Wir beginnen diese «Arena»-Review mit einem schlechten Gedicht:
Der St.Galler Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter und der Zuger Regierungsrat und Historiker Martin Pfister sind seit Freitag die offiziellen Kandidaten, die die Mitte für den Bundesrat vorschlägt. Der Erste kann kaum Englisch, kommt aus demselben Kanton wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter und ist bekannt für seinen offensiven, polarisierenden Politstil. Der Zweite hat auf nationaler Ebene keinerlei politische Erfahrung, gibt zu, sich ins Ukrainekrieg-Dossier erst noch einlesen zu müssen und war bis vor Kurzem schweizweit unbekannt.
Wie eine Tamedia-Umfrage gezeigt hat, finden nur gerade einmal 38 Prozent der Bevölkerung diese Auswahl in Ordnung.
Ist dieses Ticket das Beste, was die Mitte bieten kann? Muss sich die Bundesversammlung am 12. März wirklich daran halten? Oder kommt es zu einer «wilden Kandidatur»?
Um diese Fragen eierten in dieser «Arena» herum:
Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie toll findet SP-Ständerätin Franziska Roth die Auswahl, welche die Mitte ihr bietet? «Eins!», sagt Roth wie aus der Pistole geschossen.
Der eine – Markus Ritter – nutze seine Macht auf Bundesebene bereits jetzt nur für die Interessen der industriellen Landwirtschaft und nicht für die Gesamtbevölkerung, ja nicht einmal für die kleinen Bauernbetriebe. Der andere – Martin Pfister – mache den Kanton Zug zu einem Steuerparadies, wodurch viele der anderen Kantone leiden würden.
Habe sie denn schon mal mit Pfister gesprochen, will Moderator Sandro Brotz wissen. Roth schnappt nach Luft. Dann kommt ein «Nein» heraus. Aber sie habe sich über Pfister informiert. Darum bilanziert Roth:
Sie würden sich kaum voneinander unterscheiden.
Roths Votum macht SVP-Nationalrat Michael Graber hässig. Die SP ist aus seiner Sicht die letzte Partei, die sich über die Auswahl auf einem Bundesratsticket beschweren darf:
Bei Simonetta Sommarugas Nachfolge hätte die SP beschlossen, gar keine Männer aufs Ticket zu nehmen, sodass jemand wie der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch nicht zum Zuge kommen konnte. Und als Beat Jans in den Bundesrat gewählt worden war, hätte die SP Jon Pult mit aufs Ticket geschrieben. Graber ruft:
Beide würden am «äussersten Rand» der SP politisieren. Diese Auswahl sei für das Parlament auch eine sehr schwierige Ausgangslage gewesen. Aber sie, die SVP, hätte sich brav ans SP-Ticket gehalten. Darum erwarte er das auch von der SP.
Roth will sich nicht vorschreiben lassen, wen sie wählt. Schon gar nicht von der SVP:
Ist das eine Drohung? Nein, findet Roth. Sie werde sich daran halten, jemanden von der Mitte zu wählen. Aber: «Vielleicht wird es eine Frau werden.»
Mitte-Ständerat Pirmin Bischof merkt an:
Denn es sehe so aus, als würde das Rennen zwischen Ritter und Pfister knapp werden. An dieser Stelle schaltet sich auch FDP-Ständerat Matthias Michel ein:
Es ist eine steile These von Michel. Genauso wahrscheinlich ist es, dass sich ein knappes Rennen abzeichnet, weil die Auswahl schlecht ist. Dieser Meinung sind nicht nur Linke. Ausgerechnet aus der SVP hagelte es kürzlich Kritik. Von SVP-Übervater Christoph Blocher höchstpersönlich, der 2007 selbst als Bundesrat von der wilden Kandidatin Eveline Widmer-Schlumpf entthront wurde.
Auf «Teleblocher» sagte er, es gehe jetzt darum, jemanden zu finden, der das Verteidigungsdepartement wieder auf Kurs bringe. Deshalb müsse sich das Parlament bei der Wahl weder zwingend ans Ticket halten noch daran, jemanden aus der Mitte-Partei zu wählen. Dann warf Blocher auch noch in den Raum:
Einen ähnlichen Move brachte fast zeitgleich der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch. Auch er ein Verschmähter, der es sich selbst verbaut hat, in den Bundesrat gewählt zu werden. Im Interview mit CH Media sagte er, Kollege Werner Salzmann von der SVP wäre die perfekte Nachfolge für Viola Amherd. Er selbst würde die Position aber auch annehmen, wenn das Parlament vom Mitte-Ticket abkommen und ihn wählen würde.
Doch damit nicht genug: Jositsch verglich das ungeschriebene Gesetz, sich bei der Bundesratswahl ans Ticket der Parteien zu halten, mit der Diktatur in Russland. Bei solchen Aussagen kann selbst Franziska Roth in der «Arena» nur noch beschämt aufseufzen:
Und Matthias Michels passendes Fazit nach dem Vorpreschen von Blocher und Jositsch:
Damit ist alles und abermals nichts gesagt. Schlauer ist man nach dieser «Arena» nicht. Aber immerhin lässt sich auch das in einem schlechten Gedicht zusammenfassen:
Die vereinigte Bundesversammlung soll einen FÄHIGEN Kandidaten wählen. Wie die Vergangenheit zeigt wurden nicht immer die Fähigsten gewählt.
Bei der Stimmabgabe steht immer das persönlichen Interessen der eigenen Polit-Agenda im Vordergrund.
D.h welcher neue BR hilft mir am meisten. Das hat nicht viel mit Fähigkeiten zu tun.