Der algerische Geschäftsmann und politische Aktivist Rachid Nekkaz hat am Mittwoch in Begleitung einer verschleierten Frau die Stadt St.Gallen besucht. Anlass dazu war der Volksentscheid vom 23. September für ein Burka-Verbot.
Nekkaz erklärte vor dem städtischen Rathaus beim Bahnhof seine Botschaft: Jede Frau solle aus Gründen der Religionsfreiheit freiwillig eine Gesichtsverhüllung tragen dürfen. Die Behörden müssten diese Freiheit genauso respektieren wie die Gesetze.
Sollten im Kanton St.Gallen verschleierte Musliminnen gebüsst werden, will Nekkaz diese Bussen übernehmen. Er habe im Kanton Tessin bereits vier solche Bussen bezahlt, sagte Nekkaz. In anderen europäischen Staaten habe er bereits über 1500 Bussen übernommen.
Der Aktivist wurde in St.Gallen von einer Algerierin im schwarzen Niqab begleitet. Er habe den St.Galler Stadtrat und die Kantonsregierung um ein Treffen gebeten, sagte Nekkaz. Diese hätten seine Anfragen aber nicht beantwortet.
Die Stimmberechtigten des Kantons St.Gallen sagten am 23. September mit einer Zweidrittelsmehrheit Ja zu einem Gesichtsverhüllungsverbot. Der Kantonsrat hatte das Verbot Ende 2017 mit den Stimmen von SVP und CVP beschlossen. Mehrere Jungparteien ergriffen dagegen das Referendum.
Bestraft wird künftig, wer im öffentlichen Raum sein Gesicht verhüllt, sofern dies «die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet». Ob eine solche Bedrohung oder Gefährdung vorliegt, ist in jedem einzelnen Fall zu beurteilen.
Der St.Galler Justiz- und Polizeidirektor Fredy Fässler erklärte nach der Abstimmung, das Verbot werde kaum etwas bewirken. Er könne sich keine Situation vorstellen, in der die Bedingungen des Verbots erfüllt wären. Fässler geht davon aus, dass die Polizei keine Burkaträgerinnen büssen wird.
St.Gallen ist der zweite Kanton nach dem Tessin, der ein Gesichtsverhüllungsverbot einführt. Das Thema ist auch auf nationaler Ebene aktuell. Das «Egerkinger Komitee» lancierte die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot». Diese verlangt, dass in der ganzen Schweiz niemand im öffentlichen Raum das Gesicht verhüllen darf.
Dem Bundesrat geht diese Burka-Initiative zu weit. Sie problematisiere ein seltenes Phänomen und greife in die bewährte kantonale Regelungsautonomie ein. Er will es weiterhin den Kantonen überlassen, über ein Verhüllungsverbot zu entscheiden.
In einem Gegenvorschlag zeigt er sich aber bereit, die Regeln zu verschärfen. Zum einen sollen Kontakte mit bestimmten Behörden nur unverhüllt stattfinden dürfen. Zum anderen soll jeglicher Zwang, das Gesicht zu verhüllen, unter Strafe gestellt werden.
Seit Ende Juni läuft dazu die Vernehmlassung. Danach kommt die Vorlage vors Parlament. Über Initiative und Gegenvorschlag abgestimmt wird voraussichtlich erst 2019. (sda)