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Migration

Ueli Maurers Hardliner-Regime an der Schweizer Südgrenze

Fluechtlinge stehen an fuer ein Mahlzeit, die von freiwilligen Helfern der Tessiner Hilfsgruppe Associazione Firdaus verteilt wird in einem Park in der Naehe des Bahnhof Como aufgenommen am Donnerstag ...
Kaum ein Einreisen in die Schweiz möglich: Flüchtlinge stehen in Como an für eine Mahlzeit. Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Zurück nach Como! So greift Ueli Maurers Hardliner-Regime an der Schweizer Grenze durch

Ueli Maurer führt seinen Kampf gegen Justizministerin Simonetta Sommarugas auch im neuen Departement weiter: Die alte Rivalität setzt sich fort. Jetzt kritisiert der Finanzminister das Vorgehen der Migrationsbehörde an der Südgrenze. Und setzt sich durch.
15.08.2016, 04:3215.08.2016, 09:37
lorenz honegger / Aargauer Zeitung
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Ueli Maurer war noch nie als zimperlicher Politiker bekannt. Seit seinem Wechsel vom Verteidigungs- ins Finanzdepartement Anfang Jahr mischt er sich mit grossem Engagement in die Asylpolitik ein und macht so der dossierverantwortlichen Justizministerin Simonetta Sommaruga das Leben schwer. Eine alte Rivalität setzt sich fort.

Streit um Unterkünfte

Rückblende: Schon als Verteidigungsminister liess Maurer keine Gelegenheit aus, um den Asylfachleuten Sommarugas Steine in den Weg zu legen. Als der Platzbedarf für Flüchtlinge im Zuge des Arabischen Frühlings zwischen 2011 und 2012 immer grösser wurde, weigerte er sich während Monaten, dem Staatssekretariat für Migration (SEM) geeignete Armeeunterkünfte anzubieten. In einem TV-Interview sagte er trotzig: «Ist es geschickt, einen Haufen Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, oder wird das wieder als Einladung angeschaut?» Es sei wahrscheinlich kein schlechtes Signal, wenn man sehe, wie um jedes Bett gekämpft werden müsse.

Maurer bremste so lang, bis es seinen Bundesratskollegen zu bunt wurde: Im März 2012 verfügte die Landesregierung, das Verteidigungsdepartement (VBS) müsse innerhalb von sechs Monaten 2000 Betten zur Verfügung stellen. Maurer spurte, aber nicht ohne Seitenhieb in Richtung Sommaruga. In einem Zeitungsinterview erklärte er, die Migrationsverantwortlichen hätten sich «wohl überschätzt».

Bundersraetin Simonetta Sommaruga spricht am Sommeranlass des Eidgenoessischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) am Donnerstag, 11. August 2016, auf dem Gelaende der Orangerie Elfenau in Bern. (K ...
Geraten sich immer wieder in die Quere: Simonetta Sommaruga ...Bild: KEYSTONE
Bundesrat Ueli Maurer kommentiert die Laenderueberpruefung des OECD-Global Forums am Dienstag, 26. Juli 2016 in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
... und Ueli Maurer.Bild: KEYSTONE

Streit gab es auch zwei Jahre später. Damals wurde aus dem Umfeld des VBS bekannt, dass Sommarugas Leute Armeeanlagen als Asylunterkünfte abgelehnt hätten, weil die Betten zu schmal seien. Das SEM dementierte zwar, doch an der Episode zeigte sich ein weiteres Mal, wie angespannt die Stimmung zwischen Maurers und Sommarugas Leuten ist.

Jetzt auf

Seit der Westschweizer Guy Parmelin im VBS das Steuer übernommen hat, läuft die Zusammenarbeit mit dem SEM dem Vernehmen nach wieder deutlich besser.

Mehr Rückweisungen

Maurer jedoch führt seinen Kampf mit Sommaruga auch im neuen Departement weiter. Möglich ist das, weil er als Finanzminister nicht nur die Verantwortung für Budget und Steuern, sondern auch für das Grenzwachtkorps hat. Unter seiner Führung hat sich die Zahl der nach Italien zurückgewiesenen Asylbewerber in den letzten Wochen vervielfacht.

«Solche Zustände darf es in Europa nicht mehr geben.»
Simonetta Sommaruga

Anders als früher lassen die Schweizer Grenzwächter die Migranten nur noch ins Land, wenn diese klar deklarieren, dass sie Asyl wollen. Das Resultat sind gestrandete Flüchtlinge, die zu Hunderten in einem öffentlichen Park in der norditalienischen Stadt Como kampieren.

Migrants are seen in a makeshift camp at a park near the San Giovanni railway station in Como, Italy August 12, 2016. REUTERS/Arnd Wiegmann
Campen im Freien: Gestrandete Flüchtlinge in Como.Bild: ARND WIEGMANN/REUTERS

Justizministerin Simonetta Sommaruga verhehlte vergangene Woche nicht, dass sie diese Bilder stören. «Solche Zustände darf es in Europa nicht mehr geben», sagte sie bei einem Auftritt vor Journalisten in Bern.

Ueli Maurer und seine SVP denken jedoch nicht daran, ihr Hardliner-Regime an der Südgrenze aufzugeben. Im Gegenteil. Parteipräsident Albert Rösti verglich die Situation im Süden der Schweiz mit «einem Pulverfass». «Nein, wir sind alles andere als zufrieden», sagte er der «Schweiz am Sonntag». «Wir sind froh, dass Bundesrat Ueli Maurer die Kontrollen im Rahmen seiner Kompetenzen verschärft hat.»

ZUR SDA-REPORTAGE UBER DIE TESSINER FREIWILLIGEN, WELCHE SICH UM ABGEWIESENE MIGRANTEN IN COMO KUEMMERN, STELLEN WIR IHNEN AM MONTAG 8. AUGUST 2016 FOLGENDE THEMENBILDER ZUR VERFUEGUNG. - Am Boden sch ...
Warten auf eine Weiterreise in die Schweiz: Schlafende Flüchtlinge am Bahnhof in Como.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Als Nächstes könnte die SVP versuchen, zur Bewältigung der Flüchtlingskrise Soldaten an die Grenze zu schicken. Der Entscheid liegt zwar in der Kompetenz des Bundesrates, doch in dieser Frage kann sich Ueli Maurer auf Kollege Parmelin verlassen, der bereits alle Vorbereitungen für einen solchen Einsatz getroffen hat. Fortsetzung folgt.

Das Thema wurde am Wochenende auf watson bereits rege diskutiert, hier einige ausgewählte User-Beiträge:

Die Schraube wird angzogen: Für User «DJ_Terror» die richtige Massnahme.

Allerdings gibt es da zu bedenken:

Ist es denn wirklich legal, was die Schweiz an der Grenze macht?

User «Lowend» wird umgehend wieder in die Schranken gewiesen. 

Über eines sind sich aber wohl alle einig: 

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185 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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fcsg
15.08.2016 07:10registriert Juni 2015
Flüchten ist kein Wunschkonzert. Italien ist ein sicheres Land und die Schweiz setzt nur die Abkommen mit der EU um. Deshalb verstehe ich nicht ganz, warum hier versucht wird Ueli Maurer schlechtzureden. Und nein ich bin kein SVP-Fan.
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MrJS
15.08.2016 07:02registriert November 2015
Das SVP-Bashing hier ist wirklich völlig übertrieben! Die Schweiz hält nur die Dublinverträge ein! Der Grund für die gestrandeten Flüchtlinge ist weniger der Ueli, sondern mehr Italien. Renzi will sich als zuverlässiger Partner in der EU darstellen und hat deshalb angeordnet die Flüchtlinge konsequenter zu registrieren. Bereits in einem Land registrierte Flüchtling dürfen gem. Dublin Abkommen nicht mehr in einem anderen Land einen Antrag stellen und müssen zurückgeschickt werden. Die Schweiz darf die Flüchtiglige auch nicht weiterreisen lassen. Deshalb stranden dort aktuell soviele Personen.
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Dominik I.
15.08.2016 06:10registriert Dezember 2014
Wenn schon Simonetta Sommaruga zitieren, dann richtig: Ihre Kritik geht an Europa, nicht an die Schweiz (bzw. Ueli Maurer). Das Verhalten der Grenzwacht ist korrekt, da man sich so an die Dublin-Verträge hält. Würden wir anders reagieren, und den Transit erlauben, würden wir Vertragsbrüchig werden, was dann mal wieder für Zwist mit der EU sorgen würde. Und scheinbar ist man in der (Gesamt-)EU auch nicht an einer Lösung interessiert. Sonst müsste man solche Bilder längst nicht mehr ansehen.
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