Gerhard Andrey. So heisst der Mann, mit dem die Grünen den Sprung in den Bundesrat schaffen wollen. Diese Woche gab Andrey, der für den Kanton Freiburg im Nationalrat sitzt, seine Kandidatur bekannt.
Allein dieser Schritt ist ein Angriff. Ein Angriff auf die «Zauberformel», die schon seit 1959 besteht und besagt: Die drei wählerstärksten Parteien erhalten je zwei Bundesratssitze, die viertgrösste einen. Auf diese Weise vertrat der Bundesrat damals 85 Prozent der Schweizer Wählerschaft.
Heute jedoch repräsentiert er mit dieser Sitzverteilung nur noch 75 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung. Darum muss ein Grüner Bundesrat her, finden die Grünen, die trotz ihrer Wahlniederlage mit 9,8 Prozent die fünftstärkste Partei im Land sind.
Mit der Kandidatur von Gerhard Andrey will die Partei aber nicht nur die Zauberformel ins Wanken bringen, sondern auch Karin Keller-Sutter oder Ignazio Cassis zu Fall. Denn wie die Grünen bekannt gaben, wollen sie am 13. Dezember nicht den frei-werdenden SP-Bundesratssitz wegschnappen, sondern einen FDP-Sitz ergattern.
Ein chancenloses Vorhaben? Darüber diskutierten an diesem Abend:
Spieltheorie. Das ist das, was man an diesem Abend in der SRF-«Arena» beobachten kann. Es wird geblufft, gedroht, ein Pokerface gemacht, mit den Schultern gezuckt. Ein Schauspiel, bei dem sich die Grüne-Fraktionspräsidentin Aline Trede ein hämisches Grinsen nicht verkneifen kann.
Ganz getreu dem Thema bilden SVP, FDP, Mitte und SP zu Beginn der Sendung noch eine Einheit. Alle gegen die Grünen. Zumindest auf den ersten Blick.
Daniela Schneeberger von der FDP gibt sich zunächst cool: «Ganz ehrlich, ich belächle den Angriff der Grünen ein bisschen.» Planlos kämen sie daher. Keine Strategie hätten sie. Die Bundesratskandidatur von Gerhard Andrey? Reine Symbol-Politik, die «völlig fehl am Platz» sei.
Ähnliche Töne kommen von Nicolò Paganini von der Mitte: «Man muss schon sehr begabt sein, um die Strategie der Grünen zu verstehen.» Während der nun zu Ende gehenden Legislatur hätten sie einen SP-Sitz angreifen können, sich aber dagegen entschieden. Nun komme eine schlecht vorbereitete Bundesrats-Kandidatur und der Angriff auf die FDP. Dabei sei für die Mitte klar: Einen Bundesrat wählt man nicht ab!
Doch der Schein trügt. Auf den zweiten Blick zeigt sich: Die Bundesratsparteien sind nervös. Schliesslich ist es bei den Bundesratswahlen in der Vergangenheit bereits zu unerwarteten Abwahlen gekommen. Obwohl «man das nicht macht».
Etwa 2003, als das Parlament überraschend die CVP-Bundesrätin Ruth Metzler abwählte und Christoph Blocher von der SVP in den Bundesrat hievte.
Vier Jahre später, bei den Erneuerungswahlen, kam die Retourkutsche: Die Parlamentarier wählten Blocher ab. An seiner Stelle trat Eveline Widmer-Schlumpf, die daraufhin aus Protest aus der SVP ausgeschlossen wurde.
Durch welche Intrigen welcher Parteien diese Abwahlen zustande kamen, weiss man bis heute nicht. Denn es gilt: Bundesratswahlen sind geheim. Und genau das sorgt bei SVP, FDP, SP und Mitte für Anspannung. Sie fragen sich, ob die Wiederwahl ihrer Bundesrätinnen und Bundesräte mit dem Angriff der Grünen wirklich noch gesichert ist. Oder ob eine geheime Absprache zwischen den Parteien dazu führen könnte, dass sie ihren Bundesratssitz verlieren.
Das merkt auch Aline Trede: «Man macht uns jetzt gerne lächerlich. Es ist klar, dass die Bundesratsparteien das jetzt machen müssen. Die Angst vor dem Machtverlust tut anscheinend mega weh!» Denn eine Veränderung müsse es geben. Die Zauberformel verhebe nicht mehr.
Was Trede in der Sendung nicht preisgeben will: Auf welchen Bundesratssitz es ihre Partei abgesehen hat. Den von Ignazio Cassis oder von Karin Keller-Sutter?
Zumindest wenn man SP-Ständerat Hans Stöckli fragt, lautet die Antwort: Cassis. «Er ist jetzt nicht der überzeugendste Bundesrat.» Die Note 4,5 würde er ihm geben. Gerade noch genügend. Ob die SP-Fraktion darum bei den Bundesratswahlen mit den Grünen – und gegen Cassis – zusammenspannen würde, will er aber nicht sagen.
Als «Spiel mit dem Feuer» bezeichnen das die FDP und SVP. Es folgt eine offene Drohung von Thomas Matter: «Wenn die SP die Grünen unterstützt und Cassis oder Keller-Sutter abwählen würde, dann haben sie das Konkordanzprinzip gebrochen. Dann muss man sich in den nächsten Wahlen nicht mehr an die Konkordanz halten. Und dann ist der Letzte, der gewählt würde, ein SP-Bundesrat.»
Da platzt Beat Flach von der GLP der Kragen: «Ich finde es bedenklich, wie die Regierungsparteien gegeneinander ‹ellböglen› und Drohungen aussprechen.» Er plädiert auf gegenseitigen Respekt, der sich auch darin zeigen würde, indem alle Parteien wenigstens alle Bundesratskandidaten anhörten.
Doch FDP und SVP weigern sich, Gerhard Andrey vor den Wahlen zu einem Gespräch einzuladen. Ihn überhaupt kennenzulernen. Wieso auch, wenn genau dieser Mann einen bürgerlichen Bundesratssitz gefährden könnte?
Für Flach ist jedoch klar: «Auch ein Bundesratssitz ist nicht heilig!» Bundesrätinnen oder Bundesräte abzuwählen, sollte seiner Meinung nach kein Tabu sein. Immerhin würden 25 Prozent der Wählerinnen und Wähler derzeit nicht in der Landesregierung vertreten. Das sei ein Fakt.
Es ist ein passendes Schlusswort für diese SRF-«Arena», in der sich bis zuletzt keine Parteien in die Karten schauen lassen wollte. Aber genau deswegen, lässt die Sendung die Bundesratsparteien verunsicherter zurück, als sie gekommen sind. Keiner der Anwesenden traut der anderen Partei mehr über den Weg.
Nur Aline Trede lächelt am Ende noch immer schelmisch. Ihr gibt die Sendung scheinbar Hoffnung, dass die Grüne-Strategie doch noch aufgehen könnte. Ganz nach dem Prinzip: Wenn alle sich streiten, freut sich die Fünftplatzierte.
Die andere Sichtweise: Rechnerisch müsste eine Partei auf 13 Prozent kommen, um Anrecht auf einen Sitz im BR zu haben. So gesehen fehlen der SP 8 % und der FDP sogar 12 % für einen zweiten Sitz. Den Grünen fehlen lediglich 4 und der GLP 5,5 %. Sie wären also beide näher dran an einem als SP und FDP an einem zweiten Sitz.
Die Mitte hat schon erklärt sie werde einer Abwahl eines bestehenden Bundesrates nicht zustimmen.
Rechts der Mitte sind dafür keine Stimmen zu holen, und ich denke auch die GLP möchte in Zukunft durch höhere Wähleranteile einen Sitz der FDP lieber selber beerben. Bleibt noch die SP: Falls Herr Jositsch nid auf ihr Ticket kommt werden viele Genossen das Risiko nicht eingehen. Auch bei Mithilfe der SP liegt höchstens ein Achtungserfolg drin...