«Page not found»: Diese Meldung ploppt diese Woche an verschiedenen Stellen der Website der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC auf. Nämlich dort, wo Infos über sexuell übertragbare Krankheiten, das Geschlecht und die Gesundheit im Rahmen von LGBTQ zu finden waren.
Die Behörden hatten die Anweisung von Trump erhalten, alle «Programme, die Steuergelder zur Förderung der Gender-Ideologie verwenden», zu beenden und Informationen dazu bis Freitagnachmittag vergangene Woche von der Website zu entfernen. Denn der Trump-Administration ist alles zuwider, was über das weibliche und das männliche Geschlecht hinausgeht.
Zum Beispiel ist eine Seite des CDC gelöscht worden, wo man sein Risikoverhalten zum Rauchen, Essen, zu Drogen und sexuellen Aktivitäten überprüfen konnte. Ebenfalls offline ist eine Seite des CDC mit dem Titel «Unterstützung von LGBTQ+ und Jugend». (Beide Seiten sind auf der Archivseite Wayback einsehbar: hier und hier). Dort wurde informiert, welche Faktoren die Gesundheit dieser Bevölkerungsgruppe verbessern, im Speziellen ging es darum, dass Schulen die Bedingungen für LGBTQ-Personen verbessern und ihnen auch in der Sprache Rechnung tragen. So sollte Gewalt gegenüber diesen Personen reduziert und deren psychisches Wohlbefinden verbessert werden.
Wie klingt die Order der Trump-Administration in den Ohren von Schweizer Gesundheitspolitikerinnen und -politikern? Barbara Gysi, Präsidentin der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit SGK des Nationalrates, sagt: «In der Schweiz wäre das undenkbar, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) über gewisse Themen plötzlich nicht mehr berichtet.»
Zum Beispiel hat das BAG 2022 eine Studie zur Gesundheit von LGBTQ-Personen aufgeschaltet, die sich genau solchen Themen widmet: Wie die psychische Gesundheit dieser Personen gefördert werden kann. Die Studie ist die Beantwortung eines Postulates, der Bundesrat wurde also vom Parlament damit beauftragt.
Aber nicht immer erfolgt ein Auftrag so direkt vom Parlament. Die «Gesundheitsförderung Schweiz» ist eine Stiftung, welche von den Kantonen und Versicherern getragen wird. Da gibt es mehr Spielraum, worüber informiert wird. Gesundheitsförderung Schweiz hat 2017 ein Faktenblatt «Geschlechtliche und sexuelle Minderheiten in Gesundheitsförderung und Prävention» herausgegeben. Darin steht, bei homo- und bisexuellen Menschen sei die Wahrscheinlichkeit, an einer psychischen Erkrankung zu leiden, mindestens 1,5-mal höher als bei heterosexuellen Menschen. Oder dass 45 Prozent der 18- bis 24-jährigen Transmenschen in den USA einen Suizidversuch in ihrem Leben unternommen haben.
Die Schlussfolgerungen darin gefallen Politikern nicht, die finden, das Thema LGBTQ werde überbewertet. Eine lautet: «Das Gesundheitswesen ist auf die Anliegen geschlechtlicher und sexueller Minderheiten umfassend zu sensibilisieren.»
Rémy Wyssmann, SVP-Nationalrat und ebenfalls Mitglied der SGK, bezeichnet die «gesundheitspolitische Vereinnahmung» von LGBTQ-Personen als «Nischenthema», gefördert mit staatlichen Mitteln. «Die Priorisierung des BAG darin, worüber informiert werde und worüber nicht, ist völlig falsch», sagt er. Wyssmann sähe es lieber, wenn das BAG endlich die Impfstoffverträge aufschalten würde, als für eine solche Postulats-Beantwortung einen «werberischen» Text zu verfassen.
Konkret stört sich Wyssmann an einem Satz, der auf der BAG-Website die Beantwortung des Postulates vorstellt: «Der Bericht zeigt: Es bestehen gesundheitliche Ungleichheiten zwischen LGBTQ-Personen und der übrigen Schweizer Bevölkerung.» Dies suggeriere, so Wyssmann, dass es hier einen Missstand gebe, den es zu verbessern gelte. Wyssmann aber stellt sich auf den Standpunkt, dass eine sexuelle Orientierung alleine kein Gesundheitsrisiko sei. «Über Gesundheitsrisiken soll man jederzeit informieren, aber nur, wenn sie relevant sind.»
Damian Müller, Präsident der SGK des Ständerates und FDP-Mitglied, hingegen sagt: «Fakt ist, dass Präventionsmassnahmen Wirkung zeigen. Zudem stützt sich das BAG in der Ausarbeitung auf wissenschaftliche Studien und Berichte. Das ist das richtige Vorgehen.»
Doch was ist mit der Umsetzung der Berichte? Diese passiert kantonal, denn für die Gesundheitsversorgung sind die Kantone zuständig. Sie können die Massnahmen selber beschliessen. Barbara Gysi (SP) sagt: «Das geschieht je nach Kanton unterschiedlich, aber gar nicht über ein Thema zu informieren, ist undenkbar.» Gysi fürchtet gesundheitliche Konsequenzen, wenn die Bevölkerung nicht über alle Gesundheitsthemen informiert würde. Natürlich gebe es immer wieder Themen, die in der Schublade verschwänden oder beschönigende Berichte, «aber dann ist es unser Auftrag, dort den Finger darauf zu halten, um sie wieder aufs Tapet zu bringen». Zum Glück, findet auch Gysi, habe die Schweiz eine ganz andere Regierungsform als die USA.
Das findet auch Müller und lobt die direkte Demokratie: «In der Schweiz werden die Entscheide zum Glück demokratisch gefasst – man diskutiert über Präventionsstrategien im Rat und segnet diese ab.»
Der psychischen Gesundheit von LGTBQ-Personen hat sich der Bund noch nicht direkt angenommen. Aber der physischen: Das nationale Programm zum Stoppen von sexuell übertragbaren Krankheiten läuft seit 2023. Laut dem BAG sind darin schwule, bisexuelle, queere Männer sowie Transpersonen «Schlüsselgruppen». Das BAG sagt auf Anfrage: «Bisher haben unsere publizierten Forschungsarbeiten weder seitens der Politik noch der Zivilbevölkerung zu kritischen Kommentaren geführt.»
Auch die Diskussionen um gendergerechte und inklusive Sprache laufen kantonal: Zum Beispiel 2022 als im Kanton Zürich ein SVP- und ein FDP-Kantonsrat beim Regierungsrat gemeinsam eine Anfrage platzierten. Dies, nachdem bekannt wurde, dass die Dozentinnen und Dozenten der Fachhochschule ZHAW Arbeiten schlechter benoten können, wenn nicht auf eine inklusive Sprache geachtet wird. Der Regierungsrat antwortete, die Hochschule sei im Hochschulgesetz der «tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter» verpflichtet, aber: Sprachleitfäden seien kein verbindliches Regelwerk. Nach einer schlechten Benotung hätte also ein Rekursverfahren gute Chancen.
Aber Trump kehrt mit seiner Politik ins Mittelalter zurück. LGBTIQ-Menschen einfach auszugrenzen geht ebenso wenig, wie sie überzubewerten.
Ich kenne die genauen Prozentzahlen nicht. Aber die tatsächliche Anzahl von LGBTIQ-Menschen in den USA dürften gegen 30 Millionen tendieren. Was ist denn das für eine Haltung, so zu tun, als gäbe es diese nicht (oder schlimmer: als dürfte es sie nicht geben). Das geht gar nicht!