Über 42'000 Tonnen Geflügelfleisch werden im Schnitt pro Jahr in die Schweiz importiert. Damit tragen Poulet, Truthahn und Enten aus anderen Ländern zu einem Drittel des inländischen Bedarfs bei. Der grösste Anteil – fast 40 Prozent der Geflügelimporte – stammt dabei aus Brasilien.
Diesen «Einkaufstourismus bei Tierprodukten» wollen die Befürworterinnen und Befürworter der «Initiative gegen Massentierhaltung» eindämmen. Das Initiativkomitee hat dafür im Initiativtext einen eigenen Absatz formuliert. Dort heisst es: «Er [der Bund] erlässt Vorschriften über die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen zu Ernährungszwecken, die diesem Artikel [80a, Landwirtschaftliche Tierhaltung] Rechnung tragen.»
Konkret sollen nach Annahme der Initiative nur Tiere und tierische Produkte in die Schweiz importiert werden, die nach jenen Vorschriften gehalten und erzeugt wurden, die inskünftig für die Schweiz gelten sollen. Das heisst: Alle tierischen Importe müssen «bezüglich Würde des Tieres mindestens den Anforderungen der Bio-Suisse-Richtlinie 2018 entsprechen».
Philipp Ryf, Kampagnenleiter der Massentierhaltungs-Initiative, erklärt auf Anfrage, dass mittels der Importvorschriften der bereits heute «sehr hohe ökonomische Druck auf die Landwirte und Landwirtinnen abgefedert werden» könne. Sprich: Wenn aufgrund der Vorschriften weniger Fleisch aus dem Ausland importiert werden kann, profitiert davon die heimische Landwirtschaft. Gleichzeitig garantiere der entsprechende Absatz im Initiativtext, dass «keine minderwertige Billigware» aus dem Ausland eingeführt werde.
Ähnlich argumentiert auch der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch: Weil die Initiative die schweizerischen Produktionsstandards auch bei Importen durchsetze, werde verhindert, dass es zu einer «Verlagerung der Produktion ins Ausland» komme. An der Medienkonferenz der Befürworter unterstrich er zudem, dass das geforderte Importverbot keine internationalen Vorgaben der Welthandelsorganisation WTO verletze.
Seine Erklärung: Gemäss Artikel 14 des geltenden Tierschutzgesetzes kann der Bundesrat «aus Gründen des Tierschutzes die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten an Bedingungen knüpfen, einschränken oder verbieten».
Zudem sei im internationalen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) festgehalten, dass «handelsbeschränkende Massnahmen ergriffen werden dürfen, wenn diese zum Schutz der öffentlichen Moral notwendig sind», sagt Jositsch.
Der Begriff der öffentlichen Moral lässt laut Rechtswissenschaftler Jositsch grossen Spielraum zu. Im Falle der Massentierhaltungsinitiative könnte die Schweiz also geltend machen, dass der Schutz von Tieren Bestandteil der öffentlichen Sittlichkeit ist.
Anders argumentiert der Bundesrat. In der Botschaft zur Initiative schreibt er, dass mit den im Initiativtext vorgesehenen Importrichtlinien der «Grundsatz der Nichtdiskriminierung des Welthandelsrechts» verletzt würde. Dieser Grundsatz sieht vor, dass WTO-Mitgliedstaaten die Waren anderer Länder nicht ungünstiger behandeln dürfen als «gleichwertige inländische Produkte». Die Landesregierung sieht zwar auch die Möglichkeit, sich bei einer allfälligen Annahme der Initiative auf eine der Ausnahmen im GATT zu stützen. Doch: Die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit solche Ausnahmen juristisch wasserdicht sind, seien sehr hoch.
Auf diese Argumentation stützen sich auch die Gegner der Initiative. Sie monieren zudem, dass der Aufbau eines entsprechenden Kontrollapparats sehr aufwendig sei. Dem wiederum entgegnet Pro-Kampagnenleiter Ryf: «Das Parlament hat bereits vor einem Jahr einen gesetzlichen Rahmen für die praktische Umsetzung der Importrichtlinie geschaffen.» Und zwar mit der Annahme einer Motion.
Diese beauftragt den Bundesrat, alle «in der Schweiz verbotenen Produktionsmethoden» der Deklarationspflicht zu unterstellen. Wer also nicht nach Schweizer Richtlinien produziert, muss künftig seine Lebensmittel für den Export in die Schweiz entsprechend beschriften. Wird die Initiative angenommen, würde die Liste der verbotenen Methoden wohl erweitert.
Doch davon ist die Schweiz noch weit entfernt. Erstens müsste dafür die Initiative angenommen werden. Und zweitens liegt es letztlich in den Händen des Parlaments, angenommene Initiativen gesetzeskonform umzusetzen. Dass es auch hier Spielraum gibt, beweisen zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit. (bzbasel.ch)
Leider wird die Initiative abgelehnt.
Es ist schön zu sehen, dass BioSuisse nach dem unverständlichen Nein zur Trinkwasserinitiative diesmal auch für ein Ja plädiert.