Der Krieg in der Ukraine stellt die europäische Sicherheitsarchitektur auf den Kopf. Belächelte man vor ein paar Jahren die Forderungen Donald Trumps noch, wonach jedes Nato-Mitglied zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in die hiesige Armee investieren sollte, so heisst es jetzt fast unisono: «Zurück zu den Waffen!»
Deutschland will sofort 100 Milliarden Euro in die Modernisierung ihrer Armee stecken und ihr Militärbudget auf jährlich rund zwei Prozent des BIP erhöhen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat höhere Militärausgaben gar zu einem Wahlversprechen gemacht.
Auch in der Schweiz wurde kurz nach Kriegsausbruch der Ruf nach mehr Budget für die Armee laut. FDP und SVP fordern zwei zusätzliche Milliarden jährlich. Und dann wäre da noch der scheinbar nie enden wollende Knatsch rund um die Kampfjets.
Braucht die Schweiz den F-35? Oder bodengestützte Luftverteidigungssysteme? Vielleicht eine Annäherung zur Nato? Oder nutzen die Bürgerlichen die Gunst der Stunde für politischen Aktionismus? Darüber diskutierten am Freitag in der «Arena»:
Die Armee ist in der Schweiz ein Reizthema. Blumentöpfe sind damit keine zu gewinnen. Die Meinungen scheinen seit jeher festgefahren. Und so konnte man auch für diese «Arena» erahnen: Freundschaften werden an diesem Abend keine geschlossen. Krieg hin oder her.
Das zeigte sich bereits zu Beginn der Sendung. Moderator Sandro Brotz wollte von seinen Gästen wissen, ob sich die Bedrohungslage für die Schweiz seit Ausbruch des Krieges verändert hat. Für Josef Dittli keine Frage: «Die Bedrohungslage hat sich massiv verändert.»
Die Schweizer Armee müsse deswegen modernisiert werden. Und besser ausgerüstet, denn: Die Kernkompetenz der Schweizer Armee – die Verteidigung – könne momentan nur ungenügend gewährleistet werden. «Wir könnten vielleicht die Ostschweiz verteidigen, mehr nicht», sagte der Ständerat. Wenn er sich Russland mit seinen tausenden ballistischen Raketen und Atomwaffen anschaue, dann beunruhige ihn das.
Schützenhilfe bekam Dittli von Andrea Gmür, die gleich zum Punkt kam: Man müsse sich zusätzlich schützen, und das gehe nur mit neuen Kampfjets, einer besseren Cyberabwehr und «zukunftsfähigen Bodentruppen». Denn heutzutage keine Waffen zu haben, sei realitätsfremd. «Wenn man ein Haus in der Nähe eines Waldes besitzt, der immer brennt, dann kauft man den Feuerlöscher auch nicht erst, wenn das Haus in Flammen steht.»
Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter sah das etwas anders. Etwas pazifistischer. «Wenn wir den Frieden stärken wollen, dann geht das nicht mit Waffen.» Die Sicherheitslage habe sich nicht verändert in der Schweiz, das habe auch Verteidigungsministerin Viola Amherd so gesagt. «Es gibt also keinen Grund, jetzt überhastet Milliarden in die Armee zu pumpen.» Gescheiter wäre es, die Sicherheitsarchitektur neu zu denken. So könnte die Schweiz zum Beispiel alle Gasheizungen innert drei Jahren ersetzen und sich so von der Abhängigkeit Russlands lösen. Kostenpunkt: 1,5 Milliarden Franken pro Jahr. «Das wäre sicherheitsrelevant».
Darauf wollten Dittli und Gmür nicht gross eingehen. Und auch Brotz wollte lieber über ein anderes Thema sprechen, nämlich über den neuen Kampfjet, den die Schweiz beschaffen will: den F-35. Sicherheitspolitisch wohl die relevanteste Debatte zurzeit. Das war sie vor 10 Jahren allerdings auch schon. Und so wähnte man sich schnell in einem Déjà-vu aus den immer gleichen Anschuldigungen und Argumenten, die sich auch mit dem Krieg in der Ukraine nicht verändert haben.
SP-Nationalrätin Sarah Wyss bezweifelte die budgetierten sechs Milliarden für die 36 neuen Kampfjets. Es könnte genauso gut auch doppelt so teuer werden, wie Erfahrungen aus dem Ausland zeigten. Sie wolle deswegen den Bericht der Finanzkommission abwarten und keine überhasteten Entscheide treffen.
Josef Dittli hingegen hat schon lange genug gewartet. «Es weiss niemand von uns, was in 10 Jahren passiert.» Deswegen müsse man jetzt handeln, denn auch so würde die Beschaffung der neuen Kampfjets Jahre gehen. «Wir können es uns nicht leisten, jetzt noch länger zu warten.» Eine Steilvorlage für Wyss: «Aufrüstung braucht Zeit. Genau deswegen kann unsere Antwort auf diesen Krieg nicht Aufrüstung sein. Ihr Aktionismus ist Panikmacherei!»
Ob dieser Anschuldigungen lupfte es Andrea Gmür den Hut. Und weil Sandro Brotz seinen aufbehielt, übernahm sie kurzerhand die Rolle der Moderatorin. «Wenn Sie alle solche Expertinnen sind, welcher Flieger darf es denn sein?»
Wyss' Haltung zur neuen Rolle Gmürs war ähnlich wie jene zu den neuen Kampfjets: eher ablehnend. «Ich lasse mich nicht auf diese Frage festnageln», sagte sie ausweichend. Grundsätzlich sei aber auch sie der Meinung, dass die Schweiz eine Luftabwehr brauche. «Es gibt einfach noch offene Fragen.»
Teilzeitmoderatorin Andrea Gmür war nicht zufrieden mit der Antwort.
Im letzten Block der Sendung ging es um die Beziehung der Schweiz zur Nato. Ob diese intensiviert werden müsse, wollte Sandro Brotz wissen. Im Einzelgespräch tendierte Mitte-Ständerätin Andrea Gmür zwar eher in eine bejahende Richtung, sie wollte sich allerdings nicht zu weit auf die Äste herauslassen. Sie unterstütze Vorschläge wie jene von Parteikollege Gerhard Pfister, der gemeinsame Überwachungsflüge im Ausland vorschlug, aber: «Wir greifen nicht in bewaffnete Konflikte ein». Die Schweizer Armee sei lediglich zur Verteidigung da.
Josef Dittli wurde etwas deutlicher. Alle neuen Anschaffungen der Schweizer Armee müssten interoperabel sein. Dazu gehöre auch, dass man gemeinsam mit Nato-Ländern übe, «sodass im Kriegsfall die Partnerschaft auf Anhieb funktioniert».
Mit diesen Aussagen schien für Marionna Schlatter eine rote Linie überschritten. «Wenn ich Dittli oder Gmür so zuhöre, dann bin ich gottenfroh, dass wir die Stopp-F-35-Initiative lanciert haben», sagte sie. «Ich bin nicht sicher, ob die Schweizerinnen und Schweizer die Neutralität gleich interpretieren wie sie zwei.»
Nicht ganz sicher konnte man sich zum Schluss der Sendung auch darüber sein, wer denn jetzt das Rededuell gewonnen hat. Es scheint eine helvetische Konstante zu sein: Debatten über die beste Armee der Welt ähneln eher festgefahrenen Grabenkämpfen als moderner Kriegsführung.
Für die in der Schweiz anfallenden Aufgaben würde ein leichtes Mehrzweckkampfflugzeug wie der Alenia Aermacchi M-346 völlig reichen, da der ja eh im gleichen Werk wie der F-35 gefertigt wird.
Zudem gäbe es dann für den übrigen finanziellen Rahmen genügend um die strategische Verteidigung wie Cybersecurity, Katastrophenschutz, Bodluv und meinetwegen auch Drohnen anzugehen.
Also der einzige Aggresso ist Russland. Dieser schafft es aber nicht mal die Ukraine einzunehem. Die Zeiten wo ein Schleiffenplan oder Blitzkrieg funktioniert hat, sind vorüber. Dazu ist die Schweiz umgeben von EU Ländern, mit höheren Kapazitäten. Die Militärische Gefahr für die Schweiz ist doch also sehr gering. Statt Milliarden in unser Militär zu buttern, sollte man vielleicht in sich mit unseren Nachbarn zusammentun und die Grenzen zu Europa stärken?