Hattest du früher eine «Chäpsli»-Pistole? Die beim Abdrücken einen lauten Knall verursacht, mit der aber niemand zu Schaden kommt?
FDP-Ständerat Damian Müller hatte vermutlich eine. Er warf den Diskussionsteilnehmerinnen nämlich vor, dass sie mit der «Chäpsli»-Pistole um sich schiessen würden, anstatt Einigkeit zu zeigen.
Mit Spielzeugwaffen hatte die erste «Arena» nach der Bundesratswahl aber sichtlich wenig zu tun. Die versammelten Nationalrätinnen und der Ständerat arbeiteten sich einmal mehr an der Verteidigungsfähigkeit der Schweiz und der Frage, wie der frisch gewählte Bundesrat diese vorantreiben könnte, ab.
Energisch diskutierten an diesem Freitagabend bei Moderator Sandro Brotz:
Eigentlich ging es an diesem Abend ja um den neuen Mitte-Bundesrat Martin Pfister. Beim Rätselraten, wer ihn am Mittwoch gewählt hatte und wer nicht, äusserte sich die Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter überraschend deutlich.
Sie habe einen weltoffenen Bundesrat gewollt und machte keinen Hehl daraus, dass sie damit Pfister meinte.
Als das geklärt war, war der neu gewählte Bundesrat bald vergessen. Mehr Gesprächsstoff lieferte hingegen die Frage, wer die «Verwahrlosung» des VBS zu verantworten hatte. Und da begannen die Schuldzuweisungen, die FDP-Ständerat Damian Müller zu seiner «Chäpsli»-Pistolen-Aussage verleiteten. Natürlich nicht, ohne selbst auch kräftig auszuteilen.
Scharfe Töne gegen die ehemaligen und amtierenden Bundesräte und Bundesrätinnen der SVP und FDP kamen nicht nur von links, sondern vor allem von der Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter.
Sie verteidigte ihre Noch-Bundesrätin Viola Amherd bis aufs Äusserste und warf SVP und FDP vor, das Verteidigungsdepartement entweder vernachlässigt oder totgespart zu haben. Gänzlich wütend machte sie, dass weder SVP noch FDP Interesse an einer europäischen Zusammenarbeit bei der Sicherheit zeigten.
Doch bei den Angriffen gegen rechts blieb es nicht, auch für den Pazifismus ihrer Nachbarin linkerhand hatte Schneider-Schneiter wenig Verständnis:
Der Luzerner Ständerat Müller gab zu bedenken, dass man das S in VBS nicht vergessen dürfe: Der Sport hatte es als Diskussionsthema neben der Verteidigung tatsächlich etwas schwer. Was der FDP-Mann unter «Sport» versteht, zeigte sich erst im Verlauf der Sendung.
Damit meinte der Ständerat nicht etwa körperliche Betätigung, sondern eine «Entschlackung» des Staates. In Musk'scher Manier liebäugelte er damit, doch einfach einige Bundesangestellte wegzusparen.
Müllers Fitnesswahn war anscheinend ansteckend, denn auch Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter beteuerte, ein Fitness-Programm für den Staat zu befürworten, Rüegger von der SVP ebenso.
Spätestens an dieser Stelle wurde klar, was es bedeutet, wenn Müller sagt, man müsse nun Prioritäten setzen und die Verteidigungsfähigkeit ins Zentrum stellen.
Wenn die Schuldenbremse sakrosankt und Steuern tabu sind, ist die Rechnung recht einfach: Dann muss irgendwo gekürzt werden. Wo das passieren sollte, deutete Müllers Lob für das kürzlich verabschiedete Sparpaket von FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter an. Gespart werden sollte demnach im Bildungs-, Sozial- und Umweltbereich.
Arslan, Vize-Präsidentin der Grünen, reagierte prompt:
Die Grünen-Nationalrätin versuchte während der Sendung mehrfach, einen anderen Standpunkt beliebt zu machen: dass nämlich Sicherheitspolitik nicht nur mit Waffen, sondern auch mit sozialer Sicherheit und dem Schutz vor der Klimakrise zu tun habe. Diese Sicht der Dinge fand in der Runde jedoch wenig Gehör.
Trotz aller Meinungsverschiedenheiten mit SVP und FDP positionierte sich Schneider-Schneiter hierzu klar auf bürgerlicher Seite:
Kurz vor Schluss der Sendung kam es dann zum Showdown zwischen Arslan und Müller. Der Stein des Anstosses: wieder die Schuldenbremse.
Müller argumentierte, er wolle den nachfolgenden Generationen keine Schulden hinterlassen. Dieses Szenario drohe, wenn man die Schuldenbremse nun lösen würde, um Mehrausgaben bei der Armee zu decken.
Das Stichwort der jüngeren Generationen nahm Arslan dankend auf:
Sie würde sich allerdings wünschen, diesen Enthusiasmus für die jüngeren Generationen auch in Klimafragen zu spüren.
Der FDPler warf Arslan daraufhin vor, überhaupt nicht über Sicherheitspolitik zu reden. Um dann wieder auf sein Fitness-Programm für den Bund zurückzukommen. «Das können Sie doch nicht gegeneinander ausspielen», wandte Arslan ein. Als auch noch Rüegger mit dem Sparhammer drohte, platzte Arslan der Kragen. Bei den F-35-Kampfjets habe man investiert und sehe trotzdem keine befriedigenden Resultate.
«Jetzt könnten wir eigentlich nochmals von vorn anfangen», beendete Brotz das Wortgefecht. Und tatsächlich: Hinter dieser Diskussion verbarg sich eine andere, nämlich darüber, um welche Sicherheit es eigentlich geht. Und wer den Preis bezahlt.
Die «Arena» vom Freitagabend war emotional, ernst und brachte einige kaum überwindbare Differenzen zutage. Aber es war auch eine «Arena», in der noch etwas anderes aufflammte. So huschte den Gästen selbst im Eifer des Gefechts immer wieder ein Lächeln übers Gesicht, wenn sie verbal zur Attacke schritten oder heftige Vorwürfe einstecken mussten. Nicht (nur) aus Häme, sondern auch aus Freude an der Auseinandersetzung, so schien es. Die Metapher mit den «Chäpsli»-Pistolen, sie war vielleicht doch nicht so weit hergeholt.
Wieder dieses pseudovernünftige Argument. Verschwiegen wird immer, dass auch künftige Generationen von Investitionen profitieren. Deswegen ist es nicht zu viel verlangt, dass sie sich daran beteiligen. Wir leben in einer Solidargemeinschaft - aber klar, die FDP hält von Solidarität nicht viel.
Ausserdem ist ein Staat keine Immobilie, die man getilgt an seine Kinder übergibt. Und selbst Unternehmen machen Schulden, um investieren zu können. Das müsste ein FDPler doch wissen…