demselben Grund bin ich auch strikt dagegen den alpinen Raum mit Absperrungen und Gefahr-Hinweisschildern vollzupflastern. Wer sich in den Bergen bewegt, muss sich proaktiv informieren und hat eine Holschuld. Das darf sich nicht umkehren.
Xray